Politisch motivierte Morde . Walter Brendel
Читать онлайн книгу.knapp 50 Jahre später in seiner „Geschichte von Florenz“. Der Chronist schreibt, Italien sei seinerzeit in zwei Parteien zerfallen: Florenz und Rom.
In der Stadt am Arno zieht der Papst jedenfalls die ungeheuer reichen Pazzi vor; dem Medici jedoch ist diese Familie ein Dorn im Auge. Zwar ist seine Schwester Bianca mit einem Pazzi verheiratet, „Lorenzo aber wollte alle seine Autorität fühlen lassen“, betont Machiavelli.
Giuliano de’ Medici
Giuliano de’ Medici (* 25. März 1453; † 26. April 1478 in Florenz) war der zweite Sohn von Piero I. de Medici und dessen Ehefrau Lucrezia Tornabuoni und Mitregent seines Bruders Lorenzo il Magnifico (1449–1492).
Er wurde als Startsignal der Verschwörung der Pazzi im Dom Santa Maria del Fiore in Florenz von Francesco de Pazzi und Bernardo Baroncelli während der Ostermesse am 26. April 1478 ermordet.
Er ist bei seinem Bruder Lorenzo in der Medici-Kapelle der Basilica di San Lorenzo di Firenze begraben. Beider Grab ist mit der Madonna mit dem Kind von Michelangelo geschmückt.
Der „Prächtige“ misstraut jedenfalls den angeheirateten Verwandten. „Dank ihres üblen Charakters trachten sie danach, mir so viel Schaden zuzufügen wie möglich“, schreibt er an den befreundeten Herzog von Mailand. Die Pazzi haben sich zu päpstlichen Bankiers aufgeschwungen und die Medici ausgestochen. Von den hohen Ämtern in Florenz jedoch hält Lorenzo sie mit aller politischen Finesse fern.
Erzbischof Salviati ist für Lorenzo ein Geschöpf der Pazzi und in Florenz unwillkommen. Doch der Kirchenfürst wünscht, die Kunstschätze im Palazzo Medici zu besichtigen - ein Vorwand, wie sich zeigen wird. Salviati weiß: Der leidenschaftliche Dichter Lorenzo gibt viel auf die schönen Künste und auf das Ansehen seines Hauses. Einen Bischof auszuladen, wäre überdies schlechte Diplomatie. Auf dem Weg zur Kathedrale bedenkt Salviati noch einmal den Plan: An seiner Seite soll Lorenzo ge-radewegs ins Verderben laufen, und mit ihm sein jüngerer Bruder Giuliano. Zwei Mal ist es in den Tagen zuvor nicht gelungen, die Köpfe der aufstrebenden Familie abzuschlagen - einmal bei einem Bankett in Salviatis Landhaus und einmal bei einem Gastmahl in Florenz. Giuliano war zwei Mal nicht erschienen.
Man muss beide ausschalten, dessen sind sich die Verschwörer sicher. Machiavelli schreibt die Idee des Komplotts Francesco Pazzi zu, einem Neffen des Familienoberhaupts Jacopo, sowie dem Grafen Girolamo Riario, einem weiteren Neffen des Papstes. Den hat der Heilige Vater zum Statthalter in Imola gemacht - noch ein Stachel im Fleisch der Medici. Denn der Papst hat den Florentinern diese Stadt vor der Nase weggekauft, mit dem Geld der Pazzi. Auch Erzbischof Salviati spielt laut Überlieferung eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung des Komplotts.
„Nach allem, was ich höre, sind die, die auf der Seite der Medici stehen, immer gut gefahren und die auf der Seite der Pazzi schlecht, denn sie werden immer vernichtet. Sei also vorsichtig.“ (Die Schriftstellerin Alessandra Macinghi Strozzi 1462 an ihren Sohn in Brügge) |
Als sicher gilt, dass Sixtus IV. von dem Plan weiß. Wenn auch seine Zustimmung nicht schriftlich überliefert ist, sein Groll gegen den „einfachen Kaufmann“ Lorenzo ist es. Die Verschwörer wissen: Sixtus wird die blutige Tat billigen!
Unter der Kuppel von Santa Maria del Fiore mit ihren himmlischen Szenen herrscht größte Andacht. Der Priester hält die Hostie zur Wandlung empor. Fromme Blicke liegen auf da Gesichtern - da schlagen die Attentäter zu: „Hier, du Verräter!“ Bernardo Bandini, ein Pazzi-Freund, springt hervor, rammt Giuliano de' Media den Dolch in die Brust. Giuliano greift an die Wunde, taumelt. Da springt Francesco de' Pazzi hinzu und sticht wieder und wieder auf Giuliano ein, mindestens zwölf Mal.
Sandra Cozzoli stellte Giuliano de'Medici als Melchior in seinem „Zug der heiligen drei Könige“ dar
Sein Opfer bricht sterbend zusammen. Schreie hallen durch die riesige Kathedrale, Menschen laufen durcheinander, verängstigte Gottesdienstbesucher hasten zu den Ausgängen. Zur gleichen Zeit auf anderen Seite des Kirchenschiffs. Zwei Priester zücken verborgen gehaltene Dolche, ergreifen Lorenzo stechen von hinten zu. Am Hals getroffen, springt der hochgewachsene Medici vor, wirbelt herum, zieht seinen eigenen Dolch. Flink pariert er weitere Angriffe, dann flüchtet er durch die aufgewühl-te Menge und rettet sich mit Freunden in die Sakristei.
Das Herz schlägt Lorenzo bis; Hals. Blut läuft ihm auf den Kragen. Bevor die schweren Bronzetüren in Sakristei ins Schloss fallen, wird Francesco Nori, einer der Leiter der Medici-Bank, hineingezerrt. Er röchelt und blutet stark aus dem Bauch - Lorenzo sieht einen seiner besten Freunde sterben. Dass auf dem Boden der Kathedrale sein Bruder im eigenen Blut liegt, erfährt er wenig später. Lorenzo schickt eine Depesche an das verbündete Mailand: „Meine Regierung schwebt in höchster Gefahr!“
In der Tat: Auch wenn die Verschwörer den Chef der Medici-Familie nicht töten konnten, so macht sich Erzbischof Salviati dennoch an den zweiten Teil des Plans, Florenz zu gewinnen. Entschlossen zieht der Gottesmann mit Söldnern in den Palaz-zo della Signoria (heute Palazzo Vecchio), jenen massiven, burggleichen Palast im Herzen von Florenz, den Sitz des Stadtparlaments.
Doch das Pendel schlägt längst gegen die Verschwörer aus. Während Franzesco de' Pazzi verletzt aufgibt und Bernardo Bandini flieht, verstrickt sich der Bischof in wirre Reden. Die Abgeordneten der Republik zögern nur kurz, auf welche Seite sie sich stellen sollen; Stunden, ja Tage der Rache beginnen. Im Palazzo ergreifen die Ratsmänner die Waffen. Sie stechen Salviatis Söldner entweder gleich ab oder werfen sie lebendig aus den Fenstern. Den Erzbischof selbst hängen sie an einem Fensterrahmen des Palazzo auf wie einen Verbrecher. Glocken läuten Alarm, zunächst in der Stadt, dann in der gesamten Toskana.
„Unterdessen war ganz Florenz unter Waffen“, schreibt Machiavelli: Auch andere Quellen berichten von großem Aufruhr: „In der ganzen Stadt rief man den Namen der Medici. Die Gliedmaßen der Ermordeten sah man auf den Spitzen der Waffen steckend umhergetragen, überall sah man grausame Handlungen gegen die Pazzi.“ Der verletzte Verschwörer Francesco wird neben dem Bischof am Fenster des Palastes aufgeknüpft. Machiavelli schreibt später von Straßen voller zerrissener Glie-der.
Lorenzo leitet einen beispiellosen Rachefeldzug ein - er will die verhassten Pazzi vernichten! In den nächsten Tagen werden sämtliche Pazzi-Brüder und -Vettern verhaftet, verbannt oder eingekerkert. Bauern eines Bergdorfs fassen das fliehende Familienoberhaupt, den Messer Jacopo. Er bietet Gold für die Gelegenheit zum Selbstmord. Doch der alte Mann wird am selben Fenster aufgeknüpft wie der Bischof. Junge Florentiner schänden seine Leiche.
In der Stadt stehen schon am 5. Mai Pferde und Maultiere der einst hoch angesehenen Familie zum Verkauf, dann Kleidung, Möbel und Hausrat. Lorenzos harte Hand bringt im Innern Ruhe. Doch nun droht Ungemach von außen: Was der Papst durch Verschwörung nicht erreichte, versucht er nun durch einen offenen Krieg. An seiner Seite steht Ferdinand I., König von Neapel und traditioneller Verbündeter Roms. Lorenzo jedoch entscheidet sich zu einem beispiellosen Schachzug gegen die Übermacht: Er begibt sich in die Höhle des Feindes. Ganz Italien staunt, als Lorenzo im Frühjahr 1479 mit Bergen von Geschenken in Neapel eintrifft. Sixtus in Rom tobt.
„Würdevoll“ und „geistreich“ tritt Lorenzo in den täglichen Gesprächen mit Ferdinand auf; der König ist verwundert über „das Großartige seiner Ansichten“ und „die Richtigkeit seines Urteils“, wie erneut Machiavelli berichtet. Mit Takt und Feingeistig-keit gelingt dem „Gran maestro“ das Unmögliche: Er wickelt den verschlagenen Gegner um den Finger - ein Bravourstück der Diplomatie. Nach zweieinhalb Monaten lässt Ferdinand Lorenzo reich beschenkt ziehen, der Krieg ist vorbei. Machiavelli schwärmt: „War Lorenzo von Florenz als angesehener Mann abgereist, so kehrte er als der Größte zurück.“ Doch dieser Triumph bedeutet nicht das Ende aller Stürme über dem Hause Medici.
Machiavelli, der Chronist
Die „Geschichte von Florenz“ (1522) aus der Feder |