Doc Holliday. Michael Franzen

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Doc Holliday - Michael Franzen


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Sollte sich diese Tat unmittelbar nach dem Tod seiner Mutter ereignet haben, so könnte sie möglicherweise als Erklärung für diesen oben geschilderten Gewaltausbruch herhalten. Dieses dritte einschneidende Ereignis fand dann auch am 16. September 1866 statt, dem Tag, an dem John Henrys Mutter an der damals tödlichen Krankheit der Tuberkulose verstarb und da sich beide sehr nahe gestanden hatten, lässt sich nur vage erahnen, was ihr Tod in ihm ausgelöst haben mag. Der öffentliche Nachruf stammt von Reverend N.B. Ousley, der bemerkte:

      „Mrs. A. J. Holliday, die Tochter vom alten William L. McKey aus Griffin und Frau von H.B. Holliday, vormals wohnhaft in Griffin, starb in Valdosta am 16. September 1866. Sie war bereits mehrere Jahre lang ans Bett gefesselt und litt unter ihrer Krankheit. Sie ertrug ihr Leiden mit christlicher Stärke (…) Sie war sehr besorgt um das Wohlergehen all jener, die sie liebte (…) Sie war eine Zeitlang Mitglied in der Presbyterianischen Kirche (…) Ich besuchte sie wenige Tage vor ihrem Tod. Sie war ruhig, heiter und fröhlich. Sie sagte mir, sie sei im Reinen mit ihrem Gott und so ist sie von uns gegangen (…)“

      Bereits drei Monate später, am 18. Dezember 1866, heiratete Major Holliday seine zweite Frau Rachel Martin (1843-1921) und gemeinsam zog die Familie von Bemiss nach Valdosta, wo Major Holliday neben seinen bereits an vorangegangener Stelle erwähnten Tätigkeiten, zum Bürgermeister gewählt wurde. Gemäß seines Familienstandes musste sich John Henry einen Beruf erwählen und er entschied sich für die Zahnheilkunde. 1870 schrieb er sich an dem Pennsylvania College of Dental Surgery in Philadelphia ein, um Zahnmedizin zu studieren und an seiner ersten Vorlesung teilzunehmen. Jede Vorlesung dauerte etwas mehr als drei Monate und während dieser Zeit schrieb er seine Dissertation über „Die Krankheit der Zähne.“ Die zweijährige praktische Ausbildung absolvierte er bei einem Dr. L. F. Frank. Am 01. März 1872 war es dann soweit und neben 26 weiteren Anwärtern, wurde Mr. Holliday der Titel eines Doctor of Dental Surgery verliehen. Damit wurde Doc Holliday einer der wenigen Männer im Wilden Westen, der seinen Beinamen „Doc“ zu Recht tragen durfte. Einige Historiker und Romanschreiber vertreten die Auffassung, dass Holliday seinen Doktortitel in Baltimore verliehen bekommen hatte, da sich dort die bekannteste zahnärztliche Hochschule von Maryland befand, doch das ist ebenfalls nicht richtig - Punktum 2!

      Als stolzer Doktor nach Georgia zurückgekehrt, wurde Holliday Partner von Dr. Arthur C. Ford in Atlanta und begann dort zu praktizieren. Die „Atlanta Constitution“ vom 26. Juli 1872 liefert dazu den folgenden Artikel:

      „Ich informiere hiermit meine Patienten, dass ich an der Sitzung der Southern Dental Association in Richmond, Virginia teilnehmen muss und werde bis ungefähr Mitte August abwesend sein. Während dieser Zeit wird Dr. John H. Holliday meinen Platz in meinem Büro ausfüllen. Büro: 26 Whitehall-Street - Arthur C. Ford, DDA.“

      John Henry Holliday erfüllte diese Aufgabe, so schien es, zur vollsten Zufriedenheit, denn er war ein guter Zahnarzt gewesen. Entgegen der häufig verbreiteten Legende, hatte sich John Henry Holliday während dieser Zeit nicht als Zahnarzt bei einem seiner Patienten mit der Tuberkulose infiziert, sondern war wahrscheinlich bereits von seiner Mutter mit der Lungenkrankheit angesteckt worden. Obwohl er eine Anzahl von Ärzten konsultierte, waren deren Meinungen im Konsens gleich und die besagten, dass er nur noch einige wenige Monate zu leben gehabt hatte, vielleicht auch noch ein paar Monate länger, wenn er in ein wärmeres und trockenes Klima zog. Mit dieser unheilvollen Diagnose im Gepäck fuhr Doc zunächst zu einem kurzen Besuch nach Jonesboro, um sich dort sehr wahrscheinlich von Mattie und den anderen Verwandten zu verabschieden. Danach fuhr er zurück nach Valdosta, um seinen Eltern und Tanten Lebewohl zu sagen, bevor er einen Zug bestieg, der ihn Ende 1872 oder Anfang 1873 fort von Georgia in den Südwesten der USA brachte.

      Aufbruch in den Westen

      Mit der unheilvollen Diagnose Schwindsucht neben seinen anderen Habseligkeiten im Gepäck, wusste John Henry Holliday dass diese Krankheit einem Todesurteil gleichkam, welches zu jener Zeit in der Regel binnen kürzester Zeit vollstreckt wurde. Erst 1882 sollte der Deutsche Heinrich Hermann Robert Koch (1843-1910) das Tuberkulose-Bakterium entdecken, sodass die Krankheit später geheilt werden konnte - zu spät für Doc.

      Viele Wege führen nach Rom, heißt ein altes Sprichwort, doch zu jener Zeit nicht sehr viele nach Dallas, Texas, ist man an dieser Stelle geneigt hinzuzufügen. Man weiß, dass Doc Holliday mit dem Zug nach Dallas fuhr, doch wann genau er seine Fahrkarte ohne Rückschein am Schalter kaufte, weiß man nicht. Dasselbe galt auch für den Ausgangspunkt seiner Reise in den Westen, denn darüber gibt es ebenfalls unterschiedliche Berichte. Tatsächlich besaß Valdosta bereits 1860 eine Eisenbahnlinie, nämlich die der Atlantic & Gulf Railroad, die ursprünglich bis zum Golf von Mexiko gebaut werden sollte. Der erste Spatenstich erfolgte dabei am 02. Januar 1859 am Little Satilla, in der Nähe von Screven, Georgia und wurde über Valdosta (1860) nach Thomasville (1861) vorangetrieben, bis der Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkrieges den Weiterbau verzögerte. Im Dezember 1867 erreichte die Strecke Bainbridge, Georgia und das nächste Ziel hieß Pollard in Alabama. Dann jedoch kam es zu finanziellen Schwierigkeiten, sodass der Bau der Eisenbahn erst ins Stocken und schließlich ganz zum Erliegen kam. Im Jahre 1877 musste das ganze Unternehmen schließlich Konkurs anmelden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Doc Holliday von Valdosta aus in den Westen reiste, ist also eher unwahrscheinlich, da seine Fahrt spätestens in Bainbridge geendet hätte. Es ist eher wahrscheinlich, dass er einen Zug in Atlanta bestiegen hatte, der ihn dann über Mobile, Jackson, Vicksburg, Little Rock, Texakana, Marshall und Longview nach Dallas brachte und das am oder nach dem 01. Juli 1873, dem Tag, wo die Strecke zwischen Longview und Dallas erstmals in Betrieb genommen wurde. Doc hatte vier Staaten (Georgia, Alabama, Mississippi und Arkansas) durchquert, um in einem fünften Staat, nämlich Texas, eine neue Perspektive zu finden, so sie denn bedingt durch seine Krankheit überhaupt möglich gewesen war.

      Dallas ist heute, nach Houston und San Antonio, die drittgrößte Stadt von Texas und den meisten von uns durch die Fernsehserie gleichen Namens sowie dem Attentat auf den US-Präsidenten John Fitzgerald Kennedy am 22. November 1863 bekannt. Daneben gilt sie heute als „heimliche Hauptstadt“ von Texas und als ein wichtiger Anlaufpunkt für Wirtschaft und Kultur in der Region. Die Stadt wurde 1841 im Nordosten von Texas östlich von Fort Worth gegründet und man mutmaßt, dass sich der Name der Stadt sowie der des gleichnamigen Countys von dem damaligen 11. US-Vizepräsidenten George Miflin Dallas (1792-1864) ableitete. 1856 erhielt Dallas das Stadtrecht und bedingt durch zwei Bahnlinien, die den Ort von Norden nach Süden und dann vom Osten her (1873) durchkreuzten, sollte sich Dallas in den nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten zum Kommerzzentrum und zu einer glitzernden Metropole des Staates entwickeln. Als Doc Holliday irgendwann Mitte 1873 oder danach aus dem Zug stieg und seine ersten Fußabdrücke auf dem staubigen Boden von Dallas zurückließ, war der Ort eine jener typischen Kistenholzstädte gewesen, wie man sie üblicherweise von den zahlreichen Hollywood-Wildwestfilmen her kannte und die den Bürgern und Neuankömmlingen jegliche Art von Zerstreuung und geschäftlichen Aktivitäten bot. Saloons, Amüsierviertel und Läden gab es zuhauf und viele von ihnen befanden sich an der Elm Street, jener Straße die John F. Kennedy am 22. November 1963 zusammen mit seiner Frau Jackie, Gouverneur John Connally, dessen Frau Nellie, dem Fahrer William Greer und einem weiteren Leibwächter in einer Lincoln-Limousine befuhr, bevor er von dem mutmaßlichen Einzeltäter Lee Harvey Oswald (1939-1963) mit zwei Gewehrschüssen getötet wurde, die dieser aus dem fünften (nach amerikanischer Zählart sechsten) Stockwerk des Texas School Book Depository heraus auf den Präsidenten abgefeuert hatte.

      Durch seinen Doktortitel fand Holliday rasch Arbeit und wurde im September 1873 Juniorpartner von Dr. John A. Seeger, der in der 56 Elm Street eine Zahnarztpraxis betrieb. Er war kompetent und einige seiner von ihm hergestellten Zahnprothesen, die er für die zahnmedizinische Schule vorbereitet hatte, wurden 1873 auf der Dallas County Fair vorgestellt. Er erhielt drei Auszeichnungen, einen Teller sowie 15 Dollar in bar. Doch das Praktizieren wurde mit jedem Hustenanfall, die seine Tuberkulose auslöste, immer schwieriger und sie kamen in der Regel immer dann, wenn er seine Patienten behandelte, die natürlich mit der Zeit mitbekamen, dass mit dem hustenden Zahnarzt etwas nicht stimmte


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