Perlen vor die Säue…. Inge Elsing-Fitzinger
Читать онлайн книгу.davon zurückzugeben. Er gehört zu jener Spezies Mensch, die geradezu meisterhaft verbal Belangloses zum Partygag erheben kann. Spielerisch gelingt es ihm, jedermann an Unverbindlichkeiten zu übertreffen. Mit solcher Wichtigkeit formuliert, muss man einfach zuhören. Seine Leitdevise: Nur kein Tiefgang. Derlei Themen langweilen, machen uninteressant. Sein Evangelium: Im Mittelpunkt stehen, sich wenn nötig prostituieren, gewinnen.
Und dann trifft er Claudia, die Tochter des Schmucktycoons Wiesinger, den härtesten Konkurrenten seines kürzlich an einem Herzinfarkt verstorbene Schwiegervaters de Breest. Zauberhaft, begehrenswert. Endlich eine Abwechslung in diesem trüben Fischteich von wohlhabenden Weibern, die sich mir bereitwillig an den Hals werfen, wenn ich nur den kleinen Finger krumm mache.
Die Situation erlaubt kein Ausweichmanöver. Ihre Blicke haken sich fest. In den Gläsern perlt Champagner, sein Lächeln ist wohldosiert, seine Worte ebenfalls. Ein kurzes Aufflackern. Verflossene Erinnerungen.
„Wir haben schon einmal mit einander getanzt, erinnern sie sich noch“. Spielerisch klinkt er sich in den kleinen Kosmos von Nichts ein.
„Ja doch. Es war sehr schön. Sie sind ein hervorragender Tänzer, Jürgen.“ Ein Schauer überrieselt sie. Die Decke des Ballsaals könnte einstürzen – sie würde es nicht bemerken.
„Wollen wir es heute wieder versuchen?“ Jürgens Stimme klingt einnehmend, zwingend. Widerstand ist zwecklos. Er fühlt ihren federnden Körper, der sich noch etwas zurückhaltend an den seinen schmiegte. Ein herrlich natürlicher Duft. Diese Frische. Ihre beinahe schüchterne Zärtlichkeit. So muss sich Liebe anfühlen, träumt sie wie in Trance. Liebe, Verliebtheit? Wo ist da der Unterschied?
„Wo haben sie denn die ganze Zeit gesteckt. Ich habe sie ehrlich vermisst.“
„Schwindler!“, flüstert Claudia dümmlich. „Sie hatten sicher alle Hände voll zu tun mit Alexa. Ich kenne sie viel zu gut, schon aus unserer Zeit im Internat.“
„Na dann brauche ich ihnen ja nichts zu erzählen. Sie ist ziemlich anstrengend. Welche Wohltat, sie getroffen zu haben.“
Jürgen knipst den Charmeschalter an, mit sicherer Überzeugung, unwiderstehlich zu wirken. Claudias Engelslächeln, entrückt, trunken, bestätigt seine Vermutung.
„Es ist einfach toll mit ihnen zu plaudern, ohne Eiszapfen an den Ohren zu bekommen.“ Unverschämt starrt er sie an. Tag und Nacht, diese beiden Frauen. Alexa ist etwas größer, hat einen volleren Busen, eine bronzefarbene Haut und wundervolles kastanienrotes Haar. Eine klassische Schönheit. Herb und von leidenschaftlicher Vollkommenheit. Unabar, kaltschnäuzig, eisig, mit einem eigenen Willen, den kein Mensch auf Gottes weiter Flur zu brechen vermag. Die zierliche, weizenblonde Claudia hingegen wirkt anziehend, weich, verständnisvoll. Eine Frau, die man manipulieren kann. Von bedingungsloser Hingabe, ist er überzeugt.
Ein paar verirrte Strähne kräuseln sich an ihren blassrosa Wangen. Ihre Grünschimmernden Augen sind forschend und neugierig zugleich. Die schmale Nase. Ihre Lippen schillern feucht, sind leicht geöffnet. Ihr Körper sinnlich. Die zarte Taille, leicht geschwungenen Hüften, makellose Gazellenbeine. Das Lamméekleid schmiegt sich eng an ihren Körper. Den Ansatz ihres Slips kann er schemenhaft erkennen. Musik rauscht, heiteres Lachen, sinnliches Geflüster. Entrückt in eine fremde, noch nie gesehene Welt lässt sie schaudern. Krampfhaft bemüht sie sich ihre Verwirrung im Zaum zu halten, ihre Sinne zu sortieren.
Jürgen hat seine Entscheidung bereits gefällt: Von der „Bösen“, dem Beziehungsspaltenden Biest, der Eiskönigin, direkt zur „Guten“, dem blonden Engel wechseln. In der Rolle des Seelenklempners würde er förmlich zu Höchstform aufblühen, diese neue Traumfrau mit liebevoller, berechnender Zärtlichkeit umgarnen. Ein Schauspiel, das mit mehreren Oskars prämiert werden müsste. Er schwelgt in Zukunftsvisionen.
Geschickt manövriert er das holde Geschöpf wenig später aus dem Gedränge, öffnet galant die Tür des ersten Taxis, schubst sie impulsiv hinein. „Machen sie schnell, oder haben sie wirklich Lust mit all den Menschen beisammen zu sein.“ Eine einfache Feststellung, die ihr keine Sekunde Zeit lässt, eine eigene Entscheidung zu treffen.
Dem Taxichauffeur nennt er eine ihr völlig unbekannte Adresse. Etwas überrumpelt, fühlt sich Claudia dennoch wie auf Wolken gebettet. Sie schließt die Augen, lehnt sich in den weichen Ledersitz zurück, abwartend, aufgeregt.
Verzauberung
Vor drei Jahren schon hatte sie sich hoffnungslos in Jürgen verliebt. Schlaflose Nächte, quälende Sehnsüchte. Ihr Wirtschaftsstudium in Amerika, eine Flucht. Hals über Kopf hatte sie sich in dieses Vorhaben gestürzt. Abgelenkt durch die zahlreichen Vorlesungen, gelang es ihr tatsächlich den eigentlichen Grund ihrer Flucht zu verdrängen.
Wilde Leidenschaft flammt in ihr auf, die sie tapfer zu unterdrücken versucht. Immer wieder kommt es zu Feuerproben von Freundschaften, denkt sie mit einem Anflug von schlechtem Gewissen. Besonders wenn ein Mann wie Jürgen auf das Spielfeld tänzelt. Das muss wahre Liebe sein, wenn sie nach so langer Zeit immer noch gegenwärtig, ja vielleicht noch mächtiger ist, sinniert sie verträumt.
Das Taxi hält vor einem unbeleuchteten Tor. Jürgen führt sie mehrere Stufen hoch zu einem Nebeneingang. Die Tür springt auf. Ein Lichtschalter knipst. Ein riesiger Raum. Etwas düster aber romantisch. Mehre Tische mit schwarzen Samttüchern bedeckt.
„Mein Atelier“, strahlt er. „Ich habe es mir bescheiden aber gemütlich eingerichtet, um ungestört meine Kreationen entwickeln zu können. Ein wahrer Künstler braucht die Einsamkeit. Sie sind der erste fremde Mensch, der mein Heiligtum betritt.“ Claudia fühlt sich privilegiert. Sphinxenhaftes Lächeln umspielt ihren Mund.
Eine zierliche Sitzgruppe, ein graziöses Empiretischchen, ein siebenarmiger Leuchter, brennende Kerzen. Eben entzündet, kaum abgebrannt. Eine lachsfarbene Orchidee. In einem silbernen Kübel zwischen Eisbrocken eine Flasche Champagner. Zwei Kelche, eine Kristallschale mit frischen Beeren. Magie pur. Romantische Musik ertönt, wie von Zauberhand eingeschaltet. Sie fühlt Jürgens weiche Hand in der ihren. Zaghaft folgt sie seinem Drängen. In ihren Augen glimmen unzählige Fragen, die ihre Lippen nicht auszusprechen wagen. Sein Gesichtausdruck wirkt einnehmend. Die trügerische Glätte, will sie nicht sehen. Seine Bewegungen gleichen dem eines Wiesels, vorsichtig, flink, wachsam. Jürgen schwelgt in Illusionen, die er um jeden Preis zu realisieren gedenkt. Ihr perlendes Nachtigallenlachen fasziniert. Sie ahnt nicht wie erotisierend es auf ihn wirkt.
„Der Abend könnte vielleicht doch noch spannend werden“, meint Claudia mit funkelnden Augen.
„Was wirklich Spannendes kann ich mir schon lange nicht mehr vorstellen, aber vielleicht etwas weniger Langweiliges.“ Eine Kränkung, die sie einfach überhört. Die Situation ist viel zu aufregend, um an Worten hängen zu bleiben. Sein offensichtliches Machogehabe spornt sie zu ungeahnter Aktivität an. Solch einen Mann hat sie sich immer gewünscht. Brillantes Aussehen, umwerfend anziehend, undurchsichtig, unberechenbar – aber letztlich doch bezwingbar, ist sie überzeugt. Dass sie sich bis über beide Ohren in ihn verliebt hat, will sie sich keinesfalls eingestehen.
Sein kräftiger Arm umschlingt besitzergreifend die schlanke Taille. Ihre Wangen berühren sich. Claudia lehnt den Kopf einen Augenblick lang an seine Schulter. Ein berauschendes Gefühl von Geborgenheit. Ihre Augen versinken in einander. Sein Drängen wird begehrlicher.
„Ich kann nicht“. Ein zärtlicher Kuss.
„Ich bin noch nicht so weit, lass mir bitte etwas Zeit“.
Wieder küsst er sie auf die brennenden Lippen.
„Ich…ich…Oh Gott, mir gehen die Ausreden aus.“
„Bravo, mein großes Mädchen“. In aufgespeicherter Gier reißt er ihr das Kleid auf. Mit der Zunge leckt er lüstern ihren Hals. Hemmungslos fasst er mit der rechten Hand nach ihren Brüsten. Wundervolle Äpfel. Erregung pur. Adam im Paradies. Der Sündenfall. Absolut verständlich. Kein Kostverächter, dieser Kerl schießt es ihm ins aufgeheizte Hirn. Was weiß der Herrgott schon