Pascal – Ein Mord ohne Sühne. Walter Brendel
Читать онлайн книгу.einen Ortstermin in der Tosa-Klause beantragt. Dabei soll geklärt werden, ob die erste aussagewillige Angeklagte Erika K. (51) von ihrem Thekenplatz in der Bierkneipe aus all die Ereignisse überhaupt habe verfolgen können, die sie bislang zu Protokoll gegeben hat.
Während der vorerst letzten Fragerunde an Erika K. am Vormittag des 30. September
hatten die Verteidiger die Glaubwürdigkeit von Erika K. erneut erschüttert. Sie brachten die Putzhilfe im Kreuzverhör immer wieder an die offensichtlichen Grenzen ihres Denk- und Auffassungsvermögens. So gab sie etwa auf die Frage des Anwalts von Martin R. (42), wo Pascal heute wohne, die Antwort, sie habe "keine Ahnung, wo Pascal heute wohnt". Dabei hatte sie selbst immer wieder betont, beim Mord an dem Jungen dabei gewesen zu sein.
Überhaupt waren viele der abschließenden Aussagen von Erika K. wie in den vergangenen Prozesstagen widersprüchlich oder nicht verwertbar. Oft besann sie sich
auf die Floskel, die Antwort auf eine Frage nicht zu wissen. Erika K. hatte am Montag
den Mord an Pascal im Detail beschrieben und dabei mehrere Mitangeklagte sowie sich selbst schwer belastet.
An den Hinweisen eines Saarbrücker Häftlings, nach denen die Leiche Pascals möglicherweise nicht in einem Grundstück bei Forbach, sondern in einem Bahndamm in der Nähe der Tosa-Klause verscharrt worden sein soll, ist nach Auffassung der Saarbrücker Kriminalpolizei "nichts dran". Wie sich inzwischen heraus gestellt habe,
habe der Gefängnisinsasse dieselbe Behauptung bereits vor etwa einem Jahr zu Protokoll gegeben. Damals habe die Polizei den vermeintlichen Fundort abgesucht,
sei aber nicht fündig geworden. Für eine neue Suchaktion bestünde nun kein Anlass.
Der fünfte Verhandlungstag
Andrea M. (40) hat die Aussagen von Erika K. zum Mord an dem Burbacher Jungen Pascal am 4. Oktober 2004 in vielen Punkten bestätigt. Dabei belastete sie einige Mitangeklagte und sich selbst schwer. Vor Gutachtern und Richtern berichtete sie, dass der damals fünfjährige Junge am 30. September 2001 - dem Tag seines spurlosen Verschwindens - in der Tosa-Klause mehrfach vergewaltigt und dann getötet worden sei.
Andrea M. gab zu, den Jungen "irgendwann am Nachmittag" auf Anweisung der Wirtin Christa W. (51) selbst in die vier Quadratmeter große Abstellkammer der Tosa- Klause getragen zu haben. Dabei habe sich der Knabe gewehrt. In der Kammer hätten sich dann zunächst Dieter S. (62) und Michael C. (47) und eventuell sogar noch ein weiterer Angeklagter an dem Kind vergangen. Der letzte Missbrauch sei schließlich durch den Mitangeklagten Martin R. (42) erfolgt. Andrea M. gab zu, den Jungen bei dieser letzten Schändung eigenhändig so lange fest gehalten zu haben, bis dieser sich nicht mehr bewegt habe. Dies sei auf Anweisung von Christa W. und Martin R. geschehen. Den Tod des Jungen habe sie aber nicht beabsichtigt. Trotzdem fühle sie sich noch heute "schuldig".
Später habe sie dann Dieter S. dabei geholfen, die Leiche einzupacken. Sie sei auch dabei gewesen, als Christa W. und Dieter S. das tote Kind zu einer Kiesgrube bei Forbach, jenseits der französischen Grenze, transportiert hätten.
Saarbücker Landgericht in der Franz-Josef-Röder-Straße
Erika K. (51), die erste aussagewillige Angeklagte, hatte lediglich zwei statt drei oder mehr Vergewaltigungen für den Tattag bestätigt. Außerdem will Erika K. die Wirtin Christa W. im Hinterzimmer mit einer Videokamera hantiert haben sehen - Andrea M.
sprach lediglich von einem Fotoapparat.
An eine Mithilfe Erika K.s beim Beseitigen der Kinderleiche konnte sich Andrea M. ebenfalls nicht erinnern: Erika K. sei überhaupt nicht in dem Zimmerchen gewesen.
Einige ihrer früheren Aussagen zur Anwesenheit von Mitangeklagten in dem Bierlokal wollte Andrea M. vor Gericht nicht mehr bestätigen.
Falls das Gericht der Schilderung von Andrea M. folgen sollte, ginge es in ihrem Fall
juristisch nicht um Mord, sondern um Totschlag bzw. Beihilfe zur Vergewaltigung mit
Todesfolge.
Nach Beobachtungen von Anwesenden im Gerichtssaal machte Andrea M. während
des Verhörs insgesamt einen zwar unsicheren, aber glaubwürdigen Eindruck. Auch
ihre Schilderungen erschienen klarer, deutlicher und schlüssiger als die Aussagen der anderen Aussagewilligen Erika K. Diese war bereits vor wenigen Tagen in den Zeugenstand getreten. Dabei hatte sie sich zum wiederholten Male in Widersprüche
und Unklarheiten verstrickt.
Die mutmaßliche Drahtzieherin, Christa W. leugnet nach Angaben ihres Anwalts nach wie vor, "überhaupt etwas" von den Geschehnissen in der Bierkneipe zu wissen.
Der Anwalt von Martin R. räumte "erhebliche Bedenken an der Glaubwürdigkeit der Zeugen" ein. Er gehe davon aus, dass es von Seiten der Verteidigung Anträge auf Gutachten zur Glaubwürdigkeit der Zeuginnen geben wird. Mehrere Anträge auf einen Ortstermin zur Besichtigung der Räumlichkeiten der Tosa-Klause liegen bereits vor.
Der sechste Verhandlungstag
Am sechsten Prozesstag im Fall Pascal, am 7. Oktober 2004, hat ein dritter Angeklagter überraschend Aussagen angekündigt. Sigmund D. (43) will am nächsten Verhandlungstag (Montag, 11. Oktober 2004) über das Geschehen in der Tosa-Klause
am Tag des Verschwindens des kleinen Pascal vor Gericht aussagen. Laut Anklage
soll Sigmund D. den Jungen in die Gastwirtschaft gelockt haben. Andrea M., eine der
beiden einzigen bis zu diesem Zeitpunkt aussagewilligen Angeklagten, hatten dies vor
Gericht bereits bestätigt.
Im Mittelpunkt des sechsten Prozesstages stand weiter die Angeklagte Andrea M. (40). Sie äußerte sich erstmals auch über den sexuellen Missbrauch ihres eigenen Sohnes. Der Junge, ein Spielkamerad Pascals, war nach ihren Aussagen in der Wohnung eines der Mitangeklagten vergewaltigt worden. Bereits am Montag, dem 4. Oktober, hatte sie die Aussagen von Erika K. zum Mord an dem Burbacher Jungen Pascal in vielen Punkten bestätigt.
Gleich zu Beginn des sechsten Verhandlungstages musste das Landgericht Saarbrücken die Verhandlung zunächst einmal aussetzen. Der Anwalt des Angeklagten Hans-Josef W. (49) hatte auf Wunsch seines Mandanten Haftbeschwerde eingelegt.
Er begründete dies mit der bisherigen Vernehmung der Angeklagten Andrea M. und
Erika K. Aus deren Aussagen lasse sich nicht ableiten, dass Hans-Josef W. zur Tatzeit
in der Tosa-Klause in Burbach gewesen sei.
Das Saarbrücker Landgericht hat den Antrag zur Entscheidung an das Oberlandesgericht weiter gegeben und die Verhandlung wieder aufgenommen. Der Angeklagte sei zwar durch die Aussagen von Andrea M und Erika K. bisher nicht belastet worden.
Trotzdem sei Hans W. weiter dringend tatverdächtig. Es gebe belastende Aussagen von drei weiteren Angeklagten vor der Polizei, erklärte der zuständige Richter.
Der siebte Verhandlungstag
Am siebten Prozesstag im Fall Pascal hat auch der Angeklagte Sigmund D. zu den Vorfällen in der Tosa-Klause ausgesagt. Er bestätigte weitgehend die Aussagen der beiden Angeklagten Andrea M. und Erika K., dass der damals fünfjährige Junge am
30. September 2001 in der Tosa-Klause sexuell missbraucht wurde und zu Tode kam. Während der Verhandlung wurde erstmals auch die Rolle der Angeklagten Christa W. genauer beschrieben.
Pascal sei am Nachmittag in die Gaststätte gekommen. Der 43-jährige Sigmund D., dem Beihilfe zu sexuellem Missbrauch vorgeworfen wird, beschuldigte vier der weiteren Angeklagten, am besagten Tag im Hinterzimmer der Tosa-Klause den Jungen sexuell missbraucht zu haben. Gesehen habe er zwar nichts, aber er habe den Jungen schreien gehört. Dann sei es im Hinterzimmer plötzlich still geworden, sagte er vor Gericht aus. Die Angeklagte Andrea M.