Antizock. M.Trojan
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OHNMACHT
Jedes Mal, als ich (m)einen Automaten nach ganz oben gejagt hatte, erklang der Song „Money, Money, Money“ von Abba. Was der Band „Abba“ auf den Weg nach ganz oben verhalf, erwirkte in mir Vergleichbares. Ich dachte, ich sei die absolute und unantastbare Nummer 1 auf den Weg nach ganz oben.
Ich befand mich in einer Art „Traumblase“ und redete mir ein, dass ich als Spieler alles erreichen könnte – ich durfte bloß niemals verlieren, zumindest nicht dauerhaft. Anfangs gelang dies, ich gewann deutlich mehr, als ich investierte. Nach einer Weile verlor zunehmend mehr Geld, anstatt an diesem Punkt das Glücksspiel an den Nagel zu hängen, investierte ich ab dann einfach noch mehr Geld, um höhere Gewinne zu erzwingen. Ich dachte, ein Minus sei nur dann ausgleichbar, wenn ich ein einziges Mal einen enorm hohen Gewinn erzielen würde.
Ich gewann mehrfach im vierstelligen Bereich, aber ans Aufhören dachte ich nicht einmal ansatzweise. Ich gewann in einer Woche einen fünfstelligen Betrag – aufhören? Nicht wirklich. Wer hört schon auf, wenn man die Nummer 1 sein möchte?
Ich hatte im Leben oft bzw. immer das Gefühl, „benachteiligt“ zu sein. Am Automaten war dies anders, ich fühlte mich gegenüber alles und jedem enorm im Vorteil. Wie gesagt, ich dachte wirklich, ich sei die Nummer 1 auf den Weg nach ganz oben.
Nach einer Weile verlor ich im Grunde genommen durchgehend, aber durch meine hohen Einsätze floss auch immer wieder etwas Geld zurück – ich hatte somit immer etwas Geld, um am nächsten Tag wieder spielen gehen zu können. Die Taktik, um Außenstehende oder Kritiker blenden zu können, war und ist ziemlich einfach, man musste die Einsätze klein- und jeglichen „Gewinn“ großreden.
Ich war definitiv kein Gewinner, aber ich präsentierte ihn äußerst glaubwürdig und somit glaubten die meisten das, was sie mit eigenen Augen sahen. Ich spielte den gewinnenden Spieler, – ich war zwar vieles, aber ein Gewinner war ich definitiv nicht.
Mein Weg in die Sucht, all die Jahre in Armut, der seelische Tod, keinerlei Perspektive und hochgradig spielsüchtig, – keine schöne Zeit, aber zumindest lehrreich.
Rückblickend betrachtet, habe ich keinerlei Fehler begangen, sondern Lösungen gefunden und ein Imperium erschaffen.
Ich wollte glücklich oder zumindest zufrieden sein, erkannte zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht, dass dies kein tatsächliches Ziel, sondern vielmehr eine Frage der Wahrnehmung ist. Letztendlich erschuf ein Ziel und während meines Weges wurde ich zunehmend glücklicher und erfolgreich zugleich. Was ich mir auch in den Kopf gesetzt hatte, ich konnte es plötzlich umsetzen. Hätte ich das Spielen nie aufgehört, wäre ich gescheitert, egal mit was. Die Spielsucht hinderte mich und hindert Sie – aktuell – daran, sich frei entfalten zu können. Egal wie Sie es drehen möchten, die Spielsucht wird Sie davon abhalten, das umzusetzen, was Sie sich innig wünschen.
Reden Sie nicht vom Ausstieg, lassen Sie Taten sprechen und steigen Sie aus. Es muss nur eine einzige Person an Sie glauben und es reicht vollkommen aus, wenn Sie diese eine Person sind. Denn nur Sie sind wichtig, nur Sie zählen in diesem einem Augenblick. Außer Ihnen selbst müssen Sie niemanden etwas beweisen.
Die Spielsucht linderte (besonders anfangs) meine seelische Leere und schluckte all meinen Frust. Doch es staute sich an, all der Schmerz wurde stärker und mein Frust richtete sich plötzlich gegen alles und jeden. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr finden und letztlich bin ich daran zerbrochen. Wenn Sie die Meinung besitzen, dass Sie ganz unten angekommen sind und keine Kraft mehr haben, dann weiß ich, wovon Sie sprechen. Denn mir ging es ähnlich oder zumindest vergleichbar; ich konnte nicht mehr. Es kommt der Punkt im Leben, wo man nach jahrelanger Quälerei, Tyrannei und Unterdrückung nicht mehr kann, man gelangt an einen Punkt im Leben, wo die Seele zu einem spricht und nur leise flüstert: „Ich gebe auf“.
So erging es mir, ich konnte und wollte nicht mehr weiterleben. In meinen Augen war es kein Leben mehr, es war purer Zwang, auf diese Art und Weise existieren zu müssen. Ich beneidete Menschen, die all die Scheiße hinter sich lassen konnten, aber ich fand keine Kraft, mich aus den Fängen der Sucht befreien zu können. Es schien, als sei die Sucht unbesiegbar und zugleich allgegenwärtig.
Wenn man das Gefühl hat, nichts mehr zu haben, redet man sich ein, nichts mehr wert zu sein. Ich habe Jahre damit vergeudet, über das nachzudenken, was andere denken könnten.
Ich hatte große Angst vor der Wahrheit, nein, ich hatte Angst davor, dass andere eine Lüge über mich glauben könnten. Doch letzten Endes tat ich alles dafür, dass ich eine Lüge leben konnte, die als Wahrheit angesehen wurde.
Ich höre von pathologischen Spielern sehr häufig, dass sie im Leben gescheitert sind, weil sie alles verloren haben. Doch nicht alles ist so, wie es anfangs scheint. Denn solange Sie am Leben sind, besitzen Sie jede Möglichkeit, sich alles zurückzuholen. Sie werden es niemals am Automaten finden, sondern darin, eine mutige Entscheidung zu treffen. Sie müssen erkennen wollen, dass Sie die notwendige Intelligenz, den Mut und auch den Willen haben, Ihre Träume in die Tat umsetzen zu können. Wenn Sie gestern alles und ich meine wirklich alles verloren haben, dann beginnen Sie bereits heute bei 0 und morgen geht es 10 Schritte nach vorne – niemals zurück.
Sie dürfen Ihrer Vergangenheit nicht nachheulen, sondern logische und notwendige Schlüsse daraus ziehen.
Sie sind nicht gescheitert, Sie sind weder wertlos noch nutzlos. Sie sind wichtig. Sie müssen nicht um die Aufmerksamkeit oder die Liebe anderer betteln, weil Sie immer wissen sollten, dass Sie genau richtig sind – so wie Sie sind – solange Sie sich nicht verstellen.
Seien Sie nicht der Spieler, sondern jener, der Sie wirklich sind. Was gesagt oder getan wurde, ist nicht mehr ungeschehen zu machen, aber Sie können alles daransetzen, falsche Taten wiedergutzumachen. Sie entscheiden, in welche Richtung sich eine Entscheidung entwickelt. Konzentrieren Sie sich darauf, was zu tun ist. Sie sind zu intelligent dafür, um irgendeine Scheiße zu begehen, denken Sie logisch und finden Sie eine Lösung.
ANTIZOCK
Mehr als …
Man ist entweder ein „Ich bin …“ oder ein „ich werde sein…“ Charakter. Ein aufsteigender Gewinner oder ein untergehender, sich an der Vergangenheit klammernder Versager, der die Schuld seines Versagens auf andere abwälzen möchte.
Das