Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада

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Wolf unter Wölfen - Ханс Фаллада


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war so gut, daß er sich vornahm, Studmann ein paar anerkennende Worte zu sagen.

      Aber er verwarf den Gedanken sofort wieder: ›Das könnte ihn ja beschämen‹, dachte er. ›Oberleutnant von Studmann und ein wirklich frisch gebrühter Hotelkaffee!‹

      Der Rittmeister versuchte zu ergründen, warum ihn denn schon wieder dieses Gefühl der Beschämung überkam, als tue Studmann etwas Verbotenes, ja, Unanständiges.

      ›Es ist doch Arbeit wie jede andere‹, dachte er verwundert. ›So beschränkt sind wir doch alle nicht mehr, daß wir eine Arbeit geringer achten als die andere. Schließlich sitze ich ja auch nur von Schwiegervaters Gnaden auf Neulohe und kratze ihm seine Pacht zusammen – mit vielen Sorgen. Woran liegt es also –?‹

      Plötzlich überkam es ihn, daß es vielleicht daran liegen mochte, daß Studmann diese Arbeit nur gezwungen tat. Ein Mann muß arbeiten, gewiß, wenn er vor sich ein Recht haben will, zu sein. Aber es gibt einen freien Willen in der Wahl der Arbeit; verhaßte Arbeit, nur um des Geldes willen, schändet. – ›Er würde sich ja nie diese Arbeit gewählt haben‹, dachte er. ›Es gab keine Wahl für ihn.‹

      Und ein Gefühl hilflosen Hasses überfiel den Rittmeister Joachim von Prackwitz. Irgendwo in dieser Stadt stand eine Maschine – natürlich eine Maschine, Menschen würden sich nie zu so etwas mißbrauchen lassen! – und erbrach Tag und Nacht Papier über die Stadt, das Volk. ›Geld‹ nannten sie es, sie druckten Zahlen darauf, wunderbare, glatte Zahlen mit vielen Nullen, die immer runder wurden. Und wenn du gearbeitet hast, wenn du dich geschunden hast, wenn du dir etwas erspart hast auf deine alten Tage – es ist schon alles wertlos geworden, Papier, Papier – Dreck!

      Und um dieses Drecks willen stand Kamerad Studmann in der Hotelhalle und machte Dienerchen. Gut, sollte er dort stehen, sollte er Dienerchen machen – aber nicht wegen Dreck. Schmerzhaft deutlich sah der Rittmeister wieder das freundlich-ernste Gesicht des Freundes, wie er es eben gesehen.

      Plötzlich wurde es dunkel, langsam dann heller. Eine kleine Rüböllaterne baumelte von dem rohen, nicht zugehauenen Deckbalken. Sie warf ihren warmen, rötlichen Schein direkt in das Studmannsche Gesicht – und dieses Gesicht lachte, lachte! Die Augen funkelten vor Freude, hundert Fältchen sprangen und zuckten in ihren Winkeln.

      ›Auch das wiedergeschenkte Leben ist in diesem Lachen‹, sprach eine Stimme im Rittmeister.

      Es war nichts, nur eine Erinnerung an eine Nacht in einem Unterstand – wo war es gewesen –? Irgendwo in der Ukraine. Es war ein reiches Land, Kürbisse und Melonen wuchsen zu Hunderten auf den Feldern. Sie hatten sich von dem Überfluss in den Unterstand geholt, auf Wandbretter gelegt. Sie schliefen, eine Ratte (es gab Tausende von Ratten), eine Ratte stieß einen Kürbis vom Brett. Er fiel einem Schläfer auf den Kopf, in das schlafende Gesicht. Der Schläfer schrie gräßlich auf, der weiterrollende Kürbis tat Schlag um Schlag. Sie lagen, alle erwacht, atemlos, flach in ihre Decken gedrückt, in Erwartung der Sprengstücke des Einschlages. Sekunden der Todesangst – das Leben verrauscht, jetzt lebe ich noch, ich will etwas denken, was sich lohnt, die Frau, das Kind, das Mädchen Weio, ich habe noch hundertfünfzig Mark in der Tasche, besser hätte ich meine Weinrechnung bezahlt, die sind nun auch futsch ...

      Und nun das Lachen von Studmann: Kürbis! Kürbis!

      Sie lachen, lachen. ›Auch das wiedergeschenkte Leben ist in diesem Lachen.‹ Der kleine Geyer wischt sich die blutende Nase und lacht auch. Richtig, Geyer hieß er. Er fiel wenig später, Kürbisse waren im Kriege Ausnahmen.

      Aber das war es gewesen: echte Furcht und echte Gefahr und echter Mut! Zittern – aber dann aufspringen, entdecken, daß es nur ein Kürbis war, und wieder lachen! Über sich, über die Furcht, über dies närrische Leben – weitergehen, die Straße hinunter, auf den nicht existenten Punkt zu. Aber von etwas bedroht zu werden, das Papier kotzte, von etwas gezwungen zu werden, das die Welt um Nullen bereicherte – das war schändlich! Es schmerzte den Mann, der es tat; es schmerzte den Mann, der es den andern tun sah.

      Prackwitz sieht aufmerksam den Freund an. Von Studmann ist schon vor einer Weile eingetreten und hört dem Kellner zu, der vor einer Weile so achtsam die Bestecke zählte und der jetzt aufgeregt irgend etwas vorbringt. Sicher eine Beschwerde über irgendeinen Kollegen. Prackwitz kennt aus eigener Erfahrung dieses zänkische, hitzige Reden. (Mit seinen Beamten auf Neulohe ist es ihm nicht anders ergangen. Ewige Zänkerei, ewiger Klatsch. Am liebsten würde er ja weiter mit nur einem Beamten wirtschaften, damit ihm wenigstens dieser Ärger erspart bleibt. Aber er muß wirklich sehen, daß er noch jemanden kriegt. Die Diebstähle nehmen überhand, Meier schafft es nicht, und Kniebusch ist alt und verbraucht. Nun, das nächste Mal. Dieses Mal ist keine Zeit mehr, um zwölf muß er auf dem Schlesischen Bahnhof sein.)

      Der Kellner redet noch immer, redet sich in Brand und Flammen. Von Studmann hört ihm zu, freundlich, aufmerksam, ab und an sagt er ein spärliches Wort, nickt auch mal, schüttelt mit dem Kopfe. ›Es ist kein Leben mehr in ihm‹, entscheidet der Rittmeister. ›Ausgebrannt. Erloschen. – Aber‹, denkt er mit plötzlichem Erschrecken, ›vielleicht bin auch ich ausgebrannt und erloschen – merke es bloß nicht?‹

      Dann plötzlich – ganz überraschend – sagt Studmann einen einzigen Satz. Der Kellner, völlig aus dem Konzept gebracht, bricht jäh ab. Studmann nickt ihm noch einmal zu und geht an den Tisch des Freundes.

      So, sagt er und setzt sich – und sofort wird sein Gesicht lebendiger. Nun, denke ich, habe ich eine halbe Stunde Zeit. Wenn nichts dazwischenkommt. Er lächelt Prackwitz aufmunternd zu. Aber es kommt eigentlich immer was dazwischen.

      Du hast viel zu tun? fragt Prackwitz, ein wenig verlegen. Gott, zu tun! Studmann lacht kurz. Wenn du die andern fragst, hier die Liftboys oder die Kellner oder die Portiers, die werden dir erzählen, daß ich gar nichts zu tun habe, nur so rumstehe. Und doch bin ich abends so hundemüde wie nur damals, wenn wir Schwadronsexerzieren hatten und der Alte schliff uns.

      So etwas wie einen Alten gibt es hier vermutlich auch?

      Einen –? Zehn, zwölf! Generaldirektor, drei Direktoren, vier Subdirektoren, drei Geschäftsführer, zwei Prokuristen –

      Bitte, höre auf!

      Aber am Ende ist es nicht so schlimm. Es hat viel Ähnlichkeit mit dem Militär. Befehlen, gehorchen – tadellose Organisation ...

      Aber doch immerhin Zivilisten ... meinte von Prackwitz bedenklich und dachte dabei an Neulohe, wo Gehorchen lange nicht immer auf Befehlen folgte.

      Natürlich, bestätigte Studmann auch. Es ist etwas loser als damals, zwangloser. Darum schwieriger für den einzelnen, möchte ich sagen. Der ordnet etwas an, und du weißt nicht genau, ob er ein Recht hat, es anzuordnen. Keine ganz klar abgegrenzten Befugnisse, verstehst du?

      Das gab es aber auch bei uns, meinte Prackwitz. Irgendein Offizier mit einem Sonderauftrag, weißt du?

      Gewiß, gewiß. Aber im ganzen kann man sagen, es ist eine staunenswerte Organisation, ein musterhafter Riesenbetrieb. So etwas wie unsere Wäscheschränke solltest du einmal sehen. Oder die Küche. Oder die Einkaufskontrolle. Staunenswert, sage ich dir!

      Es macht dir also ein bißchen Spaß? fragte der Rittmeister vorsichtig.

      Die Lebhaftigkeit von Studmanns erlosch. Gott, Spaß! Nun ja, vielleicht. Aber darauf kommt es doch nicht an, nicht wahr? Wir müssen leben – wie? – weiterleben, nach alldem. Ganz einfach weiterleben. Trotzdem man es sich mal anders dachte.

      Prackwitz sah prüfend in das umschattete Gesicht des andern. ›Ja, wieso müssen?‹ dachte er flüchtig, ein wenig verärgert. Und er fand die einzig mögliche Erklärung, fragte laut: Du bist verheiratet? Hast Kinder?

      Ich? fragte Studmann sehr erstaunt. Aber nein! Kein Gedanke!

      Nein, nein, natürlich nicht, sagte der Rittmeister, ein wenig schuldbewußt.

      Schließlich, warum nicht? Aber es hat sich nicht so gemacht, sagte von Studmann nachdenklich. Und heute? Nein! Wo die Mark täglich wertloser wird, wo man zu tun hat, das bißchen Geld für sich zusammenzukratzen ...

      Geld


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