Hartkeks & Kaffee. John Davis Billings
Читать онлайн книгу.die martialische Musik und die glühenden Reden dermaßen in Wallung, dass die Rekrutierungsquote eines Städtchens binnen einer einzigen Stunde erfüllt war. Sobald der erste Bursche vortrat, seine Unterschrift auf die Liste setzte, unter enthusiastischem Schulterklopfen auf die Bühne geführt wurde und dort als Held der Stunde bejubelt wurde, folgten auch schon der zweite, dritte und vierte und schließlich erfolgte ein regelrechter Ansturm auf die Rekrutierungsliste und die versammelte Menge verfiel in ungezügelte Begeisterung. Diese Ekstase konnte einen Mann ebenso betrunken machen wie Alkohol und am folgenden Morgen hatten einige der eifrigen Patrioten mit reuevollen Gedanken zu kämpfen, besonders wenn es sich um Familienväter handelte. Doch ihr Stolz, dieser tyrannischste Herr des Menschen, gestattete den meisten von ihnen keinen ehrlosen Ausweg.
Als nächster Schritt folgte die medizinische Untersuchung, um über die körperliche Tauglichkeit zu befinden. Jede Gemeinde hatte ihren eigenen Arzt für diese Aufgabe. Der angehende Rekrut musste sich zuerst all seiner Kleidung entledigen, bevor seine Tauglichkeit oder Untauglichkeit festgestellt wurde, indem der Arzt ihn springen, sich vornüber beugen und Tritte ausführen ließ, seinem Brustkorb und Rücken kräftige Stupser versetzte und generell alle Stellen abtastete, die er für wichtig erachtete. Auch die Zähne mussten begutachtet werden und das Sehvermögen wurde getestet. Bestand der Rekrut die Untersuchung, wurde ihm ein entsprechendes Attest ausgehändigt.
Nun ging es zu einem der Rekrutierungsbüros. Der Rekrut betrat den Raum, nannte den Grund seines Kommens, schrieb sich in die Stammrolle der Kompanie oder des Regiments ein, in dem er dienen würde, machte einige Angaben über Körpergröße, Teint und Beruf und wurde von einem Soldaten zum untersuchenden Heeresarzt gebracht, wo er einer weiteren gründlichen Untersuchung unterzogen wurde.
Jene Männer, die beschlossen, "in den Krieg zu ziehen" und aus eigenem Antriebe direkt das Rekrutierungsbüro aufsuchten, um sich einzuschreiben, mussten nur diese zweite Untersuchung über sich ergehen lassen. Die erste war vollkommen unnötig. An dieser Stelle soll die interessante Tatsache angemerkt werden, dass die Männer in den Jahren 1861 und 1862 bei diesen Untersuchungen bemüht waren, ihre Tauglichkeit zu beweisen, während sie in den Jahren 1863 und 1864 bemüht waren, ihre Untauglichkeit zu beweisen. Der Wind hatte sich gedreht.
Nachdem der Zivilist nun also ein Soldat geworden war, wurde er in der Regel sogleich in ein Heerlager oder direkt an die Front geschickt, doch wenn er sich einen kurzen Heimaturlaub erbat, wurde dieser meist gewährt. War er einem neu aufzustellenden Regiment beigetreten, mochte es noch Wochen dauern, bis er an die Front zog, schloss er sich hingegen einer altgedienten Einheit an, konnte er sich bereits kurze Zeit später in seiner ersten Schlacht wiederfinden. Hunderte von den Männern, die sich nach Präsident Lincolns Aufruf vom 2. Juli 1862 zur Fahne meldeten, wurden getötet oder verwundet, bevor sie auch nur eine Woche an der Front verbracht hatten.
Kein Mensch, der diese aufregenden frühen Kriegstage durchlebt hat, wird sie jemals vergessen. Die patriotische Gesinnung war auf dem Siedepunkt und ergriff Männer wie Frauen, Kinder wie Greise. Niemals zuvor hatte man in der Öffentlichkeit dermaßen viele Sternenbanner gesehen. Vor Wohnhäusern wie Amtsgebäuden wurden täglich mit großer Feierlichkeit die Flaggen gehisst. Wohin man auch schaute, wogte ein Meer aus Rot, Weiß und Blau. Ladenbesitzer hängten die Farben in ihre Fenster und an ihre Theken. Männer trugen entsprechende Krawatten, hefteten sich Kokarden an die Brust oder trugen farbige Bänder im Knopfloch. Auch die Damen trugen die Nationalfarben zur Schau. Die Musikkapellen spielten nur noch patriotische Lieder und würden sich Melodien bei häufigem Gebrauch abnutzen, so wären der "Yankee Doodle", "Red, White, and Blue" und "The Star-Spangled Banner" bald nicht mehr zu gebrauchen gewesen. Neue Lieder und Märsche wurden komponiert, von denen viele sich nur äußerst kurzer Beliebtheit erfreuten und all die Gedichte jener Zeit, unter denen sich auch einige ausgezeichnete Werke befanden, würden kaum zwischen zwei Buchdeckeln Platz finden.
Kapitel 03: Wie die Soldaten untergebracht wurden
"Mein Bett ist, wo die Heide blüht,
Des Farmkrauts Vorhang es umzieht,
Der Wachen Tritt mein Wiegenlied,
Fern, fern von Lieb' und dir, Marie;
Wohl morgen schon in tief'rer Ruh
Deckt mich mein Plaid, der blut'ge zu,
Zur Vesper singst dein Klaglied du!
Es wird nicht wecken mich, Marie."
– Sir Walter Scott, 'Die Jungfrau vom See'
Nun hatte man sich also freiwillig gemeldet, doch wie ging es weiter? Mit dieser einen Unterschrift hatte der neue Rekrut einen Teil seiner Eigenverantwortung aufgegeben und Onkel Sam nahm ihn unter seine Fittiche. An dieser Stelle möchte ich dem möglicherweise unwissenden Leser den Unterschied zwischen der Miliz und den Freiwilligenverbänden erklären. Die Miliz umfasste die Soldaten des jeweiligen Bundesstaates und dieser hatte auch das Kommando über sie inne, sofern der Präsident sie nicht im Falle eines nationalen Notstandes einberief. Einen solchen Notstand machte Präsident Lincoln geltend, als er (wie bereits erwähnt) 75.000 Milizionäre zu den Waffen rief. Die Freiwilligen hingegen stellten sich direkt in den Dienst der Vereinigten Staaten und somit war es die Aufgabe der Zentralregierung, sich vom Tage der Einmusterung an um alle ihre Belange zu kümmern.
Bevor sie ihren Heimatstaat verließen, wurden diese Freiwilligen also, wie schon gesagt, formal eingemustert. Dies geschah zumeist bald nach ihrem Termin im Rekrutierungsbüro, noch bevor sie ihre Uniformen erhielten.
Der Eid, den sie mit erhobener Hand leisteten, lautete wie folgt:
"Ich, A____ B_____, gelobe hiermit feierlich, dass ich den Vereinigten Staaten von Amerika die Treue halten und ihnen aufrichtig und treu im Kampfe gegen alle ihre Feinde und Widersacher dienen werde. Ich werde die Befehle des Präsidenten der Vereinigten Staaten achten und befolgen und ebenso die Befehle der gemäß den Gesetzen und Vorschriften des Heeres der Vereinigten Staaten ernannten Offiziere."
Vereidigung der Rekruten
Die Einrichtungen, welche für die Unterbringung der Rekruten vor ihrem Abmarsch an die Front zur Verfügung standen, waren von unterschiedlicher Güte. Einige der Männer wurden während ihrer Vorbereitung auf den Abmarsch in Fort Warren und Fort Independence einquartiert. Die Mehrheit der Freiwilligen aus Massachusetts wurde jedoch in mehreren über den Staat verteilten Lagern untergebracht. Zwei der ältesten dieser Lager waren Camp Andrew in West Roxbury und Camp Cameron in North Cambridge. Spätere Lager wurden bei Lynnfield, Pittsfield, Boxford, Readville, Worcester, Lowell, Long Island und einigen weiteren Orten eingerichtet. Die "Dreimonatsmilizen" benötigten keine gesonderte Unterbringung, da sie unmittelbar nach ihrer Einberufung ins Feld zogen. Einige von ihnen verbrachten eine Nacht in den Räumlichkeiten von Faneuil Hall. Die 1st Massachusetts Infantry war eine Woche lang in Faneuil Hall untergebracht, doch da dies kein geeignetes Quartier für dermaßen viele Männer war, marschierte das Regiment am 1. Juni nach Cambridge hinaus und nahm dort ein altes Kühlhaus am Ufer des Fresh Pond in Beschlag, das der Staat aufgekauft und mit einigen zusätzlichen Baracken in das erste Lager des Regiments verwandelt hatte. Es war dies jedoch nicht das erste der im Staate errichteten Lager, denn einige "Dreijahresregimenter" hatten zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Lager bei Long Island und in Fort Warren bezogen.
Das Lager bei Readville, Massachusetts
Da das Gelände, auf dem man die 1st Massachusetts Infantry untergebracht hatte, der Gesundheit der Männer abträglich war, war ihr Aufenthalt nur von kurzer Dauer und sie wurden bald nach North Cambridge verlegt, wo an einem genehmeren Platze neue Baracken errichtet worden waren. Zu Ehren von Präsident Lincolns Kriegsminister wurde das Lager "Camp Cameron" genannt.
Wie bereits mehrfach