Wechselspiel der Liebe. Heather Graham
Читать онлайн книгу.und kleine, schwere Gläser. Dann schaute sie sich in der Gaststube um, die von dichten Rauchschwaden erfüllt war.
In einer Ecke vergnügten sich einige Matrosen und Straßendirnen. In einer anderen schäkerten ein paar Hafenarbeiter mit Lisette, Maries Kusine. Und an mindestens drei Tischen saßen Kartenspieler.
Aber Marie behielt recht. Diese vier Männer konnte man nicht übersehen. Ein Deutscher, ein Franzose und die Amerikaner. Der eine wirkte etwas jünger als die anderen. Auf einen Ellbogen gestützt, beobachtete er das Spiel. Und McKenzie, der Ire mit dem rabenschwarzen Haar ... Nie zuvor war Tara ein solcher Mann begegnet. Offenbar beobachtete er sie schon seit einiger Zeit. Verwirrt erwiderte sie den Blick seiner großen, dunklen Augen. Er besaß markante Gesichtszüge – ein eigenwilliges Kinn, hohe, breite Backenknochen, ebenholzschwarze, hochgewölbte Brauen, eine lange, gerade Nase und volle, sinnliche Lippen. Seine gebräunte Haut schimmerte wie Bronze.
Als er bemerkte, daß sie ihn anschaute, lächelte er. Ein sonderbares Gefühl stieg in ihr auf. Heiße Wellen schienen ihren ganzen Körper zu durchströmen, vom Kopf bis zu den Zehenspitzen.
Er trug einen eleganten schwarzen Gehrock, eine hellbraune Hose und ein schneeweißes Hemd. Und seine Finger, die die Spielkarten festhielten, waren so braun wie sein Gesicht, mit kurz gestutzten Nägeln.
»Endlich! Der Whiskey!« rief der Deutsche.
Hastig stellte Tara die Flasche und die Gläser auf den Tisch, spürte den forschenden Blick dieser faszinierenden nachtschwarzen Augen, wollte so schnell wie möglich fliehen.
»Offenbar sind Ihnen die Goldmünzen ausgegangen, Jack, also sollten wir aufhören«, meinte McKenzie. Seine tiefe, wohlklingende Stimme ließ Tara erschauern.
»Vielleicht die Münzen«, erwiderte der Franzose, »aber ich habe noch etwas anderes zu bieten, mon ami.« Erschrocken hielt Tara den Atem an, als seine Finger ihr Handgelenk umklammerten. »Das Mädchen gehört Ihnen, für eine Nacht.«
»Was?« stieß sie empört hervor.
»Sie ist nicht Ihr Eigentum«, entgegnete McKenzie.
»Gewissermaßen schon. Eastwood steht in meiner Schuld. Das Mädchen für eine Nacht, gegen Ihre dreihundert in Gold.«
»Keine Hure, nicht einmal diese, ist dreihundert wert!« protestierte der Deutsche und trank einen Schluck Whiskey. Seine hellen Augen musterten Tara aufmerksam. »Oder vielleicht doch?«
Entrüstet riß sie sich los. »Ich arbeite für Eastwood. Und ich gehöre weder ihm noch sonst jemandem!« Sie wollte sich abwenden, aber der Franzose hielt ihren Rock fest. Ungläubig starrte sie ihn an. »Lassen Sie mich gehen! Verstehen Sie doch, Sie können mich nicht einfach auf den Tisch legen, wie einen Gegenstand, mit dem Sie spielen. Ich bediene hier und ...«
»Heute nacht werden Sie diesen Mann bedienen, chérie», fiel Smiling Jack ihr ins Wort, und der Deutsche kicherte.
»Zum Teufel mit Ihnen, Sir! Ich hole Eastwood.« Da brach der Franzose in schallendes Gelächter aus. »Tun Sie das, chérie! Der wird Sie eigenhändig in die Tischmitte setzen. Diesem kaltschnäuzigen Bastard hier bin ich verpflichtet, aber Ihr Eastwood schuldet mir seine halbe Kneipe!«
Nun konnte sie sich nicht länger beherrschen. Sie packte das Glas des Franzosen und schüttete ihm den Whiskey ins Gesicht.
Mit einem wilden Wutschrei hob er eine Hand, als wollte er sie schlagen. Aber da stand McKenzie auf. »Lassen Sie das Mädchen los!« befahl er.
»Sacré bleu ...«
»Lassen Sie sie los!«
Widerstrebend gehorchte der Franzose, und Tara hätte das Weite gesucht, aber jetzt umschlossen McKenzies Finger ihren Oberarm. Sie schaute unsicher zu ihm auf. Wie groß er war – schlank, mit breiten Schultern ... Jeder Fluchtversuch wäre sinnlos. Niemals würde dieser Mann sie gehen lassen, wenn er es nicht wollte.
»Setzen Sie sich«, forderte er sie auf. In seinen dunklen Augen lag ein rätselhafter Ausdruck.
»Wie ich bereits sagte – ich stehe keinem Mann für eine Nacht zur Verfügung.«
Belustigt hob er die dunklen Brauen. »Ich sagte nicht, daß ich Sie für eine Nacht haben will.«
»Aber ...«
»Wir werden sehen. Überlassen wir die Entscheidung den Spielkarten. Dreihundert Dollar ist viel Geld – für jede Frau. Setzen Sie sich!«
»Nein ...«
»Sie sollten hoffen, daß ich Sie gewinne – und nicht der Franzose«, warnte er sie.
»Und nun bringen wir das verdammte Spiel hinter uns. Setzen Sie sich! Oder ich nehme Sie auf meinen Schoß.«
Tränen brannten in ihren Augen, und sie biß die Zähne zusammen. Da sie keine Wahl hatte, sank sie auf einen Stuhl.
Der vierte Mann am Tisch, der Junge mit dem blonden Haar und den freundlichen grünen Augen, ergriff ihre Hand. »Keine Bange, Miss, so schlimm wird’s nicht werden.«
»Keine falschen Versprechungen, Robert!« mahnte McKenzie und setzte sich wieder. »Noch habe ich das Spiel nicht gewonnen.« Dann wandte er sich an den Franzosen. »Also, es geht um das Mädchen. Hier ist mein Blatt.« Er legte seine Karten auf den Tisch, und Tara hielt den Atem an. Eine Drei, eine Vier, eine Fünf, eine Sechs – und eine Sieben.
Das sah nicht allzugut aus. O Gott, wie lächerlich! Sie wußte nicht einmal, welchen Sieger sie sich wünschte. Was würde geschehen, wenn der Franzose McKenzie schlug? Der Ire hatte wenigstens erklärt, er würde keinen Wert auf sie legen.
Fluchend warf Smiling Jack seine Karten hin, und Tara blinzelte. Drei Asse, ein König, eine Zehn.
Wer zum Teufel hatte gewonnen? In tiefem Schweigen verstrichen die Sekunden.
Endlich begann McKenzie zu sprechen. »Nun habe ich Sie schon wieder besiegt, Jack. Ich glaube, jetzt ist das Spiel endgültig vorbei.«
»Mais oui!« fauchte der Franzose. »Das Spiel ist vorbei!«
Entsetzt stieß Tara einen Warnruf hervor, als der Franzose eine Pistole zog und auf McKenzies Herz zielte.
Doch die Waffe explodierte nicht. Blitzschnell stand McKenzie auf, griff in seinen Stiefel, eine Klinge flog wie ein Silberstreif durch die Luft und bohrte sich in Jacks Hand.
Schreiend vor Schmerz verkrümmte er sich. Das Messer nagelte seine Hand auf den Tisch, krachend landete die Pistole am Boden. »Man sollte Sie einsperren, McKenzie!«
»Das würden Sie eher verdienen als ich. Immerhin wollten Sie mich kaltblütig niederschießen. Jeder Mann in diesem Raum kann das bezeugen.«
»Natürlich wollte ich Sie niederknallen! Weil Sie mich betrogen haben! Und hätte diese kleine Hure Sie nicht gewarnt ...«
»Wie können Sie es wagen ...«, begann Tara erbost, aber die Männer ignorierten sie.
»Auch dann wäre ich schneller gewesen als Sie«, entgegnete McKenzie.
»Elender Bastard!« keuchte der Franzose. McKenzie zog das Messer aus dem Tisch und der Hand seines Gegners, der vor Schmerzen aufheulte. »Nie im Leben habe ich jemanden betrogen, mon ami. Das wissen Sie. Eigentlich hätte ich Sie töten müssen. Seien Sie dankbar, daß Sie noch leben.«
»Trotz allem sind Sie der Verlierer, McKenzie. Welche Frau ist schon dreihundert Dollar wert?«
»Diese hier!« McKenzie umfaßte Taras Handgelenke und zog sie zu sich heran. Um Himmels willen, warum hatte sie dagestanden und Matdaffenfeilgehalten, statt die Gunst des Augenblicks zu nutzen und zu fliehen, solange sie nicht beachtet worden war? »Teilen Sie Eastwood mit, daß sie seine Schuld um dreihundert Dollar verringert hat – und warum sie ihn verläßt.«
Mit langen Schritten ging er zur Tür und zerrte Tara hinter sich her. Erfolglos versuchte sie, sich zu befreien. Und jeder Hilferuf wäre sinnlos gewesen.