Ein Seemann erzählt von seiner Seefahrt in zwei deutschen Staaten - Herausgeber: Jürgen Ruszkowski. Knut Freiwald

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Ein Seemann erzählt von seiner Seefahrt in zwei deutschen Staaten - Herausgeber: Jürgen Ruszkowski - Knut Freiwald


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endlich dann später ein Schulbus eingesetzt wurde. In der Schule war ich immer ein guter Schüler, mein alter Lehrer sagte stets, ich könnte ein sehr guter sein, wenn ich mich endlich mal richtig bemühen und anstrengen würde. Dieser Lehrer weckte auch mein Interesse für das Fach Chemie. Dieses Fach wurde mein Lieblingsfach, und ich hatte bis zum Abitur immer ein „Sehr gut“ im Zeugnis zu stehen. Im Fach Chemie nahm ich dann auch später recht erfolgreich an den damals üblichen Chemieolympiaden teil. Wer weiß, wäre ich nicht Seemann geworden, hätte ich wohl etwas mit Chemie gelernt und studiert. Nur das Fach Deutsch, insbesondere die Rechtschreibung und Grammatik bereitete mir schon damals doch erhebliche Schwierigkeiten. Wie sagte man so schön, „mir und mich kenne ich nicht“, die örtliche Umgangssprache hatte mich sehr geprägt. Denn Jahre später, nun als Erwachsener und im Deutsch etwas geläutert, sträubten sich mir immer meine Haare, wenn meine Mutter zu Besuch war und sie in ihrer Umgangssprache zu erzählen begann. Sie konnte ja nichts dafür, sprach nur den Dialekt unserer Gegend. Die mangelhafte Rechtschreibung kostete mich später manch gute Zensur, da meine Arbeiten in der Regel deshalb eine Note runter gesetzt wurden. Vom Verhalten her war ich nicht gerade ein Engel. Sowie im Dorf etwas los war, ich war immer dabei und bereitete so meiner Mutter manchen Kummer. Doch Mutter war damals nicht zögerlich in ihrer Erziehung, da gab es oft etwas mit dem Teppichausklopfer oder Handfeger. In der heutigen Zeit undenkbar, dies würde heutzutage glatt unter die Rubrik Kindesmisshandlung fallen. Im Nachhinein muss ich aber sagen, geschadet hat es nicht, im Gegenteil, so lernte ich als Kind Grenzen meines Handelns kennen und zu akzeptieren. Nach dem Abschluss der 7. Klasse musste ich, um die mittlere Reife zu erreichen, die Schule wechseln.

      Natürlich war ich auch Mitglied der „Jungen Pioniere“ geworden und trug stolz wie alle Kinder das blaue Halstuch. Ich wuchs in diesem Staat auf, und der staatliche Einfluss war überall. Wo sollte ich was anderes kennenlernen, wer sollte mir etwas über Demokratie und Freiheit erzählen? Als Kind hätte ich es sowieso noch nicht verstanden. Heute gehen die Kinder in die Waldorfschule, werden Pfadfinder oder gehen wieder zu den kirchlichen Veranstaltungen.

      Die Erziehung der Kinder ist vorrangig eine Aufgabe der Eltern, aber auch der Staat trägt bei der Orientierung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen eine große Verantwortung. Uns Kindern und den Menschen in der ehemaligen DDR wurden täglich die Vorzüge des sozialistischen Systems verkündet, so dass viele, zumindest damals in den Anfangsjahren doch noch daran glaubten, dass der Sozialismus der bessere Weg sei.

      Während der Schulferien und zu allen Feiertagen sowie an vielen Wochenenden fuhr ich mit dem Fahrrad zu Besuch zu meiner Oma Minna, der Mutter meines Vaters, sowie Tante und Onkel, die weiterhin in Schlieben lebten. Ich hatte dort schon Freunde gefunden und der Lange Berg war ein vorzüglicher Spielplatz. Tante und Onkel hatten ihre Wohnung auf dem gleichen Flur wie Oma, sie teilten sich die Wohnung und hatten keine Kinder. Meine Oma war trotz ihrer Einfachheit sehr gebildet, und alle zusammen hatten einen wesentlichen Einfluss auf meine Erziehung. Ich sehe Oma heute noch vor mir, mit ihrem grauen Dutt, immer sauber akkurat gekleidet, die Wohnung blitzblank. Mein Gästebett befand sich in ihrer Vorratskammer (ohne Ofen / Heizung) und im Herbst / Winter war ich vom herrlichen Duft der dort eingelagerter Äpfel und Birnen umgeben. Aus Omas Stube hörte ich ihr Chronometer leise die Stunden schlagen. Hier bei ihr lernte ich gutes Benehmen und das Erfüllen kleiner Pflichten, so musste ich stets Kohle, Holz und Wasser hochtragen. Ihre Wohnung hatte keinen Wasseranschluss, und die Toilette war, wie damals noch häufig üblich, auf dem Hof. In ihrem großen Garten, den sie zusammen mit meiner Tante und Onkel bewirtschaftete, war auch immer etwas für mich zu tun, worauf meine spätere Abneigung für Gartenarbeit beruhte. Der Gerechtigkeit halber muss aber gesagt werden, die Liebe zur Gartenarbeit kommt nach meiner Meinung etwas später mit dem Alter, zumindest bei mir war es so. Heute beschäftige ich mich gerne in unserem Garten. Das sollte aber nicht in Muss oder Stress ausarten. Nur zu damaliger Zeit konnte ich mich nicht dafür begeistern, und ich führte sie immer recht unlustig aus. Oma vertrat aber stets die Meinung, wer etwas essen möchte sollte auch etwas dafür tun, gebratene Tauben fallen nicht vom Himmel. In den Sommerferien war der Gang zum Friedhof Pflicht. Sie pflegte das Grab meines Opas und hatte noch fünf oder sechs Gräber in Pflege, um ihre kleine Rente aufzubessern. Meine Aufgabe war dabei, ihr das Wasser zum Gießen heranzutragen. So lernte ich bei ihr das Andenken der Verstorbenen zu ehren. Später dann habe ich bei meinen Kindern versucht dies weiterzugeben. Meine Tante und mein Onkel bezogen bald eine sehr schöne neue 2 ½ Zimmer-AWG-Wohnung. Sie hatten dafür lange die damals notwendigen AWG-Stunden abgearbeitet, um endlich Anspruch auf eine eigene Wohnung zu haben, so dass ich fortan das Kinderzimmer bei meiner Tante und Onkel in Beschlag nahm, zumal sie schon im Besitz eines Fernsehgerätes waren. Da beide am Tage arbeiteten, war ich tagsüber unter Omas Fittichen und hatte mich am Abend bis spätesten 18.30 Uhr bei meiner Tante und Onkel einzufinden. Um diese Zeit wurde jeden Tag warm zu Abend gegessen. Die Arbeit danach wurde gerecht aufgeteilt. Einer wusch ab, der Andere trocknete ab und der Dritte stellte das Geschirr weg. Diese Arbeitsteilung wurde auch am Wochenende beibehalten. Stand große Wäsche an, so hatten mein Onkel und ich die Aufgabe die Wohnung zu säubern, Staubsaugen, Wischen, Putzen, also die üblichen Hausarbeiten, während meine Tante in der Waschküche war. Es wurde damals noch alles per Hand gewaschen, Waschmaschinen kamen erst später auf den Markt und waren nicht sofort für alle erschwinglich. Wir beide, mein Onkel und ich setzten unseren ganzen Ehrgeiz ein, alles perfekt zu säubern, um nicht den Unmut der Tante zu erregen. Dieser Fimmel für Hausarbeiten verfolgt mich noch bis zum heutigen Tag. Letztendlich sollten diese Arbeiten mir aber später auf dem Lehrschiff als Matrosenlehrling sehr zugute kommen.

      Die Abende verbrachten wir zusammen. Fernsehen durfte ich nur bestimmte Sendungen, wie „Willi Schwabes Rumpelkammer“. Da kam sogar meine Oma immer extra rüber. Dann die großen ARD-Eurovision-Sendungen vom Westfernsehen und natürlich die Sportsendungen. Westfernsehen wurde geschaut, egal ob Vater Staat es verteufelte oder nicht. Wir machten auch viele Ratespiele, so kannte ich damals zum Beispiel so gut wie alle Hauptstädte der Welt. Ich lernte Doppelkopf, Rommee, Mühle und Dame, Halma und später Skat kennen. Ich finde, das warn sinnvolle Beschäftigungen. Ach ja, das Essen: Meine Oma war eine phantastische Köchin alter Schule, sie hatte früher noch bei Herrschaften in Berlin gekocht, wobei meine Tante ihr in nichts nachstand. So hatte ich an jedem Sonntag die Wahl, wo ich zum Mittagessen ging. Meine Oma kannte meine Abneigung gegenüber allem, was mit Schaf zusammenhing und gekocht wurde. Eines Sonntags hatte ich mal wieder die Auswahl, Schnitzel mit Blumenkohl bei der Tante, oder Rehbraten bei der Oma. Da Rehbraten in dieser Zeit etwas Besonderes war, zog ich guten Mutes natürlich zur Oma, um dort den Rehbraten zu genießen. Es hat auch wie immer sehr gut geschmeckt, und ich hatte mächtig zugelangt, da ich zu der Zeit ein tüchtiger Esser war. Nach dem Essen fragte Oma dann scheinheilig. „Na mein Junge hat es dir geschmeckt?“ Ich sagte: „Ja“. „Was meinst du wohl, was du gegessen hast?“, fragte sie. Ich: „Natürlich Rehbraten.“ „Ach was“; sagte sie, „das war eine Lammkeule!“ Au Backe, ich hatte nichts davon gemerkt dank ihrer vorzüglichen Kochkünste. Da kann jeder mal wieder sehen: Einbildung kann auch eine Bildung sein.

      Oma, Tante und Onkel waren sehr an meinen schulischen Leistungen interessiert. Nachdem ich mein Zeugnis nach Erhalt zuerst meiner Mutter gezeigt hatte, wurde es beim nächsten Besuch in Schlieben begutachtet. Ihre Kritik nahm ich mir immer sehr zu Herzen. Während der Schulzeit war ich ja zu Hause und versuchte nach dem Tode meines Vaters meiner Mutter so viel wie möglich zu helfen. Mein Bruder ging schon mit 15 Jahre arbeiten, um meine Mutter finanziell zu unterstützen. In den Sommermonaten gingen wir auch oft in den nahen Wald, um Pilze zu sammeln, die anschließend verkauft wurden, um die Haushaltskasse aufzubessern.

      Für die 8. -10. Klasse musste ich nun in die nächste Stadt nach Doberlug-Kirchhain, um dort die Allgemeine Polytechnische Oberschule zu besuchen. Die Umstellung fiel mir recht schwer. Eine neue Umgebung, fremde Mitschüler, mit meinem Selbstvertrauen war es damals nicht weit her. Viele aus meiner neuen Klasse kamen, wie man so sagt, aus gutem Hause, dem Mittelstand dieser Stadt. Deren Eltern waren meist Selbstständige, also durchaus für damalige Zeiten vermögend. Dazwischen nun ich, ein Nichts, ich konnte zum Beispiel nicht jeden Tag andere Sachen zur Schule anziehen, dieser Unterschied fiel mir als Erstes auf. Die einzige Chance, die ich hatte, war, mit schulischen Leistungen auf mich aufmerksam zu machen. So wurde aus mir ein strebsamer Schüler, der nicht zuletzt immer als positives Beispiel herhalten musste. In der 8. Klasse wurden


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