Predigten durch ein Jahr. Martin Luther

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Predigten durch ein Jahr - Martin Luther


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den Heiden bekommen: sondern auch Feinden, wie ihr seht, daß euer Vater die Sonne jedermann leuchten läßt, auch den Mördern, Dieben, Ehebrechern, bösen Buben, Bürgern und Bauern, die es wohl wert wären, daß sie mit den Augen die liebe Sonne nicht sehen sollten. Er tut es aber nicht, er will seine Gnade nicht um der Leute Bosheit willen nicht versiegen lassen.

      Also, spricht er, tut ihr auch, laßt euch nicht erzürnen, zieht die Hand nicht zurück, wie die Welt pflegt, und sagt: Ja, es ist alles verloren, was man den Menschen tut. Das ist falsch geredet. Freunden dienen, ist nichts besonderes, denn die Heiden selbst sind so lange freundlich und hilfreich, solange sie wieder auf eine Hilfe hoffen und spüren. Wenn aber die Hilfe nicht kommt, so versiegt auch die Wohltat. Da sieht man es dann öffentlich, daß es nicht ein Quell oder ein lebendiger Brunnen der Liebe, sondern nur Wasser in den Sand getragen und eine heidnische Hilfe. Ihr Christen müßt schon mehr tun, und unverdrossen sein zu helfen, auch euren Feinden, obwohl ihr Undank verdient, und denken: Wollen sie undankbar sein, nun gut, da ist Gott, der hat noch so viel Teufel, so viel böser Buben auf Erden, so viel Wasser, Feuer, Pest und andere Plagen, damit er strafen kann; der wird das rechte Maß dazu finden. Weil ich nun weiß, daß es nicht ungestraft bleiben kann, so will ich ein süßes, mitleidiges Herz, daß zu raten und zu helfen bereit ist, behalten. Dieses heißt dann ein christliches Herz und christliche Liebe, welche die Heiden nicht haben, denn sie helfen nur dann, wenn sie dadurch Dank und wieder eine Hilfe erwarten. Die Christen aber sollen ein solches Herz und Liebe haben, die, wie eine lebendige Quelle, nicht auszuschöpfen ist, noch versiege, obwohl sich die Wohltat, wie das Wasser in den Sand verliert und umsonst ist. Nun geht unser Heiland weiter, und teilt solche Barmherzigkeit in einige Stücke, und spricht: Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.

      Der Herr wollte gern, daß wir rechtschaffene Christen würden, die nicht mit Worten den Glauben und das Evangelium rühmen; wie die Leute jetzt tun, die evangelisch sein wollen und viel von Christus sagen und wissen, aber wenn man es recht besieht, ist nichts dahinter. Täuscht also der meiste Teil, auch die, welche das Evangelium haben und hören, sich selbst und fahren zum Teufel mit ihrem falschen Glauben. Solchen Unrat wollte Christus gern wehren; stellt uns deswegen nicht ein fremd, unbekannt, sondern seines Vaters und unser eigenes Exempel vor, daß wir selbst erfahren haben, daß er so mit uns gehandelt hat, und sagt: wir sollen mit anderen Leuten auch so tun.

      Denn wir sind ja alle im Gericht Gottes und in der Verdammnis gewesen, unserer Sünde wegen. Was hat nun unser Vater im Himmel getan? Ist es nicht wahr, er hat dich weder richten noch verdammen wollen, sondern dir deine Sünden vergeben, und die Hölle und Verdammnis hinweg getan, und dich zu Gnaden angenommen? Solch ein Beispiel hast du an dir unter deiner eigenen Person; dem folge und tue gegen andere auch so: so bist du denn ein rechter Christ, der du ein Christ und glaubst, deinen Nächsten nicht richtest noch verdammst, sondern ihm gern vergibst, was er gegen dich getan hat.

      So du es aber nicht tun willst, sondern mit dem Schalksknecht, Matthäus 18, dort Gnade empfangen und hier einen anderen dieselbe nicht auch beweisen; so sollst du wissen, daß du kein Christ bist, und das dich Gott wiederum aus der Barmherzigkeit in das Gericht und in die Verdammnis werfe, und dir alle Güter, die er dir gegeben, berauben, und alle Schuld, die er dir erlassen, dir wieder auf den Hals legen will: das sollst du gewiß haben; denn dann steht es: «Richtet nicht, daß ihr nicht gerichtet werdet,» das ist, wollt ihr nicht aufhören zu richten, so wird euch Gott auch richten.

      Nun sieht man aber, wie man es so über die Maßen schwer lassen kann; sobald jemand uns im geringsten beleidigt, da geht schnell das Gericht her: Was soll ich diesem Schalk noch mehr tun? Ich habe ihm dies und das getan, das ist der Dank, also bezahlt er mich. Das heißt eine unbarmherzige Barmherzigkeit und eine schlechte Hilfe, daß man sobald richten will, wenn der Dank nicht folgt. Die richtige Frömmigkeit ist mitleidig, aber die heuchlerische Frömmigkeit ist eine zweifache Unbarmherzigkeit. Das erfährt man dabei, wenn mir einer einen Gulden schenkt, wollte er mich gern damit kaufen und mich zu seinem eigen machen. Darum, sobald ich nun etwas rede oder tue, daß ihm nicht gefällt, oder in einem Fall nicht dienlich ist, bald drängt er mich die Hand zu drücken: Siehe, daß und das habe ich dir gegeben, warum willst du mir den nicht auch diese Freundschaft tun? Das heißt dienen, daß man dir wieder diene, wie die Heiden tun, und richten.

      Aber es soll so sein: Tust du jemand etwas Gutes, und er erkennt es nicht, oder tut dir etwas Böses dafür, dann kannst du ihn wohl warnen, er soll es nicht tun, er würde sich sonst gegen Gott versündigen. Aber das du ihm darum feind werden, und ihn urteilen oder richten und in seiner Not nicht wieder helfen in wolltest, da hüte dich vor. Befiehl ihn seinem Richter; denn du weißt nicht, was Gott mit ihm machen will, ob er sich werde bekehren oder nicht. Bekehrt er sich nicht, so hat Gott, wie zuvor gesagt, so viel Teufel, Henker und sonst böse Buben, daß er ihn zu seiner Zeit wohl strafen kann. Wie man sieht, daß jetzt da, jetzt dort unversehens ein Unglück sich zuträgt. Darum hüte dich, daß du nicht richtest, sondern denken: Hätte Gott mit mir auch nach der Strenge, die ich ja auch verdient hätte, es mit mir gemacht, so hätte ich vor 10,20,30 Jahren in meinen Sünden sterben müssen, da ich in aller schändlicher Abgötterei und Heuchelei gelebt habe.

      Also hüte dich vor dem verdammen, denn es gehört nicht zu dir. Strafen, unterweisen, vermahnen, kannst du es denen, die richten sollen und verdammen. Dir aber gebührt anderes nicht zu tun, denn das du barmherzig bist, nicht richtest, nicht verdammst, sondern vergibst. Und wenngleich dein Nächster nichts aufhören will, gegen dich zu sündigen, dennoch soll dein Herz geneigt sein ihm zu vergeben, ihn weder hindern, noch sollst du begehren dich zu rächen, sondern wo du kannst, sein Bestes fördern.

      Dieses alles aber tut weh, und ist schwer zu tun. Aber da bedenke, daß du ein Christ bist, und mußt dich, so du ein Christ bleiben willst, die Sache ernster angehen als die Unchristen. Wie das Beispiel unseres Vaters in Himmel uns vorleuchtet. Denn wenn du deinem Nächsten Gutes tust, und er dir es nicht danken, ja, dagegen Schaden zufügen will, da darfst du nicht zweifeln, Gott wird ihn wohl finden; dem laß die Rache, und tue du, was dir befohlen ist.

      Man liest eine Geschichte, wie ein ungezogener ungeratener Sohn seinen Vater bei den Haaren genommen und ihn bis an die Türschwelle geschleift hat, da hat der Vater angefangen zu schreien: Hör auf, hör auf, mein Sohn, denn bis hierher habe ich meinen Vater auch an den Haaren gezogen; wie ich es bei ihm getan habe, so tust du es jetzt wieder bei mir. Dieses ist das Urteil unseres Gottes, dieser weiß wohl Rat dazu, wie er Untugend, besonders aber den Undank strafe. Darum sollen wir ihm es befehlen, und tun, was uns hier befohlen ist, daß wir nicht strafen, sondern barmherzig sind. Gott wird mit der Strafe nicht ausbleiben, wie der Herr hier weiter meldete: Gebet, so wird euch wieder gegeben. Ein voll, gedrückt, gerüttelt, und überflüssig Maß wird man in euren Schoß geben. Denn eben mit dem Maß, da ihr messet, wird man euch wieder messen.

      Es hat doch der Herr alles fein zusammengefaßt, will gern, daß wir feine, fromme Christen würden, und uns immer rechtschaffen hielten. Darum, eben wie er befohlen, man soll mit den armen Sündern gnädig umgehen, wie Gott mit uns umgeht, sie nicht richten, noch verdammen, sondern Gericht und Urteil Gott befehlen und für Sie bitten: also befiehlt er hier weiter, daß man in anderen Nöten ihnen auch behilflich sein soll mit Geben und Raten; und soll dann gewiß hoffen, so viel und reichlich kann man nicht geben, denn Gott will immer mehr und reichlicher geben. Das also unser Herz immer eine Quelle in Liebe, und von Dornen sich nicht stechen lasse, damit es nicht versiege. Wie die Heiden tun: die können des Richtens und Verdammens nicht lassen; sobald man etwas tut, daß ihnen nicht gefällt, wollen sie es nicht eher vergeben, denn daß man ihnen zu Fuße fällt und sie anbete. Also, wo sie es nicht wissen wieder zu genießen, da geben sie nichts hin. Darum bleibt das schwere Urteil über sie, daß sie Gott wieder richten, verdammen, und ihnen auch nicht vergeben will.

      Vor solcher Unart sollen wir uns hüten, und unserem Nächsten tun, wie uns unser lieber Gott im Himmel getan hat. Dieser hebt das Urteil auf und will vergeben; er will weder rächen noch verdammen, ganz gleich, daß wir so undankbar sind und seine Wohltat und seine Hände nicht annehmen wollen. Dieses sollen wir auch lernen. Wo nicht, so werden wir das Urteil bekommen, daß er sagt: «Mit was Maß ihr messet, wird euch wieder gemessen werden.»

      Nun müßten wir aber ja erkennen, daß uns unser Gott sehe reichlich gegeben


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