Ein Mann will nach oben. Ханс Фаллада
Читать онлайн книгу.kleinen, dicken Alten. »Diese Nähmaschine? Aber Frollein haben einen Blick, die beste Maschine, die ich auf Lager habe! Echt englisches Fabrikat, durch und durch englisch! Unter uns, Fräulein, die deutschen Maschinen taugen alle nichts! Aber das wissen Sie besser als ich! Nicht wahr, Mieze, das Fräulein hat den Blick –?« Frau Mieze Hagedorn sah Rieke nur noch mürrischer an. »Aber nun, Mieze, zeig dem Fräulein mal die Bedienung!« Er schob seine Frau schon wieder weg. »Das ist das Schiffchen. Frollein, sehen Sie das Schiffchen? Echt englisch! Rundschiffchen! Nicht die Langschiffchen wie bei den deutschen Maschinen! Und wenn Sie nun spulen wollen – Mieze, zeig dem Frollein doch das Spulen –!«
»Det weeß ick allens alleene«, sagte Rieke unerschüttert. »Reden Se sich bloß nich in Brand, Männecken. Wat soll denn die Maschine kosten?«
»Ach, kein Geld, kein Geld! Echt englisch, Sie müssen das bedenken, Frollein, die Zölle! Die Zölle fressen einen ja auf! Eine deutsche Maschine wie die da ist natürlich zwanzig Taler billiger! Mieze, rück doch mal die andere Maschine vor!«
»Lassen Se man, junge Frau, ick weeß schon, wat ick haben will. Wat soll die Maschine kosten? Nu mal ernsthaft!«
»Aber versuchen Sie doch mal, Frollein! Hören Sie bloß mal den Unterschied! Wie laut die näht – da hören Sie gar nichts bei der Engländerin! Mieze, hol doch mal ein Stück Stoff, das Frollein möchte Probe nähen!«
»Se sollen mir saren, wat die Maschine kostet, oder ick jehe bei die Konkurrenz!« Rieke hatte sehr entschlossen gesprochen, sie ging schon auf die Ladentür zu.
»Geschenkt!« rief Hagedorn eilig. »Ich verschenk die Maschine, so wahr ich hier stehe, Frollein! Neunzig Taler, weil Sie es sind, Frollein! Es ist meine letzte englische Maschine, ich sollte sie gar nicht weggeben –«
»Neunzig Taler!« rief Rieke. »Denken Se, ick bin Ihr Affe? Zu meina Mutta –« triumphierender Blick auf Karl Siebrecht – »haben Se am Montag gesagt, se kostet zweihundertfuffzig! Und nu neunzig Taler! Se denken wohl, ick bin ein Kind, det Se schaukeln können?«
»Aber, Frollein, Frollein!« Herr Hagedorn war ganz entsetzt. »Hier muß unbedingt ein falscher Irrtum vorliegen! Die Maschine hat immer neunzig Taler gekostet. Ich kann Ihnen Rechnungen zeigen ...«
»Nu zeijen Se doch!« lachte Rieke ganz ungerührt. »Zweihundertfuffzig, und denn uff Raten, hundert an und der Rest fünf Mark de Woche.«
»Und dann noch auf Raten!« rief Herr Hagedorn. »Nein, an dem Geschäft verlier ich nur –«
»Also denn juten Abend!« sagte Rieke entschlossen und faßte nach der Klinke der Ladentür. »Denn jeh ick ebent zur Konkurrenz! Komm, Karle!«
»Einen Augenblick, Fräulein!« rief plötzlich die dicke kleine Frau Hagedorn. Sie wandte sich zu ihrem Mann und flüsterte eilig mit ihm. Er schien zu widersprechen, die Frau überredete, schalt dann ...
»Du, die hat was vor«, flüsterte Siebrecht zur Rieke. »Wollen wir nicht doch lieber zu einem andern gehen?«
»Wat soll die denn vorhaben? Hauptsache, ick krieje die Maschine so, wie ick se will!«
Frau Hagedorn hatte gesiegt. Sie hatte einen engbedruckten Bogen mit dem Abzahlungsvertrag vor sich hingelegt und sagte mürrisch: »Also meinetwegen, Fräulein, wir wollen mal 'ne Ausnahme machen. Was ist denn Ihr Vater?«
»Maurer.«
Klagend rief Herr Hagedorn: »Das ist auch kein Beruf bei dem Wetter!«
Seine Frau warf ihm einen verweisenden Blick zu und fragte weiter: »Und was ist die Mutter? Aufwartefrau? Warum kommt die denn nicht selber? So, sie ist krank, sie hat dich geschickt –?«
Wieder rief er: »Dann kann sie ja auch nicht nähen, dann hat es ja Zeit mit dem Vertrag!«
Und streng sagte sie: »Jetzt biste mal stille, Max!« Und zu Rieke: »Ja, deine Mutter muß aber unterschreiben!«
Rieke bat fast: »Det jeht doch ooch, det ick for ihr unterschreib? Wo se's mir extra uff jetragen hat!«
»Wie alt bist du denn? Sechzehn? Du siehst aber nich wie sechzehn aus.«
»Und det is mein Bruder«, fuhr Rieke hastig fort. »Der is anjestellter Bauzeichner bei Kalubrigkeit und Co., 'ne janz jroße Firma.«
»Nie gehört!« rief Hagedorn aus dem Hintergrund. »Diese Baufirmen verkrachen alle Tage, und denn sitzt so einer auf der Straße!«
»Stille biste!« rief die Frau wiederum. »Also, denn unterschreiben Sie – hier Frau Busch, da Ihr Vater, der Maurer Busch.« Und Frau Hagedorn ging vom Schreibtisch fort zu ihrem Mann.
»Rieke!« flüsterte Karl Siebrecht flehend. »Unterschreib nicht. Laß uns gehen. Die legen uns nur rein!«
»Aba wie können die uns reinlejen, Karle?« fragte Rieke bittend. »Wa wollen doch pünktlich bezahlen und können's doch ooch. Laß mir jetzt nich sitzen, Karle!«
»Es ist nicht richtig, Rieke«, flüsterte Karl wieder und zögerte doch schon unter ihrem flehenden Blick. »Man soll so was nicht tun, wir fallen rein!«
»Wie können wa rinfallen, Karle? Wa haben doch dein Sparbuch, wenn wirklich wat schiefjeht! Karl, blamiere mir nich for die Leute, wo ick so viel jequasselt habe!«
»Aber lesen möchte ich doch erst mal, was da gedruckt steht«, sagte Karl Siebrecht und griff nach dem Blatt.
»Lesen Sie man, junger Mann«, sagte der Händler gleichgültig. »Wegen Ihnen drucke ich doch keine andern Bedingungen im Abzahlungsgeschäft.«
»Hör mal zu!« rief Karl Siebrecht aufgeregt. »Da steht, Rieke, daß die Maschine sofort zurückgeht, wenn wir eine Wochenrate im Rückstand bleiben, und daß dann auch alles bereits Bezahlte verfällt.«
»Das ist so üblich«, sagte Herr Hagedorn plötzlich wieder eifrig. »Das unterschreiben alle, das muß auch so sein! Ich kriege doch keine neue Maschine zurück. Und Sie wollen die Raten doch pünktlich zahlen, da kann Ihnen so 'ne Bedingung doch ganz egal sein.«
»Natürlich!« sagte Rieke und schrieb schon. Halt! hatte Karl Siebrecht noch einmal rufen wollen, aber es war schon zu spät. Zögernd stand er da, den Halter in der Hand, eine Unruhe in der Brust warnte ihn. Aber da war der flehende Blick seiner kleinen Freundin, ihr felsenfestes Vertrauen auf ihn, er würde sie nie steckenlassen. Karl Siebrecht schrieb, er schrieb: Karl Busch.
»Wir hätten nicht unterschreiben sollen«, sagte er gleich darauf wieder, sie hatten kaum den Laden verlassen. »Es war dumm von uns!«
»Ach wat!« lachte Rieke vergnügt. »Mir kleid't dumm, Karle, det weeßte doch. Die Hauptsache: ick hab meine Maschine!«
17. Der Laufbursche
Pünktlich am nächsten Vormittag war die Nähmaschine im dritten Hof der Wiesenstraße eingetroffen, und keine Viertelstunde, so saß Rieke an der Maschine und nähte probeweise darauflos. Erst behutsam, dann, mit leicht sich rötenden Wangen, immer schneller, immer mutiger. Oh, sie hatte nicht aus Prahlerei zu Karl Siebrecht gesagt, daß sie Maschinenähen konnte, sie konnte es wirklich! Nicht umsonst hatte sie auf ihren Aufwartestellen die Augen offengehalten: sie hatte mancher Hausfrau vieles abgesehen. Rieke trat schneller und schneller, ihre Augen blitzten. Der alte Busch, der, die verstauchte Hand in einer Binde, stumpf am Fenster saß, sah verwirrt herüber. Er schloss die Augen, schüttelte den Kopf, als störe ihn dies Geräusch, und sah wieder herüber. »Wat, Vata, det bringt Leben in de Bude!« lachte Rieke triumphierend, und Herr Hagedorn war nun schon ganz vergessen. Tilda stand neben der Maschine und sah mit strahlenden Augen dies nickelblinkende, rumpelnde, schnurrende Ungeheuer. »Wat, Tildecken, det macht sich!« lachte Rieke wieder. »Und det erste, wat ick nu richtig nähe, Tilda, det is 'n Wintermantel for dir aus Tante Berthas Kleid. Wat sagste nu –?«
Rieke tritt und näht, sie näht alte Lumpen, eine Naht rauf, eine runter, die Maschine näht wirklich wie Puppe. Und das Rumpeln der Maschine breitet sich aus in dem Hinterhaus