Kaiser und Galiläer. Henrik Ibsen

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Kaiser und Galiläer - Henrik Ibsen


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später aus ihnen auf alle Art Vorteile zu ziehen! Dann aber welche Beschämung und wie nach einem Rausch welche Öde des Erwachens, wenn es sich nach kurzer Frist zeigt – hahaha! – daß jene Jünglinge kaum so viel mitbrachten, als nötig ist, um den Willkommschmaus zu zahlen! – Lernt hieraus, Ihr Jünger, wie schlecht es einem Freund der Weisheit ansteht, und wie wenig es sich lohnt, nach Gütern zu trachten, die außerhalb der Wahrheit liegen.

      Julian. O mein Libanios, wenn ich Dir mit geschlossenen Augen zuhöre, so versinke ich in einen süßen Traum, – als ob Diogenes wieder unter uns auferstanden wäre.

      Libanios. Dein Mund ist fürstlich verschwenderisch, mein Liebling!

      Julian. Keineswegs. Und doch war ich nahe daran, Deine Rede zu unterbrechen; denn diesmal wird jedenfalls einer von Deinen Mitbrüdern sich kaum getäuscht sehen.

      Libanios. Mein Freund scherzt.

      Julian. Dein Freund versichert Dir, daß zwei Söhne des Statthalters Milon an Bord sind.

      Libanios faßt ihn am Arm. Was sagst Du?

      Julian. Der Diogenesjünger, der die zur Erziehung bekommt, wird kaum nötig haben, vor Armut aus der hohlen Hand zu trinken.

      Libanios. Die Söhne des Statthalters Milon! Jenes edlen Milon, der dem Kaiser sieben persische Rosse mit perlenbesticktem Sattelzeug gesandt hat.

      Julian. Viele fanden diese Gaben für einen Milon noch zu gering.

      Libanios. Sehr wahr. Milon hätte ein Gedicht schicken müssen; oder er hätte eine wohlgesetzte Rede oder einen Brief schicken sollen. Milon ist ein reich veranlagter Mann; die ganze Sippe des Statthalters Milon ist reich veranlagt.

      Julian. Zumal die beiden Jünglinge!

      Libanios. Das will ich meinen. Die Götter mögen geben, um des wohltätigen und freigebigen Vaters willen, daß sie in gute Hände geraten! So hattest Du doch recht, Julian. Das Schiff brachte wirklich Gold aus Ephesos. Denn sind nicht Gaben des Geistes das echte Gold? Aber es läßt mir keine Ruhe – das Wohlergehen dieser jungen Leute ist in der Tat eine Sache von Wichtigkeit. – Es hängt so viel davon ab, in wessen Hände sie zuerst fallen. Meine jungen Freunde, wenn Ihr denkt wie ich, so reichen wir den beiden Fremdlingen die leitende Hand, – sind ihnen bei der Wahl des passendsten Lehrers und der Wohnung behilflich und –

      Sallust. Ich bin dabei!

      Die Schüler. Nach Piräus! Nach Piräus!

      Sallust. Wie die Eber wollen wir für Milons Söhne um uns hauen! Alle gehen mit Libanios rechts ab; nur Julian und Gregor bleiben im Säulengang zurück.

      Julian folgt ihnen mit den Augen. Sieh, wie sie davonspringen gleich einer Rotte Faune. Wie sie sich lüstern die Mundwinkel lecken nach der Mahlzeit, die es heut nacht gibt. Wendet sich zu Gregor. Sendeten sie diesen Augenblick einen Seufzer zu Gott, so geschah's wohl nur, um ihn zu bitten, er möge ihre Magen vom Frühstück leeren.

      Gregor. Julian –

      Julian. Schau' mich nur an, – ich bin nüchtern.

      Gregor. Ich weiß. Du hältst Maß in allen Dingen. Und doch lebst Du dieses Leben mit.

      Julian. Warum nicht? Wissen wir beide denn, wann der Blitz herniederfährt? Warum denn nicht einen hellen, sonnigen Tag leben? Hast Du vergessen, daß ich meine Kindheit und ersten Jünglingsjahre in einer goldenen Sklaverei hingeschleppt habe? Es war mir zur Gewohnheit geworden, ja, ich kann wohl sagen, zu einer Art Bedürfnis, jenes gewisse schreckhafte Etwas über mir zu fühlen. Und nun? Diese Grabesstille von Seiten des Kaisers; – dieses lauernde Schweigen! Ich verließ Pergamon ohne des Kaisers Einwilligung; der Kaiser schwieg dazu. Ich ging auf eigne Faust nach Nikomedia; ich lebte dort und studierte bei Nikokles und den anderen, – der Kaiser ließ es geschehen. Ich zog nach Athen, suchte Libanios auf, mit dem mir der Kaiser verboten hatte zu verkehren; – der Kaiser hat bis heutigen Tages geschwiegen! Wie soll ich mir das deuten?

      Gregor. Du sollst es in Liebe deuten, Julian!

      Julian. O, Du weißt nicht –! Ich hasse diese Macht, die über mir ist, – schrecklich, wenn sie handelt – noch schrecklicher, wenn sie ruht.

      Gregor. Sei ehrlich, Freund, und sag' mir, ob nur das Dich auf die seltsamen Wege da geführt hat.

      Julian. Auf was für seltsame Wege?

      Gregor. Ist es wahr, jenes Gerücht: Du verbringest Deine Nächte damit, die heidnischen Mysterien in Eleusis zu ergründen?

      Julian. Ach was! Ich kann Dir versichern, bei jenen rätsellüsternen Träumern ist wenig zu holen. Laß uns nicht weiter davon reden.

      Gregor. Also ist es doch wahr! Julian, wie konntest Du in diese schändliche Gesellschaft Dich begeben!

      Julian. Ich muß leben, Gregor, – und dieses Treiben hier an der Weisheitsschule, das ist kein Leben. Dieser Libanios! Ich verzeihe ihm nie, daß ich ihn so sehr geliebt habe! Wie demütig und vor Freude zitternd trat ich bei meiner Ankunft diesem Menschen entgegen, wie beugte ich mich vor ihm, wie küßte ich ihn und nannte ihn meinen großen Bruder!

      Gregor. Ja, es war die Meinung aller Christen, daß Du zu weit gingst.

      Julian. Und doch kam ich her, mit Festesstimmung im Herzen. Ich sah im Geiste einen gewaltigen Kampf zwischen uns beiden, – die Wahrheit der Welt, die mit Gottes Wahrheit ringen sollte –. Was ist daraus geworden? Libanios hat diesen Kampf ernstlich nie gewollt. Er hat überhaupt niemals irgendwelchen Kampf gewollt, – er sucht nur das Seine. Ich sage Dir, Gregor, – Libanios ist kein großer Mann.

      Gregor. Und doch nennt ihn das ganze, aufgeklärte Griechenland so.

      Julian. Und doch ist er kein großer Mann, sage ich Dir. Ein einziges Mal habe ich Libanios groß gesehen; das war in jener Nacht zu Konstantinopel. Da war er groß, weil er ein großes Unrecht erlitten hatte, und weil ein erhabener Zorn ihn erfüllte. Aber hier! O, was habe ich hier nicht alles mit angesehen! Libanios hat ein großes Wissen, – aber er ist kein großer Mann. Libanios ist habgierig; er ist eitel; er ist von Neid zerfressen. Oder glaubst Du, er konnte ertragen, daß ich so glücklich war, – gewiß großenteils durch die Nachsicht meiner Freunde – mir Ruhm zu erwerben? Kommst Du zu Libanios, so kann er Dir aller Tugenden Wesen und Kennzeichen aufzählen. Er hat sie gleich bei der Hand wie die Bücher in seinem Büchersaal. Aber übt er diese Tugenden? Ist sein Leben wie seine Lehre? Er ein Nachfahr des Sokrates und des Platon – haha! Schmeichelte er nicht dem Kaiser, bevor er verbannt wurde? Schmeichelte er nicht mir bei unserer Begegnung in Konstantinopel, dieser Begegnung, die er später auf eine höchst mißlungene Art in ein lächerliches Licht zu setzen versuchte! Und was bin ich ihm nun? Jetzt schreibt er Briefe an Gallos, an Cäsar Gallos, den Erben des Kaisers, und wünscht ihm Glück zu seinem Erfolg in Persien, obwohl dieser Erfolg bisher dürftig genug ist, und obwohl Cäsar Gallos sich weder durch Gelehrtheit noch durch sonderliche Beredsamkeit auszeichnet. – Und diesen Libanios nennen die Griechen hartnäckig den König der Weisheitsfreunde. Ah, ich will nicht leugnen, daß dies mich kränkt. Ich glaubte doch – die Wahrheit zu sagen – daß die Griechen eine bessere Wahl hätten treffen können, wenn sie ihre Blicke ein wenig mehr auf die Pfleger der Weisheit und Beredsamkeit lenkten, die in den letzten Jahren –

      Basilios von Cäsarea kommt von rechts. Briefe! Briefe aus Kappadocien!

      Gregor. Auch an mich?

      Basilios. Da – von Deiner Mutter!

      Gregor. Von meiner frommen Mutter! Er öffnet den Brief und liest.

      Julian


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