Sisgard und Alveradis. Norbert Wibben

Читать онлайн книгу.

Sisgard und Alveradis - Norbert Wibben


Скачать книгу
müssen wir uns trennen«, antwortet Sören. »Ist das klug? Wir schwächen uns vielleicht unnötigerweise.«

      »Was heißt hier unnötigerweise? Vielleicht haben wir jetzt die Möglichkeit, zwei Armreife zu erbeuten! Hier haben wir es mit der Ausbilderin Erdmuthe und einem Mädchen zu tun, das erst ein Zauberlehrling ist. Erdmuthe ist mittlerweile sehr alt und sicher nicht besonders reaktionsschnell. Das Mädchen ist noch nicht als ernsthafter Gegner zu sehen. Also sollten für deren Überwältigung zwei von uns mehr als ausreichend sein. Da nur ich weiß, wo die beiden anderen Orte sind, werde ich die Überprüfung selbst machen müssen. Alles andere kostet unnötig Zeit.«

      Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu:

      »Sören, du bleibst mit Gunnar hier und setzt die Suche fort. Wenn es vorteilhaft ist, beginnt mit dem Angriff. Sonst wartet bis zu unserer Rückkehr. Ihr anderen beiden kommt mit mir. Wir sind zu dritt stark genug, einem etwaigen Angriff begegnen zu können.

      Wir werden die beiden Orte nacheinander kontrollieren. Treffen wir einen der Auserwählten, kann die folgende Auseinandersetzung etwas Zeit in Anspruch nehmen.

      Finden wir aber keinen, werden wir bald zurück sein.«

      Die drei fassen sich an den Händen und sind verschwunden.

      Eila blickt zu Finley, der mit seiner linken Hand das Medaillon unter seinem Obergewand umfasst. Seinen rechten Arm hält er schützend vor das Mädchen. Beide blicken sich an. Sie sind zum Kampf bereit.

      Die Wölfe und die dunklen Gestalten haben sich bereits auf dem Gelände verteilt, wovon einige auf dem Weg zu dem Versteck der jungen Zauberer sind. Nun bleiben sie stehen. Auf was warten sie? Sie kann die etwas gesenkten Köpfe mit den nach vorne gerichteten Ohren der Wölfe sehen. Sie müssen doch ihre Spur oder Albin wittern! Die dunklen Gestalten diskutieren heftig, dann sind plötzlich drei von ihnen verschwunden.

      In diesem Moment bewegen sich die Wölfe wieder, und die verbliebenen zwei Männer in ihren dunklen Umhängen folgen ihnen.

      Eilas Herz hämmert wild. Der erste Wolf steht nach kurzer Zeit direkt vor ihr. Er hechelt und prüft schnuppernd die Luft. Jetzt blickt sie direkt in seine Augen. Aus den Augenwinkeln sieht sie, wie Finley seinen rechten Arm erhebt. Er ist bereit, einen Blitz zu schleudern, doch sie berührt seine Hand und hält ihn zurück.

      »Nicht«, flüstert sie fast unhörbar.

      Jetzt passiert es! Der Wolf öffnet sein Maul, wittert noch einmal, zögert etwas und dreht sich dann zur Seite, um die anderen Gräber abzusuchen.

      »Das war knapp«, flüstert Finley. »Aber es hat funktioniert. Ich bin beeindruckt!«

      Weitere Wölfe kommen nach und nach witternd zu ihnen, um doch erfolglos abzudrehen. Den beiden Zauberern in den dunklen Umhängen fällt nichts an deren Verhalten auf. Trotzdem gehen auch sie an den Gräbern entlang und betrachten den Boden genau. Können sie vielleicht Fußspuren erkennen, argwöhnt Eila. Jetzt bleibt einer von ihnen stehen. Er beugt sich näher zum Grab herab. Eila erkennt ihn, es ist der von den fünf Zauberern aus ihren hellgesehenen Sequenzen, der in dem Buch die Stelle zur Ortung der Armreife entdeckte. Sie sieht sein freudiges Grinsen erneut vor sich.

      Nein, sie täuscht sich, er blickt nicht freudig, sondern eher fragend. Dann wandelt sich sein Blick in einen zweifelnden Ausdruck. Nun erhebt er sich und geht kopfschüttelnd, wie in Gedanken, zu dem anderen.

      »Hast du etwas entdeckt?«, fragt dieser.

      »Ich dachte, da wäre etwas, aber ich habe mich getäuscht. Da ist nichts! Lass uns im Haus nachsehen und ebenso zwischen den Klosterruinen. Dort könnten sie sich versteckt haben! Ich bemerkte vorhin auch eine Turmruine, die wäre auch ein gutes Versteck.«

      Nachdem sich beide etwas entfernt haben, sehen Eila und Finley die Luft flirren. Sofort stehen die drei anderen Zauberer wieder dort, wo sie vorhin verschwunden waren. Alle fünf sprechen miteinander und schütteln ihre Köpfe. Jetzt verteilen sie sich weitläufig. Zwei betreten Erdmuthes Haus. Nach einer langen Zeit kommen sie heraus und gehen in Richtung der Ruinen.

      Finley und Eila atmen auf, wagen sich aber noch lange nicht aus ihrem Versteck.

      Mehrere Stunden haben sie jetzt weder einen Wolf, noch einen der Zauberer gesehen. Sie sind offenbar alleine auf dem Klostergelände. Vorsichtshalber warten sie aber doch noch bis zum Spätnachmittag, dann hebt Eila mit »Incantamentum inhibeo« die Schutzzauber auf.

      Albin schüttelt sich so ausgiebig, als wolle er jedes einzelne Haar seines Fells in dessen übliche Stellung bringen. Er wittert zwar den Geruch der Wölfe, aber der ist eindeutig schon sehr alt. Er knurrt nicht, sondern blickt fragend zu Eila. Auf ihr Nicken beginnt er, den alten Spuren der Wölfe zu folgen, während Finley und sie vorsichtig hinterherschleichen. Die Durchsuchung des Geländes dauert bis zum Einsetzen der Dämmerung.

      Sie sind alleine!

      Aufatmend kehren sie zu Erdmuthes Haus zurück.

      Eila ist entsetzt. Es ist alles durchwühlt worden. Die Schränke mit den Vorräten stehen offen, ihr Inhalt ist zum Teil auf dem Boden verstreut. Noch schlimmer sieht es in den Schlafräumen aus. Hier liegt alles wild durcheinander. Die Betten sind aufgeschlitzt und Federn wirbeln beim Betreten der Räume auf. Gemeinsam schaffen sie etwas Ordnung in dem Durcheinander. Anschließend setzen sie sich erschöpft, um sich bei einem kleinen Abendessen etwas zu erholen.

      »Wie wollen wir jetzt vorgehen? Bleiben wir heute Nacht hier, um mit dem Morgengrauen aufzubrechen, oder machen wir uns sofort auf den Weg?« Finley blickt das Mädchen fragend an.

      »Ich kann mir nicht vorstellen, dass unser »Besuch« noch einmal zurückkommt. Darum bin ich dafür, erst morgen fortzugehen«, antwortet sie.

      »Vermutlich hast du Recht. Warum sollten sie noch einmal zurückkommen, da sie nichts gefunden haben. Sie wollten wohl Erdmuthe und dich ergreifen, oder töten«, fügt er etwas leiser hinzu. »Aber woher wussten sie, dass du hier bist? – Wie im letzten Jahr bin ich davon überzeugt, dass sie überall Späher haben. Das können auch Vögel sein, weshalb wir vielleicht besser im Schutz der Nacht aufbrechen sollten!«

      Als Eila nachdenklich nickt, ergänzt er: »Du könntest aber auch einen weiteren deiner »selbstgemachten« Zauber sprechen. Selbst wenn wir dann mitten durch eine Gruppe zusammenstehender Dubharan gehen würden, blieben wir unentdeckt!«

      Obwohl sie auffahren will, lässt er sich nicht unterbrechen. »Ehrlich, ich bin erstaunt über deine Fähigkeiten! Du warst fantastisch, wirklich! Ich danke dir, dass du uns gerettet hast! Hätte ich den ersten Wolf mit einem Blitz getötet, wäre ein Kampf unvermeidlich gewesen. Und den hätten wir verloren, wenn ich uns nicht mit einem magischen Sprung in Sicherheit hätte bringen können.« Finley blickt sie dabei mit großen Augen an. »Da du dabei deine Zaubertalente eingebüßt hättest, wäre das von mir unverzeihlich gewesen!«

      »Wenn du uns nur so hättest retten können, wäre das doch nicht schlimm! Aber ich bin natürlich froh, dass du mir vertraut hast!« Sie blickt dankbar zurück. »Einen Zauber, der uns auf unserer Reise verbergen könnte, kenne ich noch nicht. Ich werde aber darüber nachdenken! Vielleicht eine Kombination aus …«, hier schweigt sie nachdenklich.

      »Jetzt hör aber auf! Das war eben nur Spaß. Wir sollten besser entscheiden, ob wir jetzt aufbrechen oder nicht. Ich vertraue deinem Gespür, nun sag schon.« Er schaut sie erwartungsvoll an.

      »Also gut, dann bleiben wir diese Nacht noch hier.«

      »Abgemacht. Ich kenne mich mit Defensivzaubern aber nicht so gut aus, wie mit denen für einen Angriff. Darum solltest du unbedingt deinen bewährten Zauber zu unserem Schutz über das Haus legen, oder ist das zu schwierig?«, zögert er dann doch.

      »Ich denke, das wird schon gehen. Ich habe ja Unterstützung durch meinen Armreif!«


Скачать книгу