Tagebuch eines österreichischen Mädchens um 1901 - Band 129 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Rita anonym um 1900

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Tagebuch eines österreichischen Mädchens um 1901 - Band 129 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski - Rita anonym um 1900


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schreibt auch ein Tagebuch, aber sie ärgert sich furchtbar, wenn ich es sehe. Ich nenne die Helene Hella und sie nennt mich Rita; Helene und Grete ist so furchtbar gewöhnlich. Die Dora nennt sich seit neuestem Thea; ich sage aber doch wie immer Dora. Sie behauptet für so kleine Kinder (damit meint sie mich und die Hella) passt überhaupt noch gar kein Tagebuch. Und was da für Unsinn drin stehen wird. Auch nicht mehr als in den ihren und Lizzi ihrem.

      13. Juli: Eigentlich sollten wir erst nach die Ferien anfangen zu schreiben, aber weil wir beide wegfahren, so beginnen wir schon jetzt. Damit wir wissen, was wir in die Ferien erlebt haben.

      Also vorgestern haben wir Aufnahmeprüfung gemacht, es war sehr leicht, im Diktat habe ich nur 1 Fehler gemacht in ohne h. Das Fräulein hat gesagt, das macht nichts, ich hab mich nur geirrt. Das ist auch wahr, denn ich weiß recht gut, dass man ihn mit h schreibt. Wir waren beide weiß angezogen mit den rosa Maschen und alle haben geglaubt, wir sind Schwestern oder wenigstens Kusinen. So eine Kusine ließ ich mir schon gefallen. Aber als Freundin ist es noch besser, der kann man alles anvertrauen.

      14. Juli: Unser Fräulein war sehr lieb. Wegen ihr ist mir und der Hella eigentlich leid, dass wir nicht in die Bürgerschule gehen. Denn da hätten wir alle Tage vor der Schule zu ihr in die Klasse hinunter gehen können. Wegen der anderen Kinder ist es uns aber recht. Man ist doch mehr, wenn man ins Lyzeum geht als bloß in die Bürgerschule. Und darum ärgern sich auch die Kinder furchtbar. Sie bersten vor Neid, (das sagt meine Schwester von mir und der Hella, aber es ist nicht wahr.) Unsere beiden Studentinnen hat das Fräulein gesagt, wie wir uns verabschiedet haben. Wir sollen ihr bestimmt schreiben am Land. Ich tue es auch.

      15. Juli: Die Lizzi, der Hella ihre Schwester, ist nie so gemein wie die Dora, die ist immer so nett! Heute schenkte sie uns jeder mindestens zehn Praliné. Die Hella sagt zwar oft zu mir: „Du kennst sie nicht, wie sie sein kann. Zu mir ist Deine Schwester auch gewöhnlich sehr lieb.“ Natürlich, das ist sehr lieb, wenn sie immer von uns die Kleinen oder die Kinder sagt, als ob sie nie ein Kind gewesen wäre, und zwar noch ein viel kleineres, als wir jetzt sind. Übrigens jetzt sind wir dasselbe wie sie. Sie geht halt in die Vierte Klasse und wir in die Erste.

      Morgen fahren wir nach Tirol, nach Kaltenbach. Ich freue mich schon riesig. Die Hella ist heute gefahren, nach Ungarn zu ihrem Onkel und ihrer Tante mit ihrer Mama und der Lizzi. Und ihr Papa ist in die Manöver.

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      19. Juli: In die Ferien ist es sehr schwer, alle Tage zu schreiben. Es ist einem alles so neu und man hat keine Ruhe zum Schreiben. Wir wohnen in einer großartigen Villa im Wald. Aber den Platz vor dem Haus, den hat die Dora gleich für sich genommen zum Schreiben. Und rückwärts sind so grässlich viele ganz kleine Fliegen; da ist alles schwarz vor Fliegen. Vor Fliegen und solchen Tieren graust 's mir. Wegen des vorderen Platzes lasse ich mir diese Verdrängung auf keinen Fall gefallen. Das gibt's nicht, das hat auch der Papa gesagt: „Kinder, streitet nicht!“ ( Kinder auch zu ihr!!) Das ist schon recht, weil sie sich gar so viel einbildet, dass sie im Oktober vierzehn wird. „Die Plätze gehören ja allen und jedem,“ hat der Papa gesagt. Das ist wahr, der Papa ist immer gerecht, nie gibt er der Dora Recht, während die Mama schon öfters die Dora bevorzugt. Heute schreibe ich an die Hella. Sie hat mir übrigens auch noch nicht geschrieben.

       21. Juli: Die Hella hat mir geschrieben, 4 Seiten lang und so lieb. Wenn ich sie nicht hätte! Vielleicht kommt sie im August zu mir oder ich zu ihr, das wäre beinahe besser. Ich mache gern Besuche auf lange. Der Papa hat gesagt: „Na, wir werden schon sehen“, also da erlaubt er es bestimmt. Wenn die Eltern sagen, wir werden schon sehen, heißt das immer ja; aber sie wollen es nicht direkt sagen, damit, wenn es doch nicht geht, die Kinder ihnen keinen Vorwurf machen können, dass sie ihr Wort nicht halten. Der Papa täte überhaupt alles erlauben, aber die Mama. Na, wenn ich öfters Klavier übe, wird sie es vielleicht schon erlauben. Ich muss spazieren gehen.

      22. Juli: Ich muss mich zwingen, hat die Hella geschrieben, jeden Tag zu schreiben, denn einen Schwur muss man halten und wir haben es geschworen, jeden Tag zu schreiben. Ich …

      23. Juli: Es ist grässlich, man hat keine Ruhe. Gestern wie ich schreiben will, wird aufgeräumt und in der Laube war die D... vor der schreib ich absolut nicht und am offenen Platz vorn sind mir die Blätter weggeflogen. Wir schreiben nämlich auf lose Blätter. Die Hella meint, es ist besser, weil man nichts herausreißen braucht. Aber wir haben einander geschworen, dass wir nichts wegwerfen und zerreißen. Und warum denn? Vor einer Freundin kann man alles sagen. Das wäre eine schöne Freundschaft. Wie ich gestern zuerst doch in die Laube komme, schaut die Dora mich mit einem infamen Blick an und fragt: Du wünschest? Als ob die Laube ihr allein gehörte, überhaupt, wo sie zuerst den Platz vorn wollte. Das ist wirklich eine Gemeinheit.

      Gestern nachmittags waren wir auf dem Kobler-Kogel. Es war sehr schön. Denn der Papa war sehr lustig und wir haben uns mit Tannenzapfen beworfen. Das war lustig. Der Dora habe ich einen auf ihren ausgestopften B... geworfen, da hat sie furchtbar aufgeschrien und ich habe ganz laut gesagt: Das spürst du ja gar nicht. Im Vorbeigehen hat sie gesagt: Fratz! Aber das macht nichts, wenigstens weiß ich, dass sie es verstanden hat und dass es wahr ist. Ich möchte wissen, was sie alle Tage der Erika zu schreiben hat und was sie eigentlich in ihr Tagebuch schreibt. Der Mama war nicht gut und da ist sie zuhause geblieben.

      24. Juli: Heute ist Sonntag. Den Sonntag habe ich besonders gern. Der Papa sagt zwar: Kinder, ihr habt ja alle Tage Sonntag. In den Ferien ist es wahr, aber sonst haben wir gar nicht alle Tage Sonntag. Die Bauern sind alle in ihren Kostümen und die Bäuerinnen und Kinder auch, ganz so wie im Theater.

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       Wir haben heute die weißen Kleider an und ich habe mir einen großen Kirschenfleck hineingemacht, aber unabsichtlich, weil ich mich auf verfaulte Kirschen gesetzt habe. Jetzt muss ich nachmittags zum Spazierengehen doch das rosa Kleid anziehen. Das ist mir ganz recht, ich habe nicht gerne dasselbe Kleid an, wie die Dora. Niemand braucht gleich wissen, dass wir Schwestern sind. So kann man glauben, wir sind bloß Kusinen. Sie kann es übrigens auch nicht leiden, warum, möchte ich wissen? In 8 Tagen kommt der Oswald, da freue ich mich schon riesig. Der ist doch noch älter als die Dora, aber mit ihm vertrage ich mich immer. Die Hella hat mir geschrieben, dass sie sich langweilt ohne mich; ich mich auch.

      25. Juli: Heute schrieb ich an das Fräulein Prückl. Sie ist in Achensee. Ich möchte sie sehr gerne sehen. Nachmittag gehen wir alle Tage kalt baden und spazieren. Aber heute regnet es schon den ganzen Tag. Das ist fad. Ich habe meine Farben zum Malen vergessen und lesen darf ich nicht den ganzen Tag. Die Mama sagt, wenn du jetzt alles verschlingst, hast du dann gar nichts mehr. Das ist wahr, aber nicht einmal schaukeln kann ich gehen.

      Nachmittag: Das muss ich extra schreiben. Ich habe einen furchtbaren Streit mit der Dora gehabt. Sie behauptet, ich stöbere in ihren Sachen herum. Weil sie keine Ordnung hat. Ich möchte wissen, was mich ihre Sachen interessieren sollen. Ihren Brief an die Erika hat sie gestern selber am Tisch liegen lassen und da habe ich weiter nichts gelesen, als: Er ist göttlich schön. Wer, das weiß ich nicht einmal. Aber da kam sie schon bei der Tür herein. Wahrscheinlich der Krail Rudi, ihr Partner beim Tennisspielen, mit dem macht sie furchtbare Geschichten. Aber schön, na Geschmacksache!

       26. Juli: Es ist doch ganz gut, dass ich mir den Puppenkoffer mitgenommen habe. Eigentlich hat die Mama gesagt: Nimm ihn nur für Regenwetter. Also spielen tu ich ja natürlich längst nicht mehr; aber schließlich Kleider nähen, das kann man schon tun mit 11 Jahren; man lernt ja auch gleich dabei etwas. Und wenn etwas fertig ist, macht‘s mir riesige Freude. Die Mama schneidet mir die Sachen zu und ich nähe sie ganz leicht zusammen. Da kommt die Dora ins Zimmer und sagt: Ach, die Kleine näht Puppensachen. Eine solche Frechheit, als ob sie nie mit Puppen gespielt hätte. Und dann von Spielen ist bei mir doch überhaupt keine Rede. Wie


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