Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада

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Wolf unter Wölfen - Ханс Фаллада


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hinter ihm stehenden Helfershelfer, diese drei Männer, ob mager oder fett, dunkel oder hell. Alle haben kalte, rasche Augen, krumme, böse Nasen wie Habichtschnäbel, dünne Lippen. Sie sprechen kaum miteinander, sie verständigen sich durch Blicke, allenfalls ein Deuten mit der Schulter. Sie sind böse, gierig, kalt – Abenteurer, Raubritter, Beutelschneider, Zuchthäusler – wer weiß das! Man kann sich unmöglich vorstellen, daß sie ein Privatleben haben, eine Frau, Kinder, die ihnen die Hand geben und ›Guten Morgen‹ sagen. Man kann sich nicht ausmalen, wie sie sind, wenn sie mit sich allein sind, aus dem Bett aufstehen, sich beim Rasieren im Spiegel anschauen. Sie scheinen dafür bestimmt, hinter dem Spieltisch zu stehen, böse, gierig, kalt. Vor drei Jahren gab es sie noch nicht, und in einem Jahr wird es sie nicht mehr geben. Das Leben hat sie emporgespült, da sie gebraucht wurden; es trägt sie wieder mit sich fort, unfaßlich, wohin, wenn ihre Zeit vorüber ist, aber das Leben hat sie, das Leben hat alles, was gebraucht wird.

      Um den Tisch sitzt eine Reihe Spieler, die Reichen, die Leute mit der dicken, schwellenden Brieftasche, die ausgenommen werden sollen, die Neulinge, die grünen Heringe. Daß sie stets einen Sitzplatz finden, dafür sorgen die drei schweigsamen, gesträubten Raubvögel schon. Hinter ihnen stehen in zwei, drei Reihen die andern Spieler, dicht aneinandergedrängt. Sie nahm ihre Einsätze über die Schultern der Vordermänner weg, unter den Armen durch, auf ein Fleckchen Spielfeld, das sie grade erspähen können. Oder sie reichen die Spielmarken hoch über die Köpfe der andern fort, einem der drei Männer, mit einer gemurmelten Weisung.

      Aber trotz dieser Unübersichtlichkeit, dieses Gedränges gibt es kaum je Streit, denn die Spieler sind viel zu versunken in das eigene Spiel, in das Rollen der Kugel, um auf die andern groß zu achten. Und zudem gibt es so viele Sorten verschiedenfarbiger Spielmarken, daß selbst bei stärkstem Andrang höchstens zwei, drei Spieler dieselbe Farbe spielen. Eng aneinandergedrängt stehen sie: schöne Frauen, gut aussehende Männer sind dabei. Sie lehnen sich aneinander, Hand berührt Brust, Hand streift seidige Hüfte: sie spüren nichts. Wie eine große Glut den Glanz des kleinen Feuers bleich macht und dunkel, hören die eng Gedrängten nur noch das Schnurren der Kugel, das Klappern der beinernen Jetons. Still steht die Welt, die Brust kann nicht atmen, die Zeit steht, während die Kugel läuft, in ein Loch lenkt, sich besinnt, weiterspringt, klappert ...

      Da! Rot! Ungleich! Einundzwanzig! Und plötzlich atmet die Brust wieder, das Gesicht entspannt sich – ja, dies Mädchen ist schön ... Der Einsatz, meine Damen und Herren! Der Einsatz! Der Einsatz! – Nichts mehr! Und die Kugel läuft, schnurrt, klappert ... still steht die Welt ...

      Wolfgang Pagel hat sich in die zweite Reihe der stehenden Spieler gedrängt. Weiter nach vorn kommt er nie, darauf achten die drei Raubvögel schon, die unzufriedene Blicke miteinander tauschen, sehen sie ihn nur eintreten. Er ist der allerunerwünschteste Spieler, er ist der Pari-Panther, der Mann, der vorsichtig spielend sich nicht hinreißen läßt; der Mann mit dem kleinsten Betriebskapital in der Tasche, das nicht einmal das Ansehen lohnt, geschweige denn das Wegnehmen; der Mann, der Abend für Abend mit dem festen Vorsatz kommt, der Bank grade so viel abzunehmen, daß er den nächsten Tag das Leben hat – und dem das meistens gelingt.

      Es ist ganz unnütz für Pagel, den Klub zu wechseln (denn es gibt in diesen Tagen Spielklubs wie Sand am Meer, wie es überall Heroin und Koks gibt, Schnee; wie es überall Nackttänze, französischen Sekt und amerikanische Zigaretten gibt; wie es überall Grippe, Hunger, Verzweiflung, Unzucht, Verbrechen gibt). Nein, die Raubvögel am Kopfende des Tisches erkennen ihn immer gleich. Sie erkennen ihn an der Art seines Eintretens, dem prüfenden Blick, der fremd alle Gesichter streift, um an dem Spielfeld haften zu bleiben. Sie erkennen ihn an seiner übertriebenen Ruhe, seiner gespielten Gleichgültigkeit, der Art seines Setzens, an den langen Pausen, die er macht, die Sprünge der Chancen auszulassen, um eine Serie zu fassen: sie erkennen den gleichen Vogel im andern Gefieder!

      An diesem Abend war Wolfgang nervös. Zweimal hatten ihm die Schlepper die Haustür vor der Nase zugeschlossen, um den unerwünschten Spieler zu verscheuchen, bis es ihm gelang, sich mit einer Gesellschaft einzuschmuggeln. Der Mann mit dem traurigen Wachtmeistergesicht hatte getan, als höre er seine Bitte um Spielmarken nicht; Wolfgang hatte sich sehr zusammennehmen müssen, um nicht laut zu werden. Schließlich hatte er seine Jetons doch bekommen.

      Im Spielraum hatte er sofort gesehen, daß eine gewisse Halbweltdame, von Kennern der Devisenvamp genannt, anwesend war. Er hatte schon einige Male an verschiedenen Orten mit diesem anspruchsvollen, lauten Mädchen Zusammenstöße gehabt, weil sie, in einer Pechsträhne und dem Ende ihrer Mittel nahe, unbedenklich über die Einsätze ihrer Mitspieler zu verfügen pflegte. Am liebsten wäre er umgekehrt. Eine Spielmarke war ihm auf die Erde gefallen, was von unheilvoller Bedeutung war, denn es besagte, daß dieser Raum sein Geld zu behalten wünschte. (Es gab viele Vorzeichen solcher Art – bis auf eines oder zwei alle von schlimmer Vorbedeutung.)

      Dann war er doch an den Tisch getreten, um zu spielen. Er konnte es immerhin – im Rahmen seiner Gewohnheiten – versuchen, da er nun einmal hier war. Wie alle Spieler war auch Wolfgang Pagel der unerschütterlichen Überzeugung, daß das, was er tat, gar kein richtiges Spiel war, daß es ›nicht galt‹. Er glaubte fest daran, daß irgendwann einmal, blitzartig, in einer Sekunde, ihn das Gefühl überkommen würde: jetzt ist deine Stunde! In dieser Stunde würde er wirklich Spieler sein, der Liebling des blinden Glücks. Die Kugel im Rade würde schnurren, wie er setzte, das Geld würde herbeiströmen –: Alles, alles werde ich gewinnen! – Wenn er an diese Stunde dachte, manchmal, nicht sehr häufig, wie man den Genuss eines großen Glückes nicht wertlos machen will dadurch, daß man es zu oft vorkostet – wenn Wolfgang daran dachte, fühlte er, wie sein Mund trocken, die Haut über seinen Schläfen pergamenten wurde.

      Er meinte, sich zu sehen, leicht vorgeneigt, mit glänzenden Augen – und zwischen die ein wenig auseinandergespreizten Hände glitt ihm das Papier, wie von einem Winde hineingeweht, all dies verschiedenartige Papier mit den ungeheuren Zahlen, Nullen über Nullen, ein betäubender, nie völlig zu verstehender Reichtum – astronomisch!

      Bis diese Stunde kam, war er ein kleiner Freitischgänger des Glücks, ein Hungerleider, der mit den mageren Gewinnchancen des Parispiels vorlieb nehmen mußte. Gerne vorlieb nahm, denn ihm winkte die Aussicht auf Großes!

      An diesem Abend war er für seine Verhältnisse nicht schlecht bei Kasse. Spielte er ein wenig vorsichtig, mußte sich ein ausreichender Gewinn nach Haus tragen lassen. Wolfgang Pagel hatte sein bestimmtes, auf Grund sorgfältiger Beobachtungen erdachtes System beim Spiel. Von den sechsunddreißig Zahlen des Roulette waren achtzehn rot, achtzehn schwarz. Zog man die siebenunddreißigste Chance, das Null, bei dem alle die Einsätze der Bank verfielen, nicht in Betracht, so stand die Chance für Rot und für Schwarz gleich. In einem unendlich weitergespielten Roulette mußte nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung gleich oft Rot wie Schwarz kommen. Das tat es auch sicher. Aber wie sich im Laufe des Spieles Rot und Schwarz ablösten, darüber schien eine viel geheimnisvollere Regel zu walten, die man halb beobachten, halb im Gefühl haben mußte.

      Stand Wolfgang – wie stets, ehe er zum erstenmal setzte – beobachtend am Spieltisch, so sah er etwa, daß Rot kam, und noch einmal Rot, und wieder Rot. Ein viertes, fünftes, sechstes Mal Rot, es konnte bis zum zehnten Mal gehen, bis zum fünfzehnten Mal, ja, in ganz seltenen Fällen noch höher: Rot, immer Rot. Es war gegen jeden Sinn und Verstand, es widersprach aller Wahrscheinlichkeitsrechnung, es war die Verzweiflung aller ›Spieler mit System‹.

      Dann kam auf einmal Schwarz, nach sechs-, achtmal Rot kam Schwarz! Kam zwei-, dreimal; nun kam wieder Rot, und nun ging es mit einem ermüdenden, immerwährenden Wechsel hin und her: Rot und Schwarz, Schwarz und Rot.

      Wolfgang aber wartete noch immer. Nichts war zu sagen, kein Einsatz mit einiger Aussicht auf Gewinn zu wagen.

      Aber plötzlich fühlte er, wie sich irgend etwas in ihm spannte. Er schaut auf das Fleckchen Spieltisch, das seinem Blicke frei ist. Ihm ist, als sei er eine Weile mit seinen Gedanken fortgewesen, ohne doch zu wissen, wo, als habe er das Spiel nicht verfolgt. Trotzdem weiß er, daß jetzt dreimal hintereinander Schwarz kam, er weiß, daß er nun setzen muß, daß jetzt eine Serie Schwarz begonnen hat – er setzt.

      Er setzt drei-, viermal. Öfter getraut er sich nicht. Ach, zwölf-, fünfzehnmal


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