Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein

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Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen - Ludwig Bechstein


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gleichermaßen, da sprach der Vater: Dir gebe ich

       Lothringen und Burgund, und das ganze Deutsche

       Reich soll dein sein, wenn ich sterbe. Da kam Karl

       nun auch und sprach: Sieh, Vater, ich tue meinen

       Mund auch auf, gebt mir auch einen Apfelschnitz.

       Aber der König antwortete ihm: Mein Sohn, du bist

       zu spät gekommen. Ich gebe dir weder Apfelschnitz,

       noch Land, noch Leute. Darnach ist in diesen Landen

       ein Sprüchwort aufgekommen: Karle, du hast zu spät

       aufgeginnet.

       120. Dom zu Aachen

       Da der Dom zu Aachen erbauet ward, hehr und prächtig,

       drohte es zu gehen wie beim Dombau zu Köln; es

       gebrach an Geld, der Bau konnte nicht fortgeführt

       werden, und unvollendet stand das herrliche Münster.

       Da erschien vor dem hohen Rat ein reicher Fremder,

       der sagte, er habe wohl Geldes die Fülle, wolle das

       auch geben zu dem Dombau, damit er vollendet

       werde, aber ein hoher Rat müsse ihm auch etwas versprechen.

       Als nun der Rat den Fremden fragte, was es

       denn sei, das er begehre, da antwortete jener: Nicht

       viel, nur die Seele des Ersten, der nach der Vollendung

       den Dom betreten wird, verlange ich zu eigen.

       Muß damals eine fromme Menschheit gelebt haben,

       daß sich's einer so viel kosten ließ, um einer Seele

       habhaft zu werden, hat sie später schockweise billiger

       haben können – der Rat aber merkte nun, daß der

       Fremde der Teufel sei – schauderte, zauderte, bedachte

       sich lange, sagte aber doch zu, unter dem Beding,

       daß der Pakt geheimgehalten werde. Und ward nun

       mit besonderer Kunst und Hülfe das Münster schnell

       und herrlich ausgebaut, ward aber auch das Geheimnis

       ruchtbar unter den Leuten, und wollte niemand in

       den Dom gehen, weder Pfaffen noch Laien. Der Teufel

       lauerte Tag auf Tag auf die erste arme Seele, und

       ward ihm schier Zeit und Weile lang, es kam niemand,

       und da bedräute er den hohen Rat, daß er bald

       genug einen aus seiner Mitte holen werde, wenn er

       nicht bald einen ersten Kirchengänger schaffe. Da

       ward dem Rat bange, sann auf eine List, ließ im Gebirg

       einen Wolf fangen, diesen an das Haupttor des

       Domes bringen, ließ die Glocken lauten, wie zum

       hohen Feste, und stieß, nachdem das Portal geöffnet

       war, den Wolf ins Gotteshaus, wo der Teufel schon so

       lange lauerte, da es noch nicht geweiht war. Alsbald

       fuhr der Teufel zu und packte mit einem Griff den

       armen Wolf, daß ihm alsbald die Seele aus dem Halse

       fuhr. Wie aber der Teufel sah, daß er nur eine

       schlechte Wolfsseele erlangt hatte, fuhr er mit Gebrüll

       aus dem Tempel und schlug die eherne Türpforte so

       heftiglich zu, daß sie borst und sich spaltete, und ist

       der Spalt noch heute zu sehen. Der Rat aber war froh,

       daß er des Teufels ledig war, und ließ den Wolf und

       dessen arme Seele in Erz gießen und im Dome befestigen.

       Die Seele hält das Mittel zwischen einer Artischocke

       und einem Tannenzapfen.

       Andere erzählen diese Sage anders, und zwar also.

       Der Rat zu Aachen hatte just, als der Teufel seine Bedingung

       machte, eine arme Sünderin in seinem Gewahrsam,

       die schon zum Tode verurteilt war, und

       deren Seele verloren gegeben wurde. Diese Verurteilte

       nun ward in die Kirche hineingestoßen und ihre Seele

       vom Teufel in Empfang genommen, der aber deshalb

       aus Ärger die Tür zuwarf, daß sie borst, weil des

       Weibes Seele ohnehin schon sein gewesen wäre. Hernachmals

       goß man das eherne Bild und stellte den

       Teufel selbst in Gestalt eines unreinen Tieres, des

       Wolfes, dar, welcher bemüht ist, die Seele in Form

       eines Tannenzapfens in seinen Rachen hinabzuschlingen.

       121. Der Teufel im Ponellenturm

       Zu Aachen in der Stadtmauer steht ein starker Turm,

       heißt der Ponellenturm, dahinein haben sie einen Teufel

       gebannt, daß er nimmermehr wieder heraus kann,

       darin höret man ihn öfters wild rumoren, plärren, an

       die Glocke schlagen, auch äfft er sonderlich die Vorübergehenden,

       aber heraus kann er nicht, der gebannte

       Teufel, ehe denn der Jüngste Tag kommt. Daraus ist

       ein Sprüchwort im Volke von einem Ding der Unmöglichkeit,

       oder wenn einer eine Sache, die ein anderer

       als nahe in Aussicht stellt, bezweifeln will, so

       sagt er: Ja, das wird kommen, wenn der Teufel von

       Aachen kommt – das ist so viel als nimmermehr.

       122. Vom Loosberg über Aachen

       Als der Teufel mit der Wolfsseele arg betrogen worden

       war, ergrimmte er heftiglich über die Stadt Aachen

       und fuhr auf Sturmwindsflügeln bis zum Meeresstrande

       im Niederland, sah da die weißen Dünen

       im fahlen Lichte schimmern und brütete einen Rachegedanken

       aus. Mit einer ganzen breiten Düne belud er

       sich, die hing ihm über die Schultern, wie einem

       Bauer der Querchsack, und nun ging es mit Teufelsgewalt

       auf Aachen los; schon war er über die Maas

       und gelangte an das Soerstal, da erhob sich ein starker

       Wirbelwind, der schmiß ihm aus der Düne vielen

       Sand in die Augen, und da hätte der Teufel sich fast

       verirrt. Da begegnete ihm ein altes Weib, das kam des

       Wegs von Aachen her, und der Teufel fragte es: Wie

       weit ist's noch bis Aachen? – Die Alte sah ihren

       Mann an, erkannte ihn am Pferdefuß, zeigte ihm ihren

       Schuh und sagte: Schauet, Herr! Die Schuhe zog ich

       zu Aachen neu an, und jetzt sind sie zerschlissen – so

       weit habt Ihr noch. Darob ergrimmte der Teufel, denn

       er war müd und matt und hatte die Schlepperei und

       den Sand in den Augen satt, und rief: Ins Teufels

       Namen, liege hier, Lausesand! – Und warf die ganze

       Düne hin, daß es krachte und stäubte, und hub sich

      


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