Reisen Band 2. Gerstäcker Friedrich
Читать онлайн книгу.eines Waldbrandes würden, der auf der Melbourne-Seite schon so entsetzlichen Schaden angerichtet. So hatten wir uns in unsere Decken gewickelt und schliefen vortrefflich, und mir träumte, ich hätte einen feuerspeienden Berg bestiegen, und sähe den Krater Lava und Flammen ausstoßen, ja ich konnte deutlich sogar das dumpfe Brausen in seinem Innern hören. Gegen Mitternacht mochte es sein, als ich endlich durch das ganz eigentümliche, aber fortgesetzte Geräusch geweckt wurde, und als ich die Augen aufschlug, lag ich erst eine ganze Weile, und hätte darauf schwören wollen ich träume fort, denn dicht vor mir sah ich klar und deutlich - wie ein Mensch nur mit offenen Augen und anscheinend vollem Bewußtsein etwas sehen kann - Flammen und Funken in die dunkle Nacht hinein stieben. - Ich war doch nicht etwa aus Versehen nach Hawaii geraten!
Als ich etwas bestürzt emporsprang, und nun auch vollkommen munter wurde, sah ich die helle glühende Lohe aus dem alten Stamm wie aus einem Schlot züngelnd heraus /94/schlagen, und die blitzenden Funken hochauf und über uns hin senden. Damit aber nicht zufrieden, fielen sie auch, von einer leichten Brise getragen, gerade über uns hin, und hatten schon mehrere Löcher in unsere Decken gebrannt.
An Schlafen war nun gar nicht mehr zu denken, Einer mußte wenigstens fortwährend Wache halten, daß uns die paar Kleinigkeiten, die wir aus dem Wasser gerettet hatten, nicht auch noch verbrannten, und es blieb nur noch ein Glück, daß diese Nacht wenigstens kein Regen fiel, wir hätten sonst alle Strafen des Wald- und Flußlebens mit einem Male durchgemacht.
Am nächsten Morgen hielten wir einen kurzen Kriegsrat; aber es blieb uns dabei eben nicht viel zu beraten. Wir konnten nur einen Weg einschlagen, und zwar den zu Wasser, bis wir entweder ein Haus erreichten und uns dort Schuhe verschafften, oder irgend ein Tier schossen, aus dessen Fell ich uns dann Moccasins gemacht hätte.
So schifften wir uns denn um neun Uhr etwa auf's Neue ein, und ich ruderte den ganzen Tag, ohne daß wir wieder an irgend eine so gefährliche Stelle als gestern gekommen wären, mit der entsetzlichen Bratpfanne weiter. Es war dies übrigens einer der traurigsten Tage meiner ganzen Reise, denn nicht allein daß ich fast meine ganze Ausrüstung mit einem Teil meiner kleinen Barschaft verloren hatte, nein, das Bewußtsein war es besonders, was mich niederdrückte, die W a s s e r f a h r t dadurch unmöglich gemacht zu sehen, und wenn ich auch fest entschlossen blieb, meinen Marsch unter jeder Bedingung zu Fuß fortzusetzen, mußte ich doch nun meinen lange gehegten und lieb gewonnenen Plan aufgeben, die stillen Wasser- des Murray länger zu befahren.
„Wer weiß, wozu 's gut ist!" sagte ich mir wohl oft, aber ich wußte es wahrhaftig nicht, und mußte es der Alles lindernden Zeit überlassen, das Ganze zum guten Ende zu führen.
Den Tag über schoß ich wieder ein paar Enten, diese aber zu beschleichen, mußte ich aussteigen und am Ufer mehrere Mal hinlaufen. Das Gras war hier niedergebrannt und die kurzen scharfen Stümpfe desselben, dem Auge nicht /95/ sichtbar aber den weichen Füßen nur zu fühlbar, stachen überall empor und verwundeten mir die Sohlen auf das Empfindlichste.
Die Nacht lagerten wir am linken Ufer, und Morgens war der Fluß über zwei Fuß hoch gestiegen. Glücklicherweise hatten wir unser Canoe den Abend vorher gut befestigt gehabt, der Ast, an dem es angebunden lag, stand aber schon unter Wasser. Mit der Bratpfanne ruhig weiter rudernd, trafen wir endlich gegen Mittag eine Fenz, und bald darauf sahen wir das helle Dach einer der niederen Buschhütten aus dem trostlosen Grüns des Waldes vorschauen, die wir mit nicht geringer Freude begrüßten.
Wer aber wohnte hier? - Leser, glaubst Du an Wunder? - nur ruhig, ich habe auch nicht daran geglaubt, bis ich nicht förmlich mit der Nase darauf gestoßen wurde - und ein Wunder war hier geschehen, und um es dir mehr einleuchtend zu machen, will ich Dir erst eine kleine, jedem Deutschen bekannte Anekdote in's Gedächtniß zurückrufen.
Als Mozart eines Tages still und allein in seinem Studierstüblein saß, kam ein Fremder und bestellte auf einen bestimmten Tag ein Requiem bei ihm - es war Mozart's letzte Arbeit - er vollendete das Requiem, starb, und es wurde bei seinem eigenem Begräbnis zum ersten Mal aufgeführt.- Der Fremde kam nie wieder - es war ein Engel gewesen.
Leser, der Mann, der hier wohnte, war ein Schuster, und kurze Zeit vorher war ein Fremder zu ihm gekommen und hatte zwei Paar Schuhe ( e r nannte sie S t i e f e l ) bei ihm bestellt, die er gerade beendigt hatte, und die uns paßten als ob sie für uns gemacht wären - der Fremde war bis jetzt noch nicht gekommen sie abzuholen - Leser, wir accordierten mit dem Mann für die Schuhe - der biedere Mann ließ sich darauf ein, uns diesselben mit Ruder, (Bratpfanne) und Teebüchse mit etwas aufgeweichtem Tabak zu überlassen, und beabsichtigte „für den Fremden" zwei Paar andere anzufertigen. - Ich mochte ihn nicht entmutigen - /96/ die beiden anderen sind aber sicher nie abgeholt, denn wer hat je gelesen, daß Engel Schuhe brauchten!
Wir blieben dort die Nacht, ordneten dann unser Gepäck, und marschierten am nächsten Tag, trotz meinen aufgestochenen und wunden Füßen, trotz allen Schreckensgeschichten von den Blacks und erst kürzlich wieder verübter Mordtaten, stromab, dem noch, wie die Leute sagten, 700 englische Meilen entfernten Adelaide zu.
Der Marsch selber wäre mir nun freilich ganz angenehm gewesen, hätte ich eben — einen andern Reisegefährten gehabt; dieser war ein blutjunger Bursche, der sich gar nichts sagen lassen wollte und mir, im Fall ich wirklich einmal in Gefahr kommen sollte, auch nicht geringste Hülfe gewähren konnte. Meine Meinungen konnt' ich dabei nicht mit ihm austauschen, ihn nichts lehren und nichts von ihm lernen; was also nützte es mir jetzt, die Mühseligkeiten und Gefahren, und später auch die Ehre eines solchen Marsches durch die Wildnis mit ihm zu teilen? Nichtsdestoweniger mochte ich ihn nicht gern allein ziehen lassen, und erst an der sogenannten Woolshed, zu Land etwa 120, zu Wasser vielleicht 400 Meilen von Albury, an einer vollkommen sichern und bewohnten Straße, die nach dem circa 180 Meilen entfernten Melbourne niederführte, kamen wir zu einem Verständniß, nach dem Jeder seine eigene Bahn verfolgen sollte.
Hier übernachteten wir noch einmal zusammen und schieden am nächsten Morgen in Fried' und Freundschaft.
Nun aber leichten Herzens, schulterte ich meine Büchse und wanderte getrosten Mutes allein in die graugrüne Wildnis trostloser Gumbäume, um den wildesten, abenteuerlichsten Marsch zu beginnen, den ich noch in meinem ganzen Leben unternommen.
4.
Marsch durch das Murraytal.
Der Murray verfolgt im Ganzen eine Strömung von Osten nach Westen, vielleicht West-Nordwest-Cours, bis zu dem großen sogenannten „Nordwest-Bend“ oder der nordwestlichen Biegung, wo er sich plötzlich in einem ganz kurzen Bogen nach Süden hinunter dreht. Von der „Woolshed" aus läuft er sich aber eine weite Strecke nach Süden hinunter aus dem Weg, erst ungefähr in der Gegend, wo er den Murrumbidgee aufnimmt, seinen alten Cours wieder, bis eben zum Nordwest-Bend verfolgend. Diese südliche Abneigung geht durch weites Sumpfland, das durch tausend, jetzt trockene Lagunen durchschnitten, mit Teebüschen, Lignum und den verschiedenen Arten von Gum- und Borholz bewachsen ist, und besonders in solcher Dürre die traurigste Einöde bildet, die sich in einer bewaldeten Gegend nur überhaupt denken läßt.
Hier nun läuft eine Art Notkanal, den sich der größere Strom, der weiten Biegung wegen, bei hohem Wasser gebrochen, ziemlich gerade nach Westen ab, und trifft gar nicht sehr weit von der Ausmündung des Murrumbidgee in den Murray wieder mit diesem zusammen. Dieser Kanal wird der Eduardsriver genannt, unterhält aber kein fließendes Wasser — ausgenommen wenn der Hume hoch genug gestiegen ist, ihn zu füllen, und wird im Sommer, wie alle übrigen Wasser Australiens, durch eine Kette von Lachen bezeichnet, so daß die Lagunen oder auch Billibongs, wie sie sehr häufig von den Ansiedlern genannt werden, nur hier und da an ihren tiefsten Stellen noch stehen gebliebenes, grünes, übelriechendes Wasser von der letzten Flut enthielten. Entsetzlich war aber die Einfassung derselben, die ich gewöhnlich, selbst bis zum letzten Augenblick, mit nicht zu überwindendem Schauder betrachten mußte. Das arme unglückliche Vieh, besonders die Rinder, die den Boden von Allem entblößt /98/ fanden, was ihnen nur die geringste Nahrung bieten konnte, zu schwach, selbst nach dem Murray hinunter zu gehen, wo ihnen die steilen, gefährlichen Uferbänke ebenfalls nur selten einen sichern Trinkplatz gestatteten, suchten ihren Durst da zu löschen, wo ihnen ganz in der Nähe anscheinend die Gelegenheit leicht dazu geboten wurde - und furchtbar