Buntes Treiben. Gerstäcker Friedrich
Читать онлайн книгу.er schon die ganze Zeit versteckt im Aermel trägt."
„Und wenn es entdeckt wird?"
„Wer kann es beweisen?"
„Und wer ist Nr. 325 ?"
„Ein reizendes Wesen, sage ich Dir, ein wahrer Engel, /118/ die sich selber das Loos bei mir geholt hat und gar so lieb und verschämt aussah, als sie mir das Geld einhändigte."
„Und Du hast es von ihr genommen?"
„Lieber Freund, in Geldsachen hört - allen bekannten Erfahrungen nach - die Gemüthlichkeit auf, und ich nahm es ja außerdem auch nur deshalb, um es ihr vielhundertfältig wieder zurück zu erstatten."
Chalker saß auf seinem Stuhl, rauchte, trank Champagner dazu und schüttelte unaufhörlich mit dem Kopf.
„Du kannst aber die Verlosung doch nicht etwa heimlich abmachen," sagte er endlich, „und nachher nur die betreffende Nummer in Deinem Blatt anzeigen?"
„Gott bewahre - ich denke gar nicht daran," rief Scissors. „Wenn Du Dich auf die verschiedenen Ankündigungen besinnst, so mußt Du ja aus denen schon ersehen haben, daß die ganze Verlosung vollkommen öffentlich betrieben wird. Sämmtliche Interessenten werden feierlichst eingeladen, Theil an dem Actus zu nehmen - je mehr Menschen wir dabei haben, desto besser, denn desto öffentlicher wird dann gleich das Resultat und ein Widerspruch von vornherein zur Unmöglichkeit. Glaube mir, Dick, ich habe mir das Alles reiflich überlegt, und Du kannst Dir doch wohl denken, daß ich in einer Sache, bei der Alles für mich auf dem Spiele steht, nicht so leicht einen dummen Streich machen werde."
„Na, wir wollen's hoffen," sagte Chalker - „ein Betrug bleibt's aber immer."
„Aber doch nicht für mich!" rief Scissors - „ich bekomme doch jedenfalls zu den zehntausend Dollarn, die ich schon habe, eine Frau, mit der ich das Capital theile, nicht wahr?"
„Allerdings -"
„Also ich thue weiter nichts, als unbemerkt dem Schicksal die Hand zu führen, damit es nicht etwa blind und dann auch wahrscheinlich höchst ungeschickt in die Urne greift, sondern mir den Namen der Richtigen herauszieht. Wenn ich jetzt mit dem Gelde, ohne Frau, davonliefe, ja dann hättest Du Recht, dann wäre es ein Betrug, den ich nicht einmal vor mir selber verantworten möchte, aber so doch wahrhaftig nicht!" /119/
„Und lebt Deine Auserwählte hier in Memphis?"
„Nein. Sie muß irgendwo im innern Land zu Hause sein und befand sich hier nur eine Zeit lang bei einer alten Tante zum Besuch. Ich habe mich aber, wie Du Dir wohl denken kannst und begreiflich finden wirst, gar nicht nach ihr erkundigen dürfen. Ich bin ihr sogar einmal, mit ihrer Tante, auf der Straße begegnet und habe sie - Du wirst gewiß meine Zurückhaltung bewundern - nicht einmal gegrüßt. Mich kannte sie aber, denn als ich an ihr anscheinend gleichgültig vorüberging, merkte ich gut genug, daß sie bis hinter die Ohren roth wurde. Ich sage Dir, es ist ein himmlisches Mädchen."
Chalker lachte. - „Jetzt ist sie nicht mehr hier?"
„Ich weiß es nicht - ich habe sie wenigstens seit vierzehn Tagen nicht mehr gesehen und kenne auch ihre Wohnung nur von außen - dicht neben der Bank in dem neuen Backsteinhaus. Es müssen wohlhabende Leute sein."
„Vielleicht eine arme Verwandte."
„Und wenn auch, was schadet das? Wir haben zusammen ein Capital, mit dem man hier in Amerika schon etwas anfangen kann, und wenn wir das zusammenhalten, so müßte es mit dem Bösen zugehen, oder ich bringe es noch zu etwas Bedeutendem in den Staaten. Jedenfalls denke ich, die Zeitung gleich nach der Lotterie aufzugeben und meine advocatorische Praxis wieder aufzunehmen. Der Advertiser hat seine Schuldigkeit gethan - er kann gehen, wie jener Nigger in dem deutschen Drama sagt."5
„Und Du willst hier in Memphis bleiben?"
„Gewiß. Hier bin ich durch die Lotterie bekannt geworden. Mein Name ist seit den letzten vier Wochen in Aller Munde, und ich mag jetzt anfangen, was ich will, ich muß reussiren."
„Hast Du die zehntausend Dollars beisammen?"
„Ich sage Dir ja, ich bin - nach Bezahlung meiner sämmtlichen Schulden, schon im elften Tausend und somit ein gemachter Mann."
„All right then," rief Chalker, der als ächter Yankee auch gerade nichts besonders Unrechtes in einer derartigen Täuschung sah. Die Sache war jedenfalls smart angelegt, die /120/ Hauptsache in allen amerikanischen Unternehmungen, und das entschuldigte eben so gut hölzerne Schinken und Muskatnüsse, wie Unterschiebung eines Looses in einer solchen Lotterie. Die weitere Unterredung mit dem Freunde betraf auch von da ab nicht mehr die rechtliche Seite des Unternehmens, sondern nur die verschiedenen Mittel und Wege, um es geschickt durchzuführen, und darüber verständigten sie sich bald und leicht.
*
Es sind merkwürdigere Unternehmungen in Amerika in's Leben gerufen und durchgeführt worden, als die Auslosung eines jungen hübschen Mannes, und die Sache an sich war nicht einmal neu. Aber das schadete nichts, sie blieb jedenfalls pikant, und daß sich ganz Memphis dafür auf das Lebhafteste interessirte, läßt sich denken.
Wie der Tag heranrückte, machte denn auch der Wirth des Hotels, in welchem die Verlosung stattfinden sollte, die nöthigen Vorbereitungen, um dem Ganzen einen würdigen und zugleich freundlichen Anstrich zu geben. Das Hotel wurde von oben bis unten mit grünen Büschen besteckt, und der Saal besonders, in welchem dieselbe stattfinden sollte, auf das Geschmackvollste decorirt. Scissors arrangirte das selber mit und baute vorzüglich an dem Platz, an welchem die verhängnißvolle, aber von ihm nicht mehr gefürchtete Urne aufgestellt werden sollte, eine ordentliche Laube von Buschwerk und tropischen Pflanzen auf, hinter welcher der kleine Negerjunge schon allein halb versteckt stand. Erst als Alles beendet und die Zeit auf Nachmittags halb zwei Uhr festgestellt war, da um ein Uhr noch die Post von Nashville eintraf, und diese möglich ankommender Theilhaber wegen abgewartet werden mußte, verließ er das Hotel wieder, um mit Chalker in der untern Stadt - dem sogenannten Memphis below the bluff - sein Mittagsmahl zu verzehren. Er war oben in der Stadt zu viel geneckt worden und wollte dem leichtfertigen und übermüthigen jungen Volk etwas aus dem Wege gehen.
„Sage einmal, um was ich Dich schon immer die letzten /121/ Tage fragen wollte," meinte Chalker, indem sie zusammen den ziemlich steilen Fahrweg hinabschritten, „hast Du Deine Dulcinea noch nicht wieder gesehen?"
„Heute," rief Scissors, indem er den Arm des Freundes preßte - „vor kaum einer Stunde, als ich eben eigenhändig ein paar Blumentöpfe in das Hotel trug. - Sie ist da - sie ist bei Gott gekommen, und ich gebe Dir mein Wort, sie sah zum Anbeißen aus. Es ist eins der hübschesten Mädchen in ganz Tennessee, und wenn sie nicht schon früher Gefallen an mir gefunden hätte, ohne daß ich selber etwas Derartiges ahnte - so würde sie doch wahrhaftig kein Loos genommen haben, denn wenn es Eine im ganzen Staat nicht nöthig hat, auf solche Art unter die Haube zu kommen, so ist sie das gewiß."
„Und wie heißt sie?"
„Ich glaube, sie heißt Mary Brown, obgleich ihr Zuname nur Vermuthung ist. Ich hörte neulich von einer Miß Mary Brown, die in dem nämlichen Hause zum Besuch gewesen sein sollte, und den Namen Mary hat sie mir selber angegeben; weiter wollte sie mir aber nichts sagen und meinte nur mit ihrer silberhellen lieben Stimme, ich solle ein Kreuz dahinter machen; das genüge vollkommen, um das Loos nachher zu constatiren, wenn - Du hättest sehen sollen, wie lieblich sie dabei erröthete - es wirklich gewönne."
„Nun," meinte Chalker, „auf den Namen kommt allerdings nichts an, denn das Loos, oder vielmehr dessen Nummer entscheidet Alles. - Uebrigens ist das ein gutes Zeichen, daß Du sie wieder in Memphis gesehen hast, denn es beweist jedenfalls, daß sie ein reges Interesse an dem Erfolg nimmt - sie wäre sonst nicht dazu herüber gekommen. Hast Du sie gegrüßt?"
„Heute konnte ich mir nicht helfen," versicherte Scissors - „ich hätte beinah den einen Blumentopf fallen lassen. Sie kam mir auch zu unerwartet - sie bog gerade um eine Ecke, und wie ich sie vor mir und in ihr liebes herziges Gesicht sah, rief ich unwillkürlich aus: Wie geht's, Miß Mary - freue mich unendlich, daß Sie gekommen