Die Waffen nieder. Bertha von Suttner

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Die Waffen nieder - Bertha von Suttner


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      Bertha von Suttner

      Die Waffen nieder!

      Eine Lebensgeschichte

      Texte: © Copyright by Bertha von Suttner

      Umschlag: © Copyright by Gunter Pirntke

      Verlag:

      Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

      Gunter Pirntke

      Mühlsdorfer Weg 25

      01257 Dresden

      [email protected]

      Inhalt

       Impressum

       Erstes Buch. 1859.

       Zweites Buch. Friedenszeit.

       Drittes Buch. 1864.

       Viertes Buch. 1866.

       Fünftes Buch. Friedenszeit.

       Sechstes Buch. 1870/71.

       Epilog. 1889

       Nachwort

      Mit siebzehn Jahren war ich ein recht überspanntes Ding. Das könnte ich wohl heute nicht mehr wissen, wenn die aufbewahrten Tagebuchblätter nicht wären. Aber darin haben die längst verflüchtigten Schwärmereien, die niemals wieder gedachten Gedanken, die nie wieder gefühlten Gefühle sich verewigt, und so kann ich jetzt beurteilen, was für exaltierte Ideen in dem dummen, hübschen Kopfe steckten. Auch dieses Hübschsein, von dem mein Spiegel nicht mehr viel zu erzählen weiß, wird mir durch alte Porträts verbürgt. Ich kann mir denken, welch beneidetes Geschöpf die jugendliche, als schön gepriesene, von allem Luxus umgebene Komteß Martha Althaus gewesen sein mochte. Die sonderbaren – in rotem Umschlag gehefteten – Tagebuchblätter jedoch deuten mehr auf Melancholie, als auf Freude am Leben. Die Frage ist nun die: war ich wirklich so töricht, die Vorteile meiner Lage nicht zu erkennen, oder nur so schwärmerisch zu glauben, daß allein melancholische Empfindungen erhaben und wert seien, in poetischer Prosa ausgedrückt und als solche in die roten Hefte eingetragen zu werden? Mein Los schien mich nicht zu befriedigen, denn da steht's geschrieben:

      »Oh, Jeanne d'Arc – du himmelsbegnadete Heldenjungfrau, könnt' ich sein wie du! Die Oriflamme schwingen, meinen König krönen und dann, sterben – für das Vaterland, das teure.«

      Zur Verwirklichung dieser bescheidenen Lebensansprüche bot sich mir keine Gelegenheit. Auch im Zirkus von einem Löwen als christliche Märtyrerin zerrissen zu werden – ein anderer (laut Eintragung vom 19. September 1853) von mir beneideter Beruf – war mir nicht zugänglich, und so hatte ich offenbar unter dem Bewußtsein zu leiden, daß die großen Taten, nach welchen meine Seele dürstete, ewig ungeschehen bleiben müßten, daß mein Leben – im Grunde genommen – ein verfehltes war. Ach, warum war ich nicht als Knabe zur Welt gekommen! (auch ein in dem roten Heft gegen das Schicksal oft vorgebrachter, fruchtloser Vorwurf) – da hätte ich doch Erhabenes erstreben und leisten können. Vom weiblichen Heldentum bietet die Geschichte nur wenig Beispiele. Wie selten kommen wir dazu, die Gracchen zu Söhnen zu haben, oder unsere Männer zu den Weinsberger Toren hinauszutragen, oder uns von säbelschwingenden Magyaren zuschreien zu lassen: »Es lebe Maria Theresia, unser König!« Aber wenn man ein Mann ist, da braucht man ja nur das Schwert umzugürten und hinauszustürzen, um Ruhm und Lorbeer zu erringen – sich einen Thron zu erobern – wie Cromwell, ein Weltreich – wie Bonaparte! Ich erinnere mich, daß der höchste Begriff menschlicher Größe mir in kriegerischem Heldentum verkörpert schien. Für Gelehrte, Dichter, Länderentdecker hatte ich wohl einige Hochachtung, aber eigentliche Bewunderung flößten mir nur die Schlachtengewinner ein. Das waren ja die vorzüglichen Träger der Geschichte, die Lenker der Länderschicksale; die waren doch an Wichtigkeit, an Erhabenheit – an Göttlichkeit beinahe – über alles andere Volk so erhaben, wie Alpen- und Himalayagipfel über Gräser und Blümlein des Tales.

      Aus alledem brauche ich nicht zu schließen, daß ich eine Heldennatur besaß. Die Sache lag einfach so: ich war begeisterungsfähig und leidenschaftlich; da habe ich mich natürlich für dasjenige leidenschaftlich begeistert, was mir von meinen Lehrbüchern und von meiner Umgebung am höchsten angepriesen wurde.

      Mein Vater war General in der österreichischen Armee und hatte unter »Vater Radetzky«, den er abgöttisch verehrte, in Custozza gefochten. Was mußte ich da immer für Feldzugsanekdoten hören! Der gute Papa war so stolz auf seine Kriegserlebnisse und sprach mit solcher Genugtuung von den »mitgemachten Kampagnen«, daß mir unwillkürlich um jeden Mann leid war, der keine ähnlichen Erinnerungen besitzt. Welch eine Zurücksetzung doch für das weibliche Geschlecht, daß es von dieser großartigsten Betätigung des menschlichen Ehr- und Pflichtgefühls ausgeschlossen ist! ... Wenn mir je etwas von den Bestrebungen der Frauen nach Gleichberechtigung zu Ohren kam – doch davon hörte man in meiner Jugend nur wenig und gewöhnlich in verspottendem und verdammendem Tone – so begriff ich die Emanzipationswünsche nur nach einer Richtung: die Frauen sollten auch das Recht haben, bewaffnet in den Krieg zu ziehen. Ach, wie schön las sich's in der Geschichte von einer Semiramis oder Katharina II.: »sie führte mit diesem oder jenem Nachbarstaate Krieg – sie eroberte dieses oder jenes Land ...«

      Überhaupt, die Geschichte! die ist, so wie sie der Jugend gelehrt wird, die Hauptquelle der Kriegsbewunderung. Da prägt sich schon dem Kindersinne ein, daß der Herr der Heerscharen unaufhörlich Schlachten anordnet; daß diese sozusagen das Vehikel sind, auf welchem die Völkergeschicke durch die Zeiten fortrollen; daß sie die Erfüllung eines unausweichlichen Naturgesetzes sind und von Zeit zu Zeit immer kommen müssen, wie Meeresstürme und Erdbeben; daß wohl Schrecken und Greuel damit verbunden sind, letztere aber voll aufgewogen werden: für die Gesamtheit durch die Wichtigkeit der Resultate, für den einzelnen durch den dabei zu erreichenden Ruhmesglanz, oder doch durch das Bewußtsein der erhabensten Pflichterfüllung. Gibt es denn einen schöneren Tod, als den auf dem Felde der Ehre – eine edlere Unsterblichkeit, als die des Helden? Das blies geht klar und einhellig aus allen Lehr- und Lesebüchern »für den Schulgebrauch« hervor, wo nebst der eigentlichen Geschichte, die nur als eine lange Kette von Kriegsereignissen dargestellt wird, auch die verschiedenen Erzählungen und Gedichte immer nur von heldenmütigen Waffentaten zu berichten wissen. Das gehört so zum patriotischen Erziehungssystem. Da aus jedem Schüler ein Vaterlandsverteidiger herangebildet werden soll, so muß doch schon des Kindes Begeisterung für diese seine erste Bürgerpflicht geweckt werden; man muß seinen Geist abhärten gegen den natürlichen Abscheu, den die Schrecken des Krieges hervorrufen könnten, indem man von den furchtbarsten Blutbädern und Metzeleien, wie von etwas ganz Gewöhnlichem, Notwendigem, so unbefangen als möglich erzählt, dabei nur allein Nachdruck auf die ideale Seite dieses alten Völkerbrauches legend – und auf diese Art gelingt es, ein kampfmutiges und kriegslustiges Geschlecht zu bilden.

      Die Mädchen – welche zwar nicht ins Feld ziehen sollen – werden aus denselben Büchern unterrichtet, die auf die Soldatenzüchtung der Knaben angelegt sind, und so entsteht bei der weiblichen Jugend dieselbe Auffassung, die sich in Neid, nicht mittun zu dürfen, und in Bewunderung für den Militärstand auflöst. Was uns zarten Jungfräulein, die wir doch in allem übrigen zu Sanftmut und Milde ermahnt werden, für Schauderbilder aus allen Schlachten der Erde, von den biblischen und makedonischen und punischen bis zu den dreißigjährigen und napoleonischen Kriegen vorgeführt werden, wie wir da die Städte brennen und die Einwohner »über


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