Co. Aytch - Erinnerungen eines Konföderierten an den Bürgerkrieg. Sam Watkins
Читать онлайн книгу.war und wir jetzt eine große Schlacht geschlagen hatten, die die Organisation einer Armee immer durcheinander wirft, wen wundert es da, dass einige Männer um der Disziplin willen erschossen werden mussten? Und wen wundert es, dass General Braggs Name zum Schrecken der Deserteure und Tunichtgute wurde? Männer wurden reihenweise füsiliert und da war es kein Wunder mehr, dass die Armee reorganisiert werden musste. Viele Soldaten hatten sich nur für zwölf Monate verpflichtet und sie hatten ihre Pflicht als Freiwillige treu erfüllt. Ihre Dienstzeit war ausgelaufen und sie dachten natürlich, dass sie das Recht hätten, nach Hause zu gehen. Sie hatten treu und gut gedient. Sie wollten ihre Familien sehen und allgemein einfach nach Hause. Krieg war zur Realität geworden, sie waren ihn leid. Der Kongress der Konföderierten Staaten hatte ein Gesetz erlassen, den so genannten „Conscription Act“. Ein Soldat hatte nicht mehr das Recht, sich freiwillig zu melden und seine Waffengattung selbst zu wählen. [Anm. d. Übers.: Auch unter dem Wehrpflichtgesetz konnten Rekruten ihre Waffengattung noch selbst wählen.] Er wurde eingezogen. Von diesem Zeitpunkt an bis zum Ende des Krieges war ein Soldat nur noch eine Maschine, ein Wehrpflichtiger. Das ging uns Rebellen sehr nahe. Wir verfluchten den Krieg, wir verfluchten Bragg und wir verfluchten die Konföderation. All unser Stolz und Heldenmut waren dahin und wir hatten den Krieg und die Konföderation satt.
Dann wurde vom Kongress ein Gesetz beschlossen, das es jeder Person, die 20 Neger besaß, erlaubte, nach Hause zu gehen. Das machte uns fertig; wir wollten 20 Neger. Sklaven wurden auf einmal sehr wertvoll und die Parole „Krieg der Reichen auf dem Rücken der Armen!“ machte die Runde. Der Ruhm des Krieges, der Ruhm des Südens, der Ruhm und der Stolz des Freiwilligen, all dies reizte den Wehrpflichtigen nicht. Wir sollten unsere neuen Offiziere wählen und das Land war überrascht, als es sah, welche Wahl der Wehrpflichtige getroffen hatte. Der Wehrpflichtige hatte keine Wahl. Er war abgestumpft und es war ihm egal, ob er einen Hauptmann hatte oder nicht. Unsere anfänglichen Offiziere hatten ihre Posten niedergelegt und waren nach Hause gegangen, weil sie Offiziere waren. Der arme Soldat, ein verachtenswerter Wehrpflichtiger, blieb zurück und heulte und knirschte mit den Zähnen. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Krieg genauso gut bereits zu Ende sein können. Die Jungs waren am Boden, nein, völlig am Ende. Man hatte ihnen die Locken ihres Ruhmes geschoren. Sie hatten jetzt nur noch ein Verlangen: auf irgendeinem Wege von der Infanterie wegzukommen. Sie wollten zur Kavallerie oder Artillerie, zum Heimatschutz oder dem Pionierkorps, sie wollten „yaller dogs“ werden oder irgendetwas anderes. (Der gewöhnliche Stabsoffizier und Kurier wurde „yaller dog“ genannt und man betrachtete ihn nicht als Angehörigen der kämpfenden Truppe und hielt ihn für ein Ärgernis. Der gewöhnliche Soldat ließ keinen „yaller dog“ passieren, ohne zu pfeifen und so zu tun, als rufe er seinen Hund. Tatsächlich musste der General einen Armeebefehl erlassen, der das Verhöhnen von Stabsoffizieren und Kurieren unter Strafe stellte. Man betrachtete sie schlicht als unnötige Anhängsel oder, in anderen Worten, als feige, Schafe tötende Hunde, die, wenn man „Buh!“ schrie, anfingen zu winseln und sich hinter den Stiefeln ihres Herrn verkrochen. Mike Snyder war General George Maneys „yaller dog“ und ich glaube, von ihm nahm Joe Jefferson den Namen von Rips Hund Snyder in „Rip Van Winkle“. Immer, wenn ein Stabsoffizier oder ein Kurier an uns vorbeikam, rief irgendjemand: „Hierher, komm, komm, hierher, hierher, auf, Snyder, na komm, hierher, Snyder, komm, komm!“ Der Grund dafür war, dass der Soldat der Meinung war, er müsse das ganze Laden, Schießen und Kämpfen erledigen und tatsächlich gibt es nur sehr wenige Fälle, dass ein Stabsoffizier oder Kurier jemals im Dienste seines Landes eine Muskete abgefeuert hätte. Selbst heute noch muss ich, wenn ich einen alten Soldaten von seinem Dienst im Stabe eines Generals erzählen höre, immer an den Buchstaben „E“ denken. Tatsächlich war ich selbst im Laufe des Krieges als spezieller Kurier und Stabsoffizier für General Hood eingeteilt, ein Amt, das ich drei Tage lang ausübte. Während dieser drei Tage sagte ich jedem Wachtposten, an dem ich vorbeikam, dass ich Hoods Stab angehörte und für den Rest des Krieges leistete die Erfahrung dieser drei Tage mir gute Dienste. Ich kam an jedem Wachtposten der Armee vorbei, indem ich das magische Wort „Stabsoffizier“ benutzte. Es schlug alle jemals erfundenen Erkennungszeichen um Längen. Es war das „Sesam öffne dich“ des Krieges und des soldatischen Gehorsams.)
Ihre letzte Hoffnung war geschwunden. Sie hassten den Krieg. In ihren Augen war der Süden ein Tyrann und die Konföderation ein Betrug. Sie desertierten zu Tausenden. Sie empfanden weder Liebe noch Respekt für General Bragg. Wenn jemand füsiliert oder ausgepeitscht werden sollte, musste die gesamte Armee bei der furchtbaren Szene anwesend sein und zusehen, wie ein armer, zitternder Kerl an einen Pfahl gebunden wurde und eine Abteilung von zwölf Mann antrat, um ihn zu erschießen. Das gedämpfte Kommando „Legt an, Feuer!“ ließ den Soldaten, oder sollte ich sagen: den Wehrpflichtigen, den bloßen Namen der Konföderation verabscheuen. Und wenn ein armer Kerl ausgepeitscht und gebrandmarkt werden sollte, weil er ohne Erlaubnis zehn Tage von der Truppe abwesend gewesen war, mussten wir zusehen, wie er niederkniete, ihm der Kopf so glatt wie eine geschälte Zwiebel geschoren wurde und er sich dann vollständig entkleiden musste. Dann ließ ein strammer Bursche mit einer großen Lederpeitsche das Blut bei jedem Schlag fließen und spritzen. Der arme Kerl bettelte und heulte wie ein Hund und dann wurde ihm mit einem rotglühenden Eisen der Buchstabe „D“ in beide Hüften eingebrannt. Anschließend wurde er zu den Klängen des „Rogue’s March“ an der Armee vorbeigeführt. Es reichte. Keiner von General Braggs Soldaten hat ihn jemals geliebt. Sie hatten kein Vertrauen in seine Fähigkeiten als General. Man betrachtete ihn als einen gnadenlosen Tyrannen. Die Soldaten erhielten nur sehr wenig Verpflegung. Bragg war niemals ein guter Proviantmeister oder Generalkommissar. Unsere Rationen waren immer knapp. Es gab keine Extrarationen für die Neger, die als Diener bei uns waren. Kein Kaffee, Whisky oder Tabak durfte an die Truppen ausgegeben werden. Wenn jemand in den Besitz dieser Luxusgüter gelangte, so kamen sie nicht von der Regierung. Diese Güter wurden zurückgehalten, um das Herz und den Geist von Braggs Truppen zu brechen. Wir waren am Boden zerstört. Bragg war der große Alleinherrscher. Für den Soldaten war sein Wort Gesetz. Er liebte es, den Geist seiner Männer zu brechen. Je niedergeschlagener sie aussahen, desto zufriedener war er. Kein einziger Soldat in der ganzen Armee hat ihn jemals geliebt oder respektiert. Aber jetzt ist er tot. Friede seiner Asche!
Wir wurden zu ausgehungerten Skeletten, nackten und zerlumpten Rebellen. Chronischer Durchfall wurde zur Plage der Armee. Corinth war ein einziges riesiges Lazarett. Fast die gesamte Armee meldete sich jeden Morgen krank. Alle Wasserläufe versiegten und wir benutzten Wasser aus dreckigen Tümpeln. Halleck rückte vor; wir mussten Corinth befestigen. Eine riesige Armee: Grant, Buell, Halleck, Sherman, alle rückten gegen Corinth vor. Unsere Truppen waren nicht in der Verfassung für einen Kampf. Sie hatten genug von dieser erbärmlichen und doch tragischen Farce gesehen. Sie waren bereit, den Vorhang fallen zu lassen, die Lichter auszublasen und nach Hause zu gehen. Sie liebten die Union irgendwie und waren immer gegen diesen Krieg gewesen. Aber dann wurde leise der Name Bragg geflüstert. Von ihm ging eine größere Bedrohung aus als von den nahenden Heerscharen von Hallecks Armee.
Die Kugeln und Granaten pflügten durch unsere Reihen. Hin und wieder wurde ein Soldat verwundet oder getötet und wir dachten darüber nach, welch eine „großartige“ Torheit es doch war. Der Tod war uns willkommen. Hallecks gesamte Armee von Blauröcken hatte ihren Schrecken verloren. Wenn wir uns zum Gefecht aufstellten, wurde ein Zehntel der Armee hinter uns postiert, um uns niederzuschießen, falls wir wegrennen wollten. Kein Rudel Hunde unter der Peitsche ihres Herrn, keine Gruppe Gefangener in einem Zuchthaus stand jemals unter strengerer Überwachung. Wir waren zehnmal weniger wert als Sklaven; unser Kampfgeist gehörte der Vergangenheit an; die Glorie des Krieges und der Stolz der Männlichkeit waren Braggs tyrannischer Vernichtungswut geopfert worden. Doch genug davon.
Rowland wird erschossen
Eines Morgens ging ich hinüber zum 23. Tennessee-Regiment, um Hauptmann Gray Armstrong und Oberst Jim Niel zu besuchen. Beide waren froh, mich zu sehen, denn wir waren schon vor dem Krieg gute Freunde gewesen. Während ich in Oberst Niels Zelt saß, sah ich eine Abteilung Soldaten, die einen Mann namens Rowland begleiteten. Er sollte wegen Fahnenflucht gemäß dem Urteil eines Kriegsgerichts füsiliert werden. Ich erfuhr, dass er die Dienstzeit, für die er sich ursprünglich freiwillig verpflichtet hatte, abgeleistet hatte, unsere Armee verlassen und sich den Yankees angeschlossen hatte und mit Prentiss’ Brigade bei Shiloh in Gefangenschaft