Das Collier der Lady Ira. Mara Laue

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Das Collier der Lady Ira - Mara Laue


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die das Opfer ausgeführt hat. Der Auftrag, der uns interessiert, stammt von einem John MacDonald, und Mrs Harrington hat für ihn ein Schmuckstück angefertigt. Wir brauchen seine Adresse, die in der Akte stehen müsste.«

      Ally rollte mit ihrem Stuhl zu einem Nebentisch, auf dem ein anderer Computer stand. Morven erkannte in ihm den, den sie aus Gwyn Harringtons Geschäft mitgenommen hatten. »Ich lasse auf dem Überwachungscomputer ein Suchprogramm nach versteckten oder kürzlich gelöschten Dateien laufen«, erklärte sie. »Aber Fehlanzeige. Wie gesagt, wer immer die Überwachungsaufzeichnung nach acht Uhr abends gelöscht hat, ist ein Profi.« Sie rief einen Dateiordner auf, der mit »Aufträge« bezeichnet war und öffnete ihn. »Ich finde hier fünf John MacDonalds mit unterschiedlichen Adressen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Kein Wunder. Die MacDonalds sind der größte Clan des Landes, und John ist kein seltener Vorname. Wann wurde der Auftrag erteilt?«

      »Vermutlich zwischen dem zehnten und fünfzehnten Februar«, antwortete Durie.

      Ally blickte auf den Bildschirm und schüttelte den Kopf. »Die Ordner für drei John MacDonalds tragen ein Bearbeitungsdatum von diesem Jahr, aber die letzte Bearbeitung stammt vom zwanzigsten Januar.«

      »Würdest du uns die Dateien aller John MacDonalds ausdrucken?«, bat Morven.

      Ally lächelte sie liebenswürdig an. »Wie war das mit der Einladung zum Essen?«

      Morven lachte. »Heute Abend bei mir. Mein Onkel hat gestern Lachse geangelt und mir ein fangfrisches Exemplar gebracht. Babymöhren, dazu meine Spezialsoße und ein gepflegter Wein.«

      »Deal«, stimmte Ally zu. Sekunden später erwachte ein Drucker zum Leben und spuckte fünfzehn Seiten aus, die Ally nahm und Morven reichte. »Und bevor du fragst: Keine Drohmails auf dem Computer, keine Malware, keine Erpressungen der Toten gegen irgendwen oder von irgendwem. – Bis heute Abend, dann!«

      Morven nahm die Blätter, verabschiedete sich und ging mit Durie in ihr Büro. Sie setzte sich und reichte ihm die Hälfte der Ausdrucke. Sie las sich das erste Blatt durch. John MacDonald aus Morningside hatte einen Armreif aus massivem Gold bestellt mit einem ovalen Stein aus dunkelgrüner Jade, in den das Clanwappen eingraviert war und auf der Innenseite »Für Roana in ewiger Liebe«. Morven hoffte, dass die Liebe des Paares tatsächlich ewig halten würde. Und mit einem Anflug von Neid wurde ihr bewusst, dass noch niemand ihr ein so wertvolles Geschenk gemacht hatte. Aber wenn sie wollte, konnte sie sich das auch selbst schenken. Der mit vierhundert Pfund angegebene Preis war zwar der pure Luxus, aber ein solches Geschenk machte man sich nur einmal im Leben.

      Der Armreif war bereits im November in Auftrag gegeben und laut Mrs Harringtons Eintrag Anfang Dezember fertiggestellt worden. Ein Weihnachtsgeschenk also, das der Auftraggeber in zwei Raten gezahlt hatte, die letzte im Januar. Der nächste MacDonald hatte einen Diamantring bestellt, der dritte eine Halskette aus Tigeraugen- und Goldperlen mit einem passenden Armband. Die beiden MacDonalds, deren Akten Durie sich angesehen hatte, hatten ein Halsband aus neun silbernen Efeublättern und ein Bernsteinhalsband mit einer Achatgemme bestellt. Kein Auftrag hatte laut Gwyn Harringtons Notizen länger als zwei Wochen gedauert. Demnach konnte keiner von diesen MacDonalds derjenige mit dem »eine Weile dauernden« Auftrag gewesen sein. Es sei denn, er hätte nur diesen gelöscht und frühere im Computer gelassen. Doch das erschien Morven wenig sinnvoll.

      Sie griff zum Telefon und rief in der IT-Abteilung an. »Ally, wie lange braucht man, um Dateien so komplett zu löschen, dass nicht mal du sie wiederherstellen kannst?«

      »Ein paar Minuten, wenn man nur eine einzige Datei löschen will und genau weiß, was man tut. Wenn man erheblich mehr löschen will«, Morven hörte das Grinsen in Allys Stimme, »formatiert man die Festplatte. Dann ist alles weg. Das hat nur den unbedeutenden Nachteil, dass man danach den Computer nicht mehr benutzen kann. Zumindest nicht, bis man das Betriebssystem neu aufgespielt hat. Aber alle gespeicherten Daten sind dann weg. Unwiederbringlich.«

      »Nur ein paar Minuten also. Hm. Danke, Ally.« Morven legte auf und blickte nachdenklich auf die Ausdrucke vor sich.

      »Stimmt«, sagte Durie.

      »Was stimmt?«, fragte Morven irritiert.

      Er lächelte. »Ihre Überlegung, dass der Täter mehr als genug Zeit hatte, Mrs Harrington umzubringen, alle Spuren einschließlich seiner Dateien und des Überwachungsvideos zu beseitigen und über alle Berge zu sein, ehe Mister Eifersucht angerast kam, um seiner Frau die Hölle heißzumachen. Was bedeutet …« Er blickte Morven bedeutsam an.

      »Dass die ganze Sache sehr sorgfältig geplant wurde.« Sie lehnte sich zurück. »Wir können wohl zweifelsfrei davon ausgehen, dass Mrs Harrington das Ziel war.« Sie blickte nachdenklich auf das Bild der handgeschmiedeten Efeublattkette. »Die Frage ist nur: warum? Ist es etwas Persönliches oder hat es mit dem Schmuckstück zu tun, das sie für ihren Mörder angefertigt hat?« Sie deutete auf das Bild des vierhundert Pfund teuren Armreifs. »Möglicherweise war das Ding sehr teuer, und der Kunde hatte das Geld nicht.«

      »Und deshalb bringt er die Goldschmiedin gleich um?«

      Morven nickte. »Wir wissen doch, dass Menschen andere schon für weniger Geld umgebracht haben. Vielleicht hätte er sich das nie leisten können und hat von Anfang an den Mord zusammen mit der Bestellung geplant.«

      Aber das erschien ihr doch recht abwegig, denn normale Menschen besaßen in der Regel eine hohe Hemmschwelle, um jemanden kaltblütig zu töten. Im Affekt, in Notwehr – kein Thema. Aber so akribisch geplant? Dazu gehörte nicht nur eine Menge krimineller Energie, sondern auch eine gehörige Portion Abgebrühtheit.

      Morven griff wieder zum Telefon und rief Fiona Gall an. »Ms Gall, gibt es eine Möglichkeit festzustellen, welches Material in den letzten vier Wochen verbraucht wurde? Also, Edelsteine, Edelmetalle und so weiter.«

      »Aber ja. Auch das wird akribisch in der Buchhaltung aufgelistet. Und zusätzlich im Materialverzeichnis. Wir müssen doch wissen, wann wir etwas nachbestellen müssen.« Kurze Pause. »Wenn Sie mir Zugang zum Computer geben, kann ich das für Sie herausfinden.«

      »Danke, das schaffen wir schon. Aber können Sie heute Nachmittag trotzdem zu uns aufs Revier kommen? 28 Meadow Place Road. Vielleicht können Sie uns anhand der Listen sagen, was für ein Schmuckstück Mrs Harrington für diesen Mr MacDonald angefertigt haben könnte. Das ist doch möglich?«

      »Ja klar, denn solche Spezialaufträge kommen nicht so häufig vor. Und wir haben erst Anfang Januar fürs neue Jahr die große Inventur gemacht. Ich muss nur die Listen der damaligen Bestände mit den aktuellen vergleichen, dann kann ich Ihnen zumindest sagen, welches Material verbraucht wurde und daraus wahrscheinlich auch einen Schluss ziehen, um was für einen Schmuck es sich handelte.«

      »Das wäre super. Passt Ihnen nachher um vier?« Samstag oder nicht, bei einem Mordfall gab es leider kein Wochenende.

      »Ich werde da sein«, versprach Fiona Gall.

      Morven beendete das Gespräch, rief nochmals Ally an und bat um die Zusammenstellung der Listen aus Gwyn Harringtons Computer. Anschließend betrachtete sie die für die fünf MacDonalds angefertigten Schmuckstücke, während Nathan Durie die Auftraggeber durchtelefonierte und unter dem Vorwand, »einen wichtigen Zeugen namens John MacDonald« zu suchen, deren Alibis überprüfte und auch fragte, ob sie Mitte Februar bei Harrington’s Fine Jewellery ein neues Schmuckstück bestellt hatten.

      Die Antworten fielen vorhersehbar negativ aus. Selbst wenn einer von ihnen der geheimnisvolle Kunde und mutmaßliche Mörder wäre, würde er garantiert nicht zugeben, über den dokumentierten Auftrag hinaus bei Gwyn Harrington etwas bestellt zu haben. Außerdem: Falls wirklich einer dieser MacDonalds der Täter sein sollte, hätte er sich bestimmt nicht die Mühe gemacht, nur diesen einen Auftrag aus dem Computer zu löschen, sondern seine gesamte Akte, damit nach Möglichkeit keine einzige Spur zu ihm führte. Obwohl die angegebenen Alibis selbstverständlich noch überprüft wurden, war Morven sich sicher, dass keiner der fünf der Täter war.

      Doch was hatte der Mörder für ein Motiv gehabt?

      »Ich glaube«, sagte Durie in ihre Gedanken hinein,


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