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Читать онлайн книгу.Lehrer*innen und arbeiten nicht selbst in diesen Kontexten. Andererseits wird denen, die täglich lehren, nämlich Lehrkräften, bei der Theoriebildung keine Stimme zugetraut. Ihre Expertise erscheine im Vergleich zu der, die die Theoretiker für sich in Anspruch nehmen, als zweitrangig.
[…] I believe that the profession continues to cast teachers as implementers of dicta rather than as agents in the process of theory construction, curriculum planning, and policy development (Clarke 1994: 10).
Die Funktionalität dieses Verhältnisses spiegelt sich nicht zuletzt in dem distanzierten bis ablehnenden Einstellungen von Fremdsprachenlehrer*innen gegenüber wissenschaftlichen Konzepten und gegenüber der Forschung (Borg 2006, 2009) wider.
Verschiedene Ansätze, Lehrer*innen in der Forschung eine Stimme zu verleihen, sind seitdem in Erscheinung getreten. Baileys und Nunans Sammelband Voices from the Language Classroom (1996) kann dabei als direkte Antwort auf Clarkes kritische Anmerkungen gelesen werden. Mit dem Begriff Praxisforschung (vgl. Prengel 2010) lassen sich im deutschsprachigen Raum mehrere Ansätze bündeln. Sie unterscheiden sich in dem Grad, in dem die Lehrer*innen den Forschungsprozess mitbestimmen. Während die Lehrerforschung, wie sie von der Deutschdidaktik verstanden wird, Lehrer*innen bestenfalls als Gesprächspartner*innen der Wissenschaftler*innen konzeptualisiert, die sich von außen dem Praxisfeld nähern (Bräuer / Wieser 2015), bezeichnet derselbe Begriff in der Pädagogik Forschungsaktivitäten, die von den Praktiker*innen initiiert und vorangetrieben werden. Dieses Begriffsverständnis von Lehrer*innenforschung orientiert sich an dem angelsächsischen Konstrukt von Teacher Research (Hollenbach / Tillmann 2009, 2011) und den verschiedenen praktischen Spielarten (Borg /Sanchez 2015), denen auch die Aktionsforschung zuzuordnen ist (Altrichter / Posch 2007, Burns 2010). Je nachdem wie stark die Lehrer*innen in die Forschung involviert sind und diese (mit)bestimmen, ändert sich auch die Vorstellung zum Status der von Praktiker*innen generierten Erkenntnisse. Dies ist vor allem dann von Interesse, wenn Wissenschaftler*innen die „(relative) Außenperspektive“ gegenüber dem Praxisfeld aufgeben und sich zusammen mit Praktiker*innen auf stärker fallbezogene forschende Tätigkeit im Praxisfeld einlassen (vgl. Prengel 2010) und damit gemeinsam dazu beitragen, Unterricht zu verstehen. Angesichts der besonderen Kontextbedingungen des PROJEKS erschienen zwei methodische Ansätze als besonders vielversprechend für die Ausgestaltung des Forschungskonzepts, nämlich Exploratory Practice (Allwright 2003, Allwright / Hanks 2009, Hanks 2017) und Participatory Research Methods (Bergold / Thomas 2012).
Exploratory Practice ist eine Spielart von fremdsprachendidaktischer Praxisforschung, die auf Unzufriedenheit von Praktiker*innen mit etablierten Formen von Forschung reagiert, indem sie sich für die Integration von Forschung in pädagogisches Handeln einsetzt. Die alltäglichen Praktiken der Lehrer*innen werden dabei als Werkzeuge forschenden Handelns angesehen, mit deren Hilfe es gelingen kann, Unterricht zu verstehen. Allwright und Hanks sprechen von potentially exploitable pedagogic activities (Allwright / Hanks 2009: 157). Das Konzept ruht auf sieben Prinzipien, die hier nur kurz skizziert werden, da wir auf sie im nächsten Teilkapitel zurückkommen werden: Prinzip 1 quality of life for langugae teachers and learners ist das zentrale Anliegen dieser Art Forschung. Was auch immer die Praxisforscher*innen unternehmen, es muss der Qualität des Lebens im Klassenzimmer dienen. Working for understanding(s) (Prinzip 2) betont die forschende Haltung, die Praktiker*innen gegenüber dem eigenen Unterricht einnehmen. Es geht nicht primär darum, Probleme zu lösen, sondern zunächst und vorwiegend darum, die pädagogische Praxis zu verstehen. Prinzip 3, 4 und 5 everybody needs to be involved in the work for understanding, the work needs to serve to bring people together und the work needs to be conducted in a spirit of mutual understanding betonen die Kollegialität des Vorgehens und damit die Chance gemeinsamer Entwicklung, die sowohl kooperierende Wissenschaftler*innen als auch die Lernenden einschließt. Prinzip 6 hebt die Notwendigkeit kontinuierlicher Arbeit hervor. Prinzip 7 formuliert abschließend und mit großem Nachdruck, dass die Forschungsarbeit voll und ganz in die alltägliche Praxis integriert sein muss, mit dem Ziel, die Belastung der Beteiligten zu minimieren und damit Bedingungen für Nachhaltigkeit zu schaffen (Allwright / Hanks 2009: 149-154).
Während die Vertreter*innen der Exploratory Practice den komplexen und spannungsgeladenen Beziehungen von Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen keine besondere Aufmerksamkeit widmen und folglich die Frage nach der Etablierung einer Gemeinschaft der Forschenden weitgehend ausblenden, nimmt die Schaffung eines geschützten Raums (safe space) in der Methodenkonzeption von Bergold / Thomas (2012) eine Schlüsselstellung ein. Gemeint ist ein von allen Beteiligten zu schaffender und im Prozess immer wieder neu zu gestaltender Raum, in dem sich die verschiedenen Aktant*innen ohne Ängste des Gesichtsverlustes auf Augenhöhe begegnen, in dem sie geschützt ihre Sicht der Dinge darstellen, ihre Erfahrungen kommentieren und ihr besonderes Wissen einbringen können. Es geht folglich um einen Raum, in dem alle Beteiligten von und miteinander lernen. Solche Räume sind vor allem dann gefragt, wenn sich Wissenschaftler*innen in Handlungsfelder begeben, in denen ihnen qua Status eine Außenseiterposition zukommt.
For applied linguists, however, especially for those who locate their work in the professional and workplace context, these relationships are challenging, and often confounded by their very outsider status in relation to the communities and the sites with whom and in which they seek to work (Sarangi / Candlin 2003: 274).
Erste und vordringliche Aufgabe für die Beteiligten des PROJEKTS war es, einen solchen Beziehungsraum zu schaffen, dessen Genese und Bestimmungsparameter im nächsten Abschnitt dargestellt werden.
2.2 Parameter für die Entwicklung einer Gemeinschaft der Forschenden (community of inquiry)
Wie schon gesagt, übernahmen mit der Formalisierung des PROJEKTS die Wissenschaftler*innen die Verantwortung, dieses in Gang zu bringen. Dazu gehörten die Konstituierung eines Leitungsgremiums und die Erarbeitung eines Aktionsplans. Dem Leitungsteam gehörte von Anfang an eine Lehrkraft der PROJEKT-Schulen an, die für ihre Koordinations- und Leitungsarbeit mit einer halben Stelle vom Unterricht freigestellt wurde. Unter Berücksichtigung der besonderen Kontextbedingungen und der einschlägigen Forschungsliteratur zielte der Aktionsplan auf die Herstellung eines sicheren Begegnungsraums (safe space), wohl wissend, dass ein solcher Raum für gemeinsames Forschen und Lernen unter Berücksichtigung je individueller Interessen ein langfristiges und immer wieder gefährdetes Unternehmen sein würde. Für die Schaffung eines solchen Raumes musste folgenden Aspekten, die während des gesamten PROJEKTES immer wieder im Fokus waren, besondere Beachtung zukommen: (1) die zeitlichen Zwänge, denen alle Beteiligten ausgesetzt sind, (2) der Aufbau von Selbstvertrauen gegenüber der eigenen Praxis, (3) die Wertschätzung der alltäglichen pädagogischen Praxis und (4) der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen. Im Folgenden sollen diese Aspekte im Einzelnen erörtert werden. Aus der Retrospektive sind sie nach unserem Verständnis konstituierende Parameter kollaborativer Forschung.
Abb. 1:
Der Forschungsansatz
2.2.1 Zeitliche Zwänge. Lehrer*innen als Forscher*innen
Forschung muss immer mit zeitlichen Zwängen rechnen, bei der Arbeit mit Lehrer*innen wiegen sie jedoch besonders schwer. Denn es geht (1) um die tägliche Arbeitsbelastung der Lehrer*innen, (2) um das Interesse und die Verantwortung der Forscher*innen, reiche Daten zu gewinnen und zu erheben und (3) um die Frage, ob und wenn ja, in welchem Umfang Lehrer*innen über ihre pädagogischen Tätigkeiten hinaus durch das PROJEKTS belastet werden können. Allwright / Hanks (2009) fassen diesen Aspekt mit dem Konzept quality of life zusammen (S. 149-151; 280-282; s.o.). Besonders in der Anfangsphase des PROJEKTS artikulierten die Lehrer*innen ihre Frustrationen über die alltägliche Belastung und darüber, dass sie für die Mitarbeit am PROJEKT keine Entlastungsstunden erhielten, andererseits aber erwartet wurde, dass sie an den monatlichen Projektsitzungen teilnahmen. Die Projektleitung nahm dieses Anliegen ernst und versuchte zugleich die Wahrnehmung der Beteiligten für die Erträge des Dialogs miteinander zu stärken. Die Fokussierung auf