Der Kaiser von Elba. Ole R. Börgdahl

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Der Kaiser von Elba - Ole R. Börgdahl


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und so wurde es aufgespießt und gleich darauf das Feuer angefacht.

      Eine halbe Stunde später durchzog ein herrlicher Duft den Hof und nicht nur mir lief das Wasser im Munde zusammen. Die Vorbereitungen zum Fest gingen weiter und da das Mobiliar aus der Unterkunft nicht reichte, wurden noch zwei Wagenladungen mit Tischen und Bänken hinein in den Hof gefahren. Dann kamen weitere Speisen, Brot, gekochte Kartoffeln, sogar mehrere Töpfe Reis, je zwei Säcke Rote Bete und Kartoffeln und reichlich anderes Gemüse wie Zwiebeln, Weißkohl, Karotten und Tomaten. Auf einer zweiten Feuerstelle wurde ein Wasserkessel angeheizt und ich ließ mir die Zubereitung von Borschtsch erklären, bei dem Schmand oder saure Sahne nicht fehlen durfte.

      Ich merkte nicht, wie die Zeit verging. Es dämmerte bereits, als einige von Michas Kameraden zu ihren Instrumenten griffen. Trommeln, Gitarren und vor allem Fiedeln. Die ersten Lieder wurden angestimmt, als vom bereits geschlossenen Tor ein Raunen zu mir drang. Die weiblichen Gäste waren eingetroffen. Die Musik spielte kurz lauter auf, die Männer gruppierten sich auf der einen Seite des Hofs, die etwa dreißig bis vierzig Damen auf der anderen Seite. Jemand sprach eine Begrüßung aus, dann Jubel und Lachen und die Gruppen vermischten sich. Die Damen wurden an die Tische geführt, es wurden ihnen Teller gereicht, aufgetragen und das Essen begann, begleitet von Musik.

      Micha und ich schauten uns noch um. Es waren überwiegend junge Frauen gekommen, nicht zu leger aber auch nicht zu zugeknöpft gekleidet. Es waren durchaus recht hübsche Damen darunter und zwei von ihnen entdeckten Micha und mich. Sie lächelten uns an, fanden durch die Menge den Weg zu uns und blieben zögerlich vor uns stehen.

      »Die wollen tanzen«, sagte Micha zu mir und schon hatte er die hübschere von beiden an den Händen gepackt und führte sie in Richtung Musik.

      Ich zögerte noch, was mein Fehler war, denn ein schlanker Kavallerist kam mir zuvor. Er grinste mich an, machte eine entschuldigende Geste und war schon mit der Dame verschwunden. Ich grollte ihm nicht, denn, wenn ich gewollt hätte, wäre später auch ein Tanz für mich dabei gewesen. Die Tanzpaare wechselten häufig, bis die Musik eine Pause machte. Der Ochse verlor immer mehr an Gewicht und ich labte mich ebenfalls kräftig an dem gut gerösteten Fleisch. Der Borschtsch schmeckte mir anfangs nicht so gut, was sich änderte, nachdem ich von Bier auf einen russischen Kartoffelschnaps umgestiegen war, den mir Micha immer reichlich nachschenkte.

      Zum Glück konnte ich ihn noch rechtzeitig aufhalten, mich vollends betrunken zu machen. Ich genoss das Fest, die ausgelassene Freude der Soldaten, das gute und reichliche Essen. Und zu später Stunde hatten sich immer mehr Pärchen gebildet, die sich dezent zurückzogen. Mehr will ich darüber nicht berichten, nur das sich Micha und ich und eine kleine Gruppe der Übriggebliebenen bei Klampenmusik Geschichten erzählten. Es ging natürlich um den Krieg, um die Verteidigung der russischen Heimat. Ich erfuhr mehr über die Schlachten und über den Triumph, den der Zar letztendlich über den großen Napoléon errungen hatte. Ich selbst erzählte von meiner Gefangenschaft in Erfurt und von meiner Flucht. Die Kameraden stießen daraufhin immer wieder mit mir an, allerdings mit Bierhumpen und nicht mit dem teuflischen Schnaps.

      Mit der Zeit ebbte das Fest ab. Gegen Mitternacht zogen sich immer mehr von Michas Kameraden zurück. Und auch mir wurde eine Lagerstatt im Haus angeboten, doch ich erklärte, ins schwedische Hauptquartier zurückkehren zu müssen. Micha wollte mich unbedingt begleiten und schon schloss sich ein Dutzend der noch verbliebenen Männer an. Wir hatten zwar kräftig getrunken, aber waren während der Erzählungen unserer Kriegserlebnisse wieder weitgehend nüchtern geworden. Unser kleiner Tross marschierte durch die Pariser Gassen und Straßen und ich kann behaupten, dass wir nicht allzu laut waren, was dennoch nicht angemessen für die späte oder vielmehr frühe Stunde schien.

      Erst als wir in die Nähe einer noch geöffneten Kneipe kamen, wurden unsere Stimmen übertönt. Eine Gruppe Männer stand vor dem Etablissement, trinkend, rauchend und diskutierend. Es wurde Französisch gesprochen. Die Männer in meiner Gruppe verstummten daraufhin sofort. Wir hielten uns auf der gegenüberliegenden Straßenseite dicht an der Häuserfront, begannen regelrecht zu schleichen, wurden aber entdeckt.

      Ein erster Ruf hallte über die Straße. »Vive l'empereur Alexandre, vive l'empereur de Russie!«

      Die Männer jubelten tatsächlich, aber wir trauten dem Frieden noch nicht. Der Jubelschrei wurde wiederholt und dann bekannte sich die Gruppe zu ihrer eigenen Gesinnung.

      »Vive le comte de provence!«

      Was ich da hörte war eine Keimzelle des Weißen Terrors, wie er in den kommenden Jahren immer wieder gegenüber den Bonapartisten aufflammte. Der Weiße Terror sollte die Rache der Königstreuen vor allem gegen die Befürworter und Anhänger Napoléons sein. Der Comte de Provence war kein anderer als der künftige französische König, der aus dem Hause Bourbon stammte.

      Överste Kungsholm hatte mir von den Überlegungen berichtet, die im Lager der Koalition diskutiert wurden. Die Österreicher wären Napoléons Vorschlag der Abdankung noch am ehesten gefolgt, in dem sie den Sohn aus beiden Geschlechtern auf dem französischen Thron sahen. Zar Alexander hatte sogar unseren Kronprinzen genannt, der geboren als Jean-Baptiste Bernadotte in den frühen Jahren des französischen Kaiserreichs ein Weggefährte Napoléons war. Alexander hatte oft aber nicht nur eine Meinung und so war auch beim ihm das Geschlecht der Bourbonen auf der Liste. Dies hatte er gemeinsam mit den Briten erdacht, die in der siegreichen Koalition aber nur eine Nebenrolle spielten. Die Verdienste der Briten wurden jedoch immer größer, da ihre Erfolge in Spanien und Portugal mehr und mehr ins Bewusstsein rückten.

      Der letzte französische König, der unglückliche Ludwig XVI., hatte zwei Brüder, die für eine Restauration der Bourbonen Herrschaft in Frankreich als Anwärter bereitstanden. Louis Stanislas Xavier, eben jener Comte de provence, wurde von den Briten auf dem Thron gesehen, während Alexander den etwas jüngeren, aber vitaleren Charles-Philippe favorisierte. Und genau in jenen frühen Tagen des April 1814 schlug die Waage in Richtung des Comte de provence aus, dem späteren Ludwig XVIII. Diese Zusammenhänge wurden mir allerdings erst einige Wochen später bewusst, und ließen mich das, was in jener Nacht passierte im Nachhinein einordnen.

      Die Rufe der Royalisten von der anderen Straßenseite wurden noch zwei-, dreimal wiederholt. Es waren auch einige Männer zu uns herübergekommen und klopften uns nun auf die Schulter oder reichten uns ihre Getränke. Micha und seine Kameraden hielten sich zurück und bewegten sich langsam weiter. Es kamen aber noch ein paar der Royalisten dazu. Sie versperrten den Weg, wollten uns nicht gehenlassen. Der Rückweg war ebenfalls versperrt. Ich stand in der Mitte unserer Gruppe und trat schließlich hervor. Ich sprach den offensichtlichen Wortführer auf Französisch an und erntete zunächst wieder Jubelgeschrei. Er klopfte mir ebenfalls auf die Schulter, lobte meine gute Aussprache, wobei er selbst schon etwas in der Stimme lallte.

      Micha stieß mich an, der Wortführer redete weiter auf mich ein, wollte, dass ich aus seinem Glas trank. Micha stieß mich erneut an und drängte mich, in die Richtung zu schauen, aus der wir gekommen waren. In der Gassenflucht waren Schatten zu sehen. Gestalten rotteten sich dort zusammen. Sie hielten Stäbe in den Händen und ich sah auch das Aufblitzen eines langen Messers oder Degens. Dann war ein Klacken zu hören, Zündsteine wurden aufeinandergeschlagen, sofort sprühten die Funken und Fackeln wurden angezündet. Einen Moment auf den anderen war die Szene in der Gasse hell erleuchtet. Wir sahen, dass sich dort weit mehr Männer zusammengefunden hatte, als zunächst zu erkennen war.

      Der Angriffsschrei kam erst nur aus einer Kehle, wurde dann aber von der ganzen Meute aufgenommen. Die Männer begannen zu rennen. Micha und ich schoben unsere Kameraden jetzt mit Gewalt gegen die wenigen Royalisten, die uns noch immer sanft den Weg versperrten. Das aufbrausende Geschrei hatte aber auch sie aus ihrer Fröhlichkeit gerissen. Die Meute stürmte in die Straße, dann sahen wir, dass die Kneipe ihr Ziel war.

      Die dort feiernden Royalisten waren aber nur für den Moment überrascht. Sie erkannten die Gefahr, einige zogen sich ins Haus zurück, kamen aber sofort wieder heraus. Sie hatten sich ebenfalls mit Knüppeln bewaffnet, die sie an ihre Kameraden weiterreichten. Und ich war mir sicher, auch Pistolen in den Händen der Männer gesehen zu haben. Es fiel allerdings kein Schuss, als die Gruppen aufeinandertrafen. Die Angreifer waren eindeutig in der Überzahl und so bildete sich in der Straße regelrecht


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