Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms. Helmut H. Schulz

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Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms - Helmut H. Schulz


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kränkelte, wie schon erwähnt, er war sich der Folgen dieser Halsstarrigkeit seines Sohnes sehr wohl bewusst, Folgen mit Blick auf seinen Ruf, auf den Ruf des Hauses Brandenburg im Reich. Aber so leicht er das Schwert zog, und so tüchtig er als Feldherr und so unglücklich als Diplomat sein konnte, hart mit sich im Ertragen von körperlichen Strapazen, so wenig ist er solchen nervenden Misshelligkeiten gewachsen gewesen. Feinde hatte der Große Kurfürst genug, draußen im Reich und auch hier, im Familienkreis. Er drohte damit, Friedrich zugunsten Philipps, eines Sohnes aus zweiter Ehe, von der Thronfolge auszuschließen, falls er nicht stehenden Fußes heimkehre. Da der Kronprinz Schutz bei einer ausländischen Macht gesucht, war dem Prinzen klar, dass seine Anwesenheit in Berlin dringend geboten war, falls er nicht wirklich des Thrones entsagen wollte. Er zog von Karlsbad aus weiter zu einem anderen Verwandten, dem Landgrafen von Hessen-Kassel; diese Sippschaft kennen wir schon. Wie einst die Tante Landgräfin, so weigerte sich nun auch der Onkel Landgraf, den aufsässigen jungen Hypochonder nach Berlin zu schicken, zum Vater. Es war Danckelmann, der Friedrich zunächst in der Sache des Todesfalles seines Bruders Ludwig unselig und berechnend beraten hatte und der jetzt in alter Intrigantenmanier die Umkehr und Versöhnung mit dem Kurfürsten einleitete.

      Man reiste nach Berlin. Seltsamerweise hat der Kurfürst sich dann doch noch auf den Unfug eingelassen und diesem albernen Menschen von einem Sohn, der wie ein verzogenes Kind immerfort auf sich aufmerksam machen musste, nachgegeben. Der Prinz konnte als Grund seiner Flucht eben nur die Furcht vor einem Giftanschlag nennen, und dabei musste er jetzt auch bleiben. Er hat aber vielleicht im Grunde wirklich geglaubt, dass ihn die Stiefmutter umbringen wollte, unfähig, seine Umgebung wie eine Situation real einzuschätzen. Das Opfer, das schließlich gebracht wurde, war nicht die Kurfürstin, soweit ging der Kurfürst nicht, sondern deren Nichte, eine Prinzessin von Holstein, die der Giftmischerei für schuldig befunden und sogleich vom Hofe verbannt wurde. Möglicherweise aber stellte sich der Vater nur dumm, musste doch der Kurfürst Frieden mit dem Sohn suchen; eventuell, was seinem Naturell entsprochen hätte, war er all dieses jahrelang an- dauernden Klatsches, der Nachrede und der Verleumdungen dermaßen überdrüssig, dass er gegen sein besseres Wissen mit einem Dameopfer die Partie einfach abbrach. Und er kam noch gut weg bei diesem Kompromiss. Ihm ist jedenfalls klar gewesen, dass innerhalb zweier preußischer Meilen um das Berliner Schloss außer ein paar vor sich hindunstenden Mückensteinen in bürgerlichen Schlafzimmern keinerlei Gift zu finden gewesen wäre, hätte man noch gründlicher danach gesucht, als das ohnehin geschehen ist. Aber keine Frage, in dieser Sache hatte der Erbprinz sein Gesicht gewahrt und seinen kindischen Kopf durchgesetzt, psychologisch war er der Sieger. Nicht nur psychologisch; zunehmend zog ihn der Vater zu den Regierungsgeschäften heran. Zwar ahnte oder wusste er, dass der Sohn weiterhin und ihm zum Trotz mit dem kaiserlichen Gesandten über Gebiete des Landes verhandelte, geheime Absprachen traf, die nach seinem Tode eingelöst werden sollten, allein es ging zu Ende mit dem Großen Kurfürsten. Eine der dringenden Fragen für den Nachfolger blieb das Testament des Brandenburgers. Nur wenige kannten es.

      DAS TESTAMENT

      Der Große Kurfürst ist verhältnismäßig alt geworden, berücksichtigt man die anderen hier aufgeführten Todesfälle. Er starb an der Wassersucht, also wahrscheinlich ursächlich an einem chronischen Herzleiden, im Schloss zu Potsdam, und zwar am 9. Mai 1688. Er hinterließ verschiedene Testamente und einen zweifelhaften Thronerben. Sehen wir uns diese Testamente näher an: Der Thronfolger, welcher der Grablegung seines einst mächtigen Vaters in der Gruft des Berliner Doms beiwohnte, dürfte nichts weniger als Trauer über diesen gewaltigen Mann empfunden haben, dem er sich in keiner Weise gewachsen fühlte, und den er doch zu überlisten gedachte. Während des Trauergottesdienstes im Kreise bestürzter und um ihre Zukunft besorgter Familienangehöriger, vielmehr deren Reste, beschlichen den Erbprinzen einige Zweifel ob der zu erwartenden Verfügungen seines Vaters. Der künftige Kurfürst - dass er es werden würde, daran zweifelte Friedrich nicht, die Frage war nur, mit wie viel Macht er ausgestattet sein würde - ging im Geiste die Reihe seiner Gegenspieler durch. Ohne Zweifel mussten die Kinder der Kurfürstin. der zweiten Frau seines heimgegangenen Vaters, in ihren Ansprüchen befriedigt werden. Fritzchen, wie er einst liebevoll genannt worden war, kannte nur ein Testament seines Vaters, das aus dem Jahre 1659, welches ihm Halberstadt zuschrieb. Man erinnert sich, als Knabe hatte sich Friedrich gern mit Prinz von Halberstadt ansprechen lassen, wie wir sehen, mit einem gewissen Recht. Dieses Legat wurde in einer Testamentserweiterung 1664 bestätigt. Die übrigen Verfügungen des Großen Kurfürsten, wie sie während der Jahre den neuen Erfordernissen des Familienzuwachses angepasst worden waren, interessieren hier nur unter zwei Gesichtspunkten. Erstens hatte die zweite Frau des Großen Kurfürsten sehr energisch für ihre Kinder zu sorgen verstanden, obschon Friedrichs Stellung als Erbfolger nie wirklich in Frage gestellt worden war. Zweitens, nach dem Tode Karl Emils im Jahre 1674 behielt der Große Kurfürst alle neuen Verfügungen seines Testaments tunlichst für sich. Nur der Geheime Rat kannte den Inhalt, nicht aber der Thronfolger, der sich eben einige Krokodilstränen abpresste, weil er diesem gewaltigen Kerl ja immerhin doch einiges verdankte. Nicht mehr lange, und er wusste, welche Rolle ihm sein Vater zugedacht hatte, als ihm der Geheime Rat (Merkwürdig, Danckelmann stand all diesen Räten zumindest nahe; hatte er von den Klauseln des letzten Testaments gar nichts gewusst, und wenn er davon gewusst hat, redete er mit seinem Liebling, dem er einst nach Strich und Faden das Fell versohlen durfte, darüber?) den Inhalt des Testaments eröffnete. Das letzte Testament, um das es sich jetzt handelt, stammte vom 26. Januar 1686, zwei Jahre vor seinem Tode, als der Kurfürst, von Krankheit gezeichnet, sein Ende erwartend, eine höchst eigenartige Entscheidung traf. Die jüngeren Brüder des zu inthronisierenden Kurfürsten erhielten allesamt Länder aus dem Hohenzollernbereich zu Lehen, sollten dem kommenden Kurfürsten jedoch den Treueid schwören. Das bedeutete nichts anderes, als dass der Große Kurfürst entweder nie einen Einheitsstaat gewollt hat, oder aber den Gedanken daran wieder aufgab. Ferner kann es bedeuten, dass der Verstorbene seinem Sohn nicht zutraute, ein solches Erbe zusammenzuhalten, und schließlich ist der große Einfluss der Kurfürstin auf Friedrich Wilhelm unverkennbar; denn ihren Kindern fielen diese Legate zu. Die Historiker haben über das Für und Wider dieses Testaments heftig gestritten, und sie tun es wohl auch heute noch, da ja irgendeiner diesen Preußenstaat gewollt haben muss, und dafür steht am ehesten dieser gewaltige Kerl, der Große Kurfürst. Was Friedrich in diesem Nachlass erblickte, ist klar: eine Brüskierung, eine Schmälerung seiner Macht, eine Frechheit, der Gipfelpunkt aller Infamien, schlimmer als alles Arsen der agrippinischen Stiefmutter. Dieser Muttersohn, dieser schwächliche Mensch, dieser eitle Modegeck, dieses Gespött aller deutschen Potentaten, die gleichwohl keinen Deut besser waren, dieser Spielball in den Händen seiner Frauen, Schwiegermütter und Berater, schäumte hoch auf. Und er focht das Testament augenblicklich an. Dazu bot ihm die sogenannte Disposuio Aihillea eine prächtige juristische Handhabe. Es hatte nämlich der Kurfürst Albrecht Achilles 1474 in einem Familienvertrag festgelegt, dass die Hohenzollern das brandenburgische Erbe niemals teilen, dass Brandenburg immer an den jeweils ältesten Sohn fallen sollte, auch wenn dieser erhebliche moralische, geistige und physische Mängel aufweisen würde, wenn er einen Buckel hatte und alle naselang vermeinte, vergiftet worden zu sein. Bei dem Kinderreichturn des Achilles war diese Idee ganz einleuchtend, er hatte an Söhnen und Töchtern immerhin deren 19 (neunzehn!),]Johann Georg, noch ein Kurfürst, gar 23 (dreiundzwanzig!); dermaßen viele Länder besaß Brandenburg gar nicht. Eingehalten wurde dieses Hausgesetz aber niemals ohne Erbstreitigkeiten. Ferner war bestimmt, dass die jeweils leer ausgegangenen Söhne die Geistlichkeit bereichern sollten, zum Pfaffen langt es also allemal, wenn schon kein Fürst in einem steckt. Einige der Leerausgegangenen hätten Ansprüche auf Ansbach und Bayreuth geltend machen können. In einem Zusatz, dem von Gera, war die Dispositio Aihillea noch ausdrücklich bestätigt worden, nämlich 1603 in der sogenannten Primogenitur. Nein, dieses Testament des Großen Kurfürsten, der kein Zutrauen zu ihm hatte, dem Sohn mit kleinem, aber schlauem Kopf unter einer großen Perücke, konnte Friedrich in der Tat mit einigem Recht anfechten. Und wieder einmal half ihm das Schicksal ein wenig, was es gar nicht durfte, nach dem kalvinistischen Einfall, dass uns alles vorherbestimmt wird. Ihm starb endlich die tief und ohnmächtig gehasste Stiefmutter, sie folgte ein Jahr nach dem Tode des Großen Kurfürsten diesem in die Ewigkeit nach und befreite Friedrich von einer harten Gegenspielerin. Zunächst einmal gelang es ihm,


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