Integration von Muslimen. Ino Weber
Читать онлайн книгу.modernen Zivilisation, allzumal die Menschenrechte, Stellung zu beziehen.
Ein weiterer eklatanter Widerspruch in ihrer Haltung scheint den eingefleischten Kulturrelativisten gar nicht mehr aufzufallen. Man verabscheut den Rassismus aus tiefstem Herzen, hält ihn für absolut unmoralisch, will diese Überzeugung jedoch mit einer amoralischen Argumentation verdeutlichen, ja mit einer selbst auferlegten Blindheit für ethische Belange! Dies ist wohl nicht weniger verabscheuungswürdig als der beklagte Rassismus. Und darüber hinaus beinhaltet es ein Maß an absichtlicher Dummheit (!), das jeden Rechtsextremismus und seine Vorurteile noch in den Schatten stellt.
Wen will man denn mit dieser Haltung überhaupt beeindrucken? Wen will man bekehren? Und wozu, etwa zum besseren oder klügeren Menschsein? Auch wenn die moralische Indifferenz nach außen nur zur Schau gestellt wird, rhetorisch hübsch verpackt, oder schlicht die Attitüde vorherrscht, andere zu provozieren, dies ist mit Sicherheit der falsche Weg. In dieser unausgegorenen Haltung redet man einer Integrationsverweigerung das Wort und ist somit nichts anderes als verantwortungslos gegenüber Staat und Bürgerschaft. Man schürt Ressentiments, anstatt sie abzubauen! Gerade die vermeintlichen Rassisten im Land werden durch irrwitzige intellektuelle Klimmzüge dieser Art gewiss nicht beeindruckt, aber alle übrigen, die sich aus ehrlichem Antrieb für die Menschenrechte einsetzen und diese aus innerster Überzeugung befürworten, werden arg vergrätzt, ihnen wird das Leben unnötig schwer gemacht.
So sollten sich die Ideologen unter den Kulturrelativisten, die auch in der Öffentlichkeit auftreten und versuchen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, endlich einmal gründlich überlegen, was sie überhaupt gesellschaftspolitisch wollen und ob ihre geistigen Methoden die richtigen sind.
Das hauptsächliche Manko dieser Denkweise ist, wie gesagt, eine moralische Fehlhaltung. Wir können dies noch präziser und wissenschaftlich korrekter formulieren: Man verkennt, dass es eine universelle Ethik gibt, deren zentraler Bestandteil die allgemeinen Menschenrechte sind und dass sich in Bezug darauf jeder kulturrelativistische Ansatz aus humanen Gründen streng verbietet. Die tatsächliche Universalität dieser Ethik zu bestreiten, führt im Endeffekt zu einer Duldung und Rechtfertigung von objektiv gegebener Grausamkeit. Es sollte für jeden vernünftigen Menschen selbstverständlich sein, eine derart falsche Toleranz zu durchschauen und folglich die unangebrachten Rechtfertigungen zu unterlassen.
Angesichts der Missverständnisse kann es leicht geschehen, in Zorn zu geraten und die Argumente entsprechend harsch zu formulieren. Die Position pro Menschrechte, stark von Empathie getragen, hat in jedem Fall die größte Überzeugungskraft. Rassisten verstoßen ja ebenfalls gegen die Menschenrechte, indem sie andere diskriminieren. Der Einsatz für die Menschenrechte ist der gemeinsame Nenner, aber der Kampf gegen den Rassismus nur ein Nebenprodukt. Sich zu sehr darauf zu fokussieren, wie es nicht wenige Kulturrelativisten tun, kann in die Irre führen. – Mögen die Intellektuellen besser erkennen, was eine ehrenwerte und wirklich kluge Haltung ist, wen man folglich unterstützen sollte und vor allem, dass man den Bemühungen um die gesamtgesellschaftliche Anerkennung und Durchsetzung der Menschenrechte nicht permanent schaden darf.
Seyran Ates hat zu dieser Thematik eine sehr klare Meinung, sie spricht sich dagegen aus, „Minderheiten kulturrelativistisch mit Samthandschuhen anzufassen, aus der allgegenwärtigen Angst heraus, ihnen zu nahe zu treten“. Und sie fügt eine wichtige Feststellung hinzu: „Das ist ebenso rassistisch wie das entgegengesetzte Verhalten, nämlich Minderheiten als barbarisch wahrzunehmen …“ („Der Multikulti-Irrtum“, S. 106f) Hinter diese Aussage müsste man eine ganze Seite mit Ausrufungszeichen setzen. Denn genau aus diesem Grund führt sich der Kulturrelativismus ad absurdum, fast auf intellektuell tragische Weise, weil er auf keinen Fall den Rassisten das Feld überlassen möchte, aber in seinem Extrem selber eine andersartige und nicht weniger hässliche Form von Rassismus darstellt. Und haargenau deshalb, aufgrund dieser schlimmen doppelten Unzulänglichkeit, intellektuell und menschlich, machen uns die Wortführer des Kulturrelativismus oft derart wütend. Man kann es einfach nicht verstehen, wie eine solche geistige Härte und Hartherzigkeit überhaupt möglich ist. Aber unter den Islamisten sind ja ebenfalls viele hochintelligente Menschen, die nur leider ihren Intellekt zum Schaden der Zivilisation fokussieren.
Es kann doch gar kein Zweifel daran bestehen, dass die Opfer von häuslicher Gewalt in den muslimischen Familien besser geschützt werden sollten und dazu muss man a) die besonderen Verhältnisse zur Kenntnis nehmen und b) über die Hintergründe und Ursachen Bescheid wissen. „Gleichzeitig bedarf es einer Einigung darüber, dass Kritik geübt und alles als verachtenswerte Tradition verurteilt und bekämpft werden darf, was den universellen Menschenrechten widerspricht.“ (S. 107) Dies ist also der Punkt c): Man muss sich hier nicht einfach nur heraus halten, ja man dürfte es eigentlich nicht! Es gibt dafür keine anständige Begründung.
In der Kulturdebatte werden deutliche Worte benötigt, weil Laschheit keine Bewegungen erzeugen kann. Frau Ates und zum Beispiel auch Necla Kelek formulieren ihre Aussagen oft so hart und mutig, dass man höchsten Respekt vor ihnen bekommt. Sie werden zwar von einigen gehasst und als Islamhasserinnen verunglimpft, leisten aber dennoch einen wertvollen Beitrag für die politische Willensbildung. Und sie machen es richtig. Solches Engagement ist aufgrund der zähen Widerstände notwendig, damit sich endlich etwas tiefgreifend bewegt in unserem Einwanderungsland.
Traurigerweise hat Seyran Ates schon oft Aussagen wie die folgende von türkischen und kurdischen Männern gehört oder mitbekommen, dass sie genau so denken: „Deutschland ist das islamischste Land, der Welt. Hier herrschen Religionsfreiheit und Demokratie. Hier kann ich mit meiner Frau machen, was ich will. Ich muss mich nur auf meine Religion berufen.“ (S. 115, Wortlaut am Anfang grammatikalisch leicht geändert)
Ist so etwas etwa mit der Würde unseres Landes noch irgendwie vereinbar? Sollen die hohen Prinzipien nur auf dem Papier stehen, aber keine echte Gültigkeit mehr haben?
Muslime gehören zur deutschen Gesellschaft und die übergroße Mehrheit verdient denselben Respekt wie jeder Christ, Jude oder Andersgläubige. Menschlicher Respekt, der sich an einzelnen Personen orientiert und nicht an Gruppenzugehörigkeiten festmacht, ist ohnehin die Grundlage unseres Zusammenlebens. Das hat sich noch nicht überall herum gesprochen. Es entspricht auch keineswegs der Gefühlslage in weiten Kreisen des Landes. Nun aber einen Teil der Deutschen oder gleich das ganze Volk mehr oder weniger offen und immer wieder als rassistisch zu diffamieren, vergiftet die Atmosphäre zusätzlich. Gerade in diesem Punkt haben viele Macher von Innenpolitik und einseitig argumentierende Kulturrelativisten noch erheblichen Lernbedarf.
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