Das FBI gegen die Macht des Gebets II. George Curtisius
Читать онлайн книгу.Während der Fahrt zum Dodger-Stadium spürten Chandler und Wall ihre heftigen Kopfschmerzen und Bauchschmerzen. In ihrem Bewusstsein liefen nach wie vor die Gedankenbilder und Filmabläufe von Situationen ab, in denen sie unrecht gehandelt hatten. Dazu hörten sie die Vorwürfe von Menschen, denen sie das Unrecht angetan hatten.
Chandler als Fahrer des Autos war bei seiner Fahrt deshalb unkonzentriert und konnte anfangs noch einen Unfall vermeiden. Doch danach war er noch unkonzentrierter und kollidierte mit einem parkenden Auto. Der Unfall musste von der Polizei aufgenommen werden. Dadurch ging viel Zeit verloren. Sie kamen erst kurz vor Beginn der Veranstaltung am Dodger-Stadium an. Es blieb keine Zeit mehr, um Reverend Peter Hope vor Beginn der Veranstaltung zu befragen.
Chandler und Wall überlegten, ob sie im Auto auf das Ende der Veranstaltung warten wollten. Dann kamen sie zu dem Ergebnis, dass sie vielleicht von der Veranstaltung etwas lernen könnten. Zumindest könnten sie einen umfassenderen Eindruck von Reverend Hope gewinnen.
Insgeheim dachten Chandler und Wall jedoch, dass sie eventuell von der Vergebungs-Veranstaltung auch lernen könnten, ihre Probleme mit den schrecklichen Bildern in ihrem Bewusstsein zu lösen. Jeder von ihnen hatte seit dem vergangenen Tag viele Schmerzmittel eingenommen. Diese hatten die körperlichen Schmerzen nur kurzfristig gelindert. Die belastenden Vorwürfe und Gedankenbilder konnten sie nicht beseitigen, aber auch nicht abschwächen.
Chandler und Wall begaben sich zum Podium der Veranstaltung. Sie fragten nach Reverend Hope. Als sie mit Hope zusammentrafen, wiesen sie sich als FBI-Agenten aus. Sie baten Hope, ihnen nach der Veranstaltung für einige Fragen zur Verfügung zu stehen. Das sagte Hope ihnen zu.
Der Psychotherapeut
Mittwoch, 08. Mai 2019
Die psychotherapeutische Beratungspraxis von Prof. Dr. Nicolas Devrier war noch voller als bisher. Am Schild des Hauses in Manhattan, wo er seine Beratungspraxis hatte, stand zwar, dass Beratung nur nach vorheriger Vereinbarung erfolgen würde. Aber die Menschen, die jetzt in seinem Wartezimmer saßen und standen, hielten sich nicht daran. Sie sagten seiner Sekretärin, sie würden nicht eher weggehen, bevor sie nicht mit ihm gesprochen hätten. Das setzte ihn unter großen Zeitdruck.
Auch sein Angebot, dass sie am nächsten Tag einen Termin bekommen würden, bewog die wartenden Ratsuchenden nicht, sein Angebot anzunehmen. Es wäre für ihn auch sehr schwierig gewesen, sein Versprechen zu erfüllen. Seine psychotherapeutische Praxis war für Monate im Voraus mit Patienten ausgebucht, die seiner Hilfe bedurften.
In den letzten drei Tagen hatte er aufgrund des Ansturms von neuen Patienten, die meist nur einmaligen Rat suchten, die Termine für seine Langzeitpatienten mit deren Einverständnis hinausgeschoben, um sich neue Zeitfenster zu schaffen. Und er arbeitete nun bis 8 p.m. statt bisher nur bis 5 p.m.
Auch seine Langzeitpatienten, deren Probleme er zu kennen schien, klagten über neue Probleme. Es zeigte sich, dass sie ganz plötzlich unter ihrer sündhaften Vergangenheit litten. Sie klagten über quälende Gedankenbilder, die wie Filme durch ihr Bewusstsein liefen. Sie hatten Kopfschmerzen und Schmerzen im Solarplexus, was sie alle für Magenschmerzen hielten. Sie hatten auch die körperlichen und seelischen Schmerzen, die sie anderen Menschen zugefügt hatten.
Professor Dr. Nicolas Devrier war Spezialist für Transpersonale Psychotherapie und für Christliche Psychotherapie. Er hatte zunächst an verschiedenen Universitäten, zuletzt an Harvard, Psychologie und Psychotherapie studiert. Nach seinen Studien hatte er sich mit einer psychotherapeutischen Beratungspraxis in Boston selbständig gemacht mit dem Schwerpunkt auf Verhaltenstherapie. Er verdiente damit genug, um gut leben zu können.
Seine Ergebnisse mit Patienten machten ihn jedoch unzufrieden. Es gab nur geringe Erfolge in der Größenordnung von etwa 25 bis 27 Prozent seiner Patienten, denen er zur Heilung von ihren psychischen Problemen verhelfen konnte. Seine Gespräche mit Kollegen ergaben, dass auch sie nicht bessere Erfolge vorzuweisen hatten.
Deshalb machte er sich auf die Suche nach besseren Beratungskonzepten. Er gab seine Beratungspraxis wieder auf und studierte drei Jahre lang in Paris an der Sorbonne Transpersonale Psychotherapie und Christliche Psychotherapie und promovierte in der Disziplin Transpersonale Psychotherapie. Die Transpersonale Psychotherapie bezieht in ihr Therapiekonzept die religiöse und spirituelle Ebene der Psyche mit ein. Sie sieht den Menschen als materielles und spirituelles Wesen, als Ganzheit von Körper, Seele und Geist.
Devrier hatte sich seine langjährigen Studien finanziell leisten können, weil sein Vater in Boston einen florierenden Handel mit Autoteilen betrieb. Daneben hatte sein Vater noch eine Fabrik für die Herstellung von Küchengeräten. Sein Vater entstammte einer alten französischen Hugenottenfamilie, die den Namen de Vrière trug. Vor dem Zweiten Weltkrieg war sein Großvater mit seiner Frau nach Amerika ausgewandert. Er hatte dort seinen Namen in Devrier abgeändert, damit man den Namen leichter aussprechen konnte.
In Amerika hatte er ein Unternehmen zur Herstellung für Küchengeräte gegründet, das mit der Zeit immer erfolgreicher wurde. Als sein Vater Frederic als einziger Sohn und als einziges Kind das Unternehmen übernahm, erweiterte er seine unternehmerische Tätigkeit auf den Handel mit Autoteilen. Dieser Geschäftszweig entwickelte sich ebenfalls sehr erfolgreich und gewinnbringend.
Nicolas war das dritte Kind von Frederic. Vor ihm wurden sein Bruder und seine Schwester geboren, die beide die Unternehmen des Vaters fortführen sollten. Nicolas hatte dagegen von Kindheit an das Interesse, anderen Menschen helfen zu wollen. Für ihn kam nur ein Beruf als Arzt oder als Psychotherapeut in Frage. Der Beruf des Arztes schied für ihn nach genauerer Prüfung aus, weil dieser Beruf zu mechanistisch ist.
Die Arbeit eines Arztes hat überwiegend strikten Regeln zu folgen. Von dem universitären Wissen, der so genannten Schulmedizin, darf nicht abgewichen werden, wenn der Arzt seine Approbation nicht verlieren will. Ein Psychotherapeut war dagegen viel freier in der Auswahl seiner Beratungsmethoden. Er konnte von einer Vielzahl von Methoden Gebrauch machen, in Abhängigkeit von der psychischen Störung seiner Patienten. Auch alternative Heilweisen als psychologische Konzepte waren zulässig.
Während seiner psychologischen Studien im Ausland hatte Devrier immer Kontakt zu seiner früheren Universität in Boston gehalten. Sein ehemaliger Professor in Boston war inzwischen zur New York University gewechselt. Er sollte dort als Dekan eine neu gegründete psychotherapeutische Fakultät aufbauen. Für diese neue Fakultät wurde ein Professor gesucht für Transpersonale Psychotherapie.
Für Devrier war das eine große Chance gewesen. Er konnte seine in der bisherigen Praxis erworbenen Erfahrungen an Studenten weitergeben und dazu das während seiner Studien in Frankreich erworbene Wissen. Er hatte das Angebot mit Freude angenommen und war nach New York City an die dortige Universität gegangen. Im Verlaufe von drei Jahren hatte sich jedoch gezeigt, dass das Interesse der Studenten an der Transpersonalen Psychotherapie relativ gering war. Das hatte ihn entmutigt.
Zuletzt hatte es im Direktorium der New York University Überlegungen gegeben, die Abteilung für Transpersonale Psychotherapie wegen zu geringer Nachfrage der Studenten wieder zu schließen. Devrier kam einer Kündigung zuvor und machte sich in New York selbständig mit einer eigenen psychotherapeutischen Beratungspraxis in Manhattan, die er nun seit 3 Jahren betrieb.
Professor Devrier war ein schlanker und großer, gut aussehender Mann von kräftiger Gestalt. Er hatte neben seiner beruflichen Tätigkeit immer etwas Sport getrieben. Für ausgedehntes Jogging hatte er meist keine Zeit, sodass er seine Fitness im Fitness-Studio aufrechterhalten musste. Er war jetzt 42 Jahre alt. Er war in der New Yorker Gesellschaft ein begehrter Junggeselle.
In den letzten Jahren hatte er drei eher kurze Liebesbeziehungen gehabt, die sich aber nicht als tragfähig für ein längeres gemeinsames Leben erwiesen hatten. Die Vorstellungen der Frauen waren zu oberflächlich und erwiesen sich als zu wenig übereinstimmend mit seinen Lebenszielen. Im Mittelpunkt seines Lebens stand sein Beruf, der ihn voll ausfüllte.
Nach Eröffnung seiner privaten Beratungspraxis in Manhattan hatte Devrier bereits in sehr kurzer Zeit wachsendes Interesse