Nach Amerika! Bd. 1. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 1 - Gerstäcker Friedrich


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«Heimlich? – So ?» sagte der Aktuar. «Den freundlichen Geber wollen wir also vor allen Dingen einmal herauszubekommen suchen.»

       «Es ist heute mein Geburtstag», sagte Clara leise und errötend.

       «Ohr !» meinte Herr Ledermann mit einem freundlichen Lächeln. «Da tut es mir freilich leid, meine ganz ergebensten Gratulationen zu keiner angenehmeren Zeit vorbringen zu können; will eben nicht passen bei einer solchen Untersuchung, kann es aber doch auch nicht geradezu hinunterschlucken. – Ich gratuliere eben nicht zur Untersuchung.»

       «Es muß gewiß ein gesegnetes Land sein», sagte Henkel mit einem leisen, halb boshaften Lächeln, «wo die Polizei sogar witzig sein kann.»

       «Hm», meinte der lange Aktuar, sich nach dem Sprecher umdrehend, «die Polizei macht eben keinen Anspruch darauf, und ist das meistens Privateigentum. Aber wir wollen die Zeit nicht mit Allotrien vergeuden; ist nicht herauszubekommen, wer den Blumenstock hier während Ihrer Abwesenheit in das Zimmer gesetzt hat?»

       «Jedenfalls müssen die Dienstboten darum wissen», sagte der junge Henkel, «und es wird das Beste sein, sie einzeln darum zu befragen.»

       «Allerdings – Einzelverhör hat überhaupt viele Vorteile; bitte, schicken Sie einmal die Leute herauf, daß man vor allen Dingen ihre Gesichter zu sehen bekommt.»

       «Aber nicht hier, Väterchen, nicht war, nicht hier in meiner Stube?» bat Clara. «Ich würde den fatalen Gedanken im Leben nicht wieder los.»

       «Wir wollen in das untere Zimmer hinuntergehen», sagte Herr Dollinger, freundlich dem Wunsch der Tochter nachgebend. «Es läßt sich das dort ebenso gut abmachen als hier.»

       «Manchmal ist der Platz des Verbrechens selber der geeignetste», warf der Aktuar ein, «aber wie Sie wünschen – nur um Eins möchte ich Sie noch vorher bitten: daß ich mir einmal die Stelle oder das Fenster ansehen darf, durch das sich, Ihrer Vermutung nach, der oder die Diebe entfernt haben könnten.»

       «In unserem Schlafzimmer?»

       «Doch durch diese Tür?»

       «Lieber Henkel, Sie sind wohl indessen so freundlich, meine Leute untern zusammenzurufen; wir kommen gleich hinunter. Sie werden heut viel belästigt.»

       «Aber ich bitte Sie, bester Herr Dollinger», sagte der junge Mann, rasch seinen Hut aufgreifend, «wenn ich Ihnen nur darin von irgendeinem wirklichen Nutzen sein könnte. Lieber erlauben Sie mir vielleicht mit Ihnen einer möglichen Spur zu folgen, denn meine Augen sind darin vielleicht schärfer als manche andere.»

       «Es wird in der Dunkelheit nicht eben mehr viel zu spüren geben», meinte indes der Aktuar, «das werden wir uns müssen auf morgen früh aufsparen – also jetzt noch das Fenster, wenn ich bitten darf – ich möchte mir nur die Gelegenheit einmal von oben besehen.»

       Clara selber öffnete die Tür und führte den Aktuar mit ihrem Vater in das kleine freundliche Gemach, dessen beide schon von Blätter schießenden Weinranken überzogene Fenster auf den Garten hinaussahen. Das eine Fenster war allerdings geöffnet gewesen, aber der Rankenwuchs so dicht zusammenge-zogen, daß sich ein Körper kaum hätte hindurchzwingen können. Die Höhe nach dem Garten hinunter – und gerade unter dem Fenster sollte ein kleiner Rasenplatz sein – war eben nicht beträchtlich, vielleicht zehn oder zwölf Fuß, und unten umgab niederer, aber ziemlich dichter Hollunder den Rasen. Im Zimmer selber ließ sich aber nicht das Mindeste erkennen, das einen solchen Verdacht unterstützt hätte; das Einzige, was dafür sprach, war die aufgeschlossene Tür.

       In der Unterstube des Hauses waren indessen die Dienstleute versammelt worden, um streng examiniert zu werden. Der Hausmagd vor allen anderen lag die Pflicht ob, die Etage, wenn sie nach unten in die Küche ging, in Abwesenheit der Herrschaft verschlossen zu halten. Diese aber behauptete steif und fest, und weinte dabei und rief Gott und alle Heiligen zu Zeugen an, daß sie die Vorsaaltür auch ordentlich ,zweimal herum’ abgeschlossen und den Schlüssel zu sich gesteckt hätte, und niemand in der weiten Gotteswelt gesehen habe, der das Haus in der Zeit betreten haben könne. Trotzdem aber sei die Vorsaaltür, als sie wieder nach oben gekommen, offen, wenigstens aufgeschlossen, wenn auch zugeklinkt gewesen, und sie hätte selber im Anfang nicht begreifen können, wie das möglich wäre, aber auch nicht weiter darüber nachgedacht und es ihrer eigenen Unaufmerksamkeit zugeschoben. Nach der Abfahrt der Herrschaft sei sie aber nur eine ganz, ganz kurze Zeit unten geblieben, um – sie wollte erst nicht mit der Sprache heraus, aber der Herr Aktuar drängte gar zu sehr – um den jungen Herrn Henkel fortreiten zu sehen. Nachher mochte sie vielleicht noch zehn Minuten der Köchin geholfen haben und war dann nicht wieder von dem Vorsaal oben fortgekommen, auf dessen Balkon sie gesessen und genäht hatte. In d e r Zeit habe niemand mehr den Vorsaal oder des Fräuleins Zimmer betreten, darauf wollte sie das heilige Abendmahl nehmen, und der Diebstahl müsse jedenfalls in den paar Minuten, die zwischen dem Fortreiten des jungen Herrn und ihrem eigenen Wiederhinaufgehen nach oben gelegen hätten, verübt sein – anders war es nicht möglich.

       «Wer aber hat den Blumenstock in des Fräuleins Zimmer gestellt?»

       «Einen Blumenstock? – Während die Herrschaft fort war?»

       «Allerdings, eine Monatsrose – in das Fenster nächst der Tür.»

       Der d a s getan hat, müsse damit zum Fenster oder in derselben Zeit mit einem Nachschlüssel zur Tür hereingekommen sein, als der Diebstahl verübt worden, denn s i e hätte keine Seele im Hause gesehen.

       Die Dienstboten hatten indessen miteinander geflüstert, als der Aktuar das Wort nahm und mit langsam bedächtiger, aber ziemlich ernster Stimme sagte:

       «Hört einmal, Leute, ich will Euch etwas sagen: Ihr habt Euch da gut unschuldig stellen, als ob Ihr eben erst auf die Welt gekommen wäret; damit dringt Ihr aber nicht durch. Das Geld ist fort – I h r seid die einzigen, die unter der Zeit im Haus waren, und Eure Pflicht wäre es gewesen….»

       «Aber, Herr Aktuarius….»

       «Ruhe da, wenn ich Euch etwas mitzuteilen habe – und Eure Pflicht wäre es gewesen, sag’ ich, aufzupassen, daß niemand Fremdes den Platz betrat, der Euch anvertraut war und für den Ihr also auch in der Zeit zu stehen hattet. Jemand i s t aber in der Zeit dagewesen und hat etwas gebracht und etwas geholt, und man wird sich jetzt an E u c h halten müssen, bis der Jemand ausfindig gemacht ist. – Was gibt’s da hinten – w a s ist gekommen?»

       «Dullmanns Rieke von über dem Weg drüben», sagte die Köchin jetzt, gegen den Aktuar vortretend, «will den Loßenwerder haben heimlich aus dem Haus schleichen sehen. Da h a b e n Sie einen; u n s brauchen Sie so etwas nicht unter die Nase zu reiben, Herr Aktuar – wir sind ehrliche Dienstboten, die sich ihr bißchen Brot sauer genug im Schweiße ihres Angesichts….»

       «Ach, halt’ Sie das Maul!» fiel ihr aber der Aktuar etwas unsanft in die Rede. « W e r ist im Haus gewesen, Loßenwerder? – Und heimlich hinausgeschlichen? – W e r hat ihn gesehen?»

       «Hier die Rieke von Dullmanns.»

       «Wann war das?» fragte der Aktuar das jetzt vorgeschobene Mädchen, das feuerrot wurde und ihren einen Schürzenzipfel anfing wie einen Plumpsack zusammenzudrehen. Erst ganz kurze Zeit vorher hatte sie einer ihrer Freundinnen im Dollinger’schen Haus, und gewiß nicht in der Absicht, die Mitteilung gemacht, gleich damit, ohne weitere Warnung, vor die Polizei gezogen zu werden.

      «Nun, Mamsell – wie hieß sie? – Rieke? – Wann haben Sie Loßenwerder aus dem Haus kommen sehen, und ist er ruhig hinausgegangen oder geschlichen ?»

       «Wenn Loßenwerder im Haus war», sagte Herr Dollinger, «so wird er auch ordentlich hinaus g e g a n g e n und nicht geschlichen sein; der wäre der Letzte, dem ich so etwas zutrauen möchte.»

       «Die Rieke behauptet», fiel aber hier die Köchin in dem Bewußtsein unrechtlich gekränkten Ehrgefühls rasch ein, «daß sie gar nicht auf ihn geachtet haben würde, wenn er sich nicht so schnell und heimlich und dicht unter den Fenstern am Hause hingedrückt hätte. Wer kein böses Gewissen hat, kann gerade


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