mit Reden. Hermann Brünjes
Читать онлайн книгу.Fallen Ihnen auch dazu Beispiele ein?
Wir fassen zusammen:
1. Worte enthalten Macht. Sie können vernichten und aufbauen. Gottes Wort ist immer schöpferisch, es schafft Leben und Lebensentfaltung. Wie, wann und für wen Gott sein Machtwort einsetzt, entscheidet er souverän und unabhängig. Er hat sich in Jesus Christus eindeutig entschieden, sein Wort als dienendes Lebenswort zu nutzen.
2. Sprache entwickelt sich besonders in der Kindheit, wird aber lebenslang geprägt und auch verändert.
3. Das gegenseitige Verstehen war schon immer schwer. Die »babylonische Sprachverwirrung« beschreibt dies besonders gut. Auch in engste Bezüge hinein herrscht oft Missverstehen. Ein Beispiel davon sind die Szenesprachen und die »Sprache Kanaans« in ihren verschiedenen Versionen.
4. Das Wort Gottes ist immer ein missionarisches Wort. Pfingsten wurde zum Geburtstag der Gemeinde-Mission.
5. Nach Pfingsten und durch Gottes Geist können wir einander und auch Gott verstehen. Wir erhoffen und erwarten, dass der Pfingstgeist Ohren und Herzen öffnet. Der Begriff »Horizontverschmelzung« markiert die Erfahrung des Eingreifens Gottes.
2. Die passende Sprache finden
Der Staufenkaiser Friedrich II (1194–1250) soll einen unmenschlichen Versuch mit Kindern durchgeführt haben. Der »Alte Fritz« habe wissen wollen, wie die Ursprache geklungen habe, berichten Chronisten. Dazu habe er über zwanzig Neugeborene von Ammen großziehen lassen. Die Frauen versorgten die Babys, durften jedoch kein Wort mit ihnen sprechen und ihnen auch keinerlei Nähe zeigen. Das Ergebnis war schrecklich und aufschlussreich zugleich. Alle Kinder starben. So wurde zwar nicht geklärt, wie sich die Ursprache anhört, aber es war klar, dass wir Menschen außer Nahrung und Wohnung auch Nähe, Geborgenheit, Liebe, Gemeinschaft und Worte zum Leben brauchen. Hören und Reden sind lebenswichtig!
Als Gegenstück zur schrecklichen Geschichtsschreibung fällt mir die schöne Geschichte von Frederick ein. Sie macht ganz positiv deutlich, wie wichtig Sprache für uns Menschen ist. Die kleine Feldmaus aus dem Bilderbuch von Leo Lionni sammelte nicht wie alle anderen Mäuse Eicheln und Futter für den Winter, sondern Farben und Worte. Als dann der Winter kam und alle materiellen Vorräte aufgebraucht waren, holte Frederick diese »Vorräte« heraus und die hungernde Mäusefamilie überstand die Not durch Bilder, Worte und Geschichten. »Ich sammle Farben für den Winter, und schreib sie auf ein Blatt Papier. Und wird die Welt eines Tages grau und leer, dann schenk ich meine Farben her.« (Wunderschön anzuhören in der Interpretation des Liedermachers Jonathan Böttcher).
Worte sind lebenswichtig, nicht nur in Notzeiten des Lebens. Dies wird für alle Menschen zur existenziellen Erfahrung. Unsere Sprache zu entwickeln und für jede Situation passende Worte zu finden, ist nicht überflüssiger Luxus, sondern unverzichtbarer Grundbedürfnis.
Verständlich reden lernen
Wir alle haben irgendwann Sprechen gelernt. Wie gut!
Allerdings unterscheiden sich sowohl Satzbau und Wortschatz als auch Redeweise, Aussprache und Fähigkeiten mit Worten umzugehen sehr.
Es ist ein Unterschied, ob Sie in einer Familie der bürgerlichen Mitte oder in einer Migrantenfamilie der ersten Generation aufwachsen. Die Bedingungen für Bildung und Entwicklung sind nicht nur verschieden, auch die Sprachentwicklung wird durch unsere Herkunft stark beeinflusst. Gut, dass Bildung in Deutschland relativ gerecht organisiert ist und theoretisch jede und jeder die Chance hat, weiterzukommen. Schade, dass es in der Realität riesige Unterschiede gibt. So ist auch die Sprachentwicklung in jedem Milieu unterschiedlich.
Kinder beginnen zu sprechen, wenn sie etwa 1 Jahr alt sind, manche schon etwas früher, viele auch deutlich später. Schon bei der Geburt ist das Sprachzentrum im Gehirn, welches uns das Sprechen und Sprache zu verstehen ermöglicht, vorhanden. Auch die dazu benötigten Organe sind ausgebildet (Zwerchfell, Lippen, Zunge, Gehör, Muskeln). Bereits im Mutterleib hat das Kind Geräusche und den Klang der mütterlichen Stimme aufgenommen. Die Fähigkeit, Beziehungen aufzunehmen und die Sehnsucht nach Nähe zu jenen, die das Kind umsorgen, ist von Beginn an vorhanden.
Die meisten Kinder beginnen mit »Mama« und »Papa«, gefolgt von einfachen Worten. Die ersten Bezugspersonen sind Inhalt und gleichzeitig auch prägend für den Sprachschatz der Kinder. Bei etwa 20 Monaten liegt der Wortschatz eines sich normal entwickelnden Kindes zwischen 50 und 200 Wörtern. Der Spracherwerb geschieht in jungen Jahren nicht durch bewusstes Auswendiglernen von Vokabeln und Redewendungen, sondern durch aufnehmen und Wiedergeben dessen, was Kinder hören, sehen, fühlen und tun. So entsteht die »Muttersprache«, tatsächlich sehr stark geprägt von der Mutter und den ersten Bezugspersonen. Worte, Satzmelodie und »Sound« werden aufgesogen und verinnerlicht. Imitation wird zur primären Lernmethode. Gleichzeitig erproben Kinder ihre eigene Stimme, oft spielerisch und unermüdlich, und je besser sie ihre zum Sprechen erforderlichen Muskel kontrollieren können, desto mehr Worte entstehen. Auch Logik und Struktur von Sprache entnehmen Kinder der gehörten Sprache ihrer Umgebung. Ob dort Hochdeutsch oder Dialekt gesprochen wird, brüchiges Deutsch oder eine Szenesprache – die Kindern nehmen es auf und eignen sich eben diese Sprache an. In den ersten Jahren werden die Grundlagen gelegt, später setzt sich das Aneignen von Sprachmustern fort. Je älter wir werden, desto weniger verändert sich unsere Sprache. Erwachsene Deutsche verfügen über einen Wortschatz von 12.000 bis 16.000 Wörtern, manchmal auch bis zu 216.000 Wörtern (Wikipedia).
In etwa gilt: Je höher der Bildungsstand eines Menschen ist, desto größer ist sein Wortschatz. Außer vom Elternhaus und Bildungsstand wird dieser auch vom beruflichen Umfeld und dem Freundeskreis mitgeprägt. Im Alltag kommt man mit wenigen tausend Worten aus. Unterschieden wird dabei zwischen aktivem Wortschatz (mir stehen die Worte auf Abruf zur Verfügung) und passivem Wortschatz (ich verstehe die Worte, wenn ich sie höre). Wer eine Fremdsprache gelernt hat, kann dies sofort nachvollziehen. In einem fremden Land kommt man mit etwa 1.000 Wörtern in der Landessprache schon gut zurecht.
Die intensive Beschäftigung mit Sprache, auch mit Verkündigung und Predigt wie in diesem Buch, erweitert als Bildungsangebot also auch den Sprachschatz und die Fähigkeiten, mit Sprache und Worten umzugehen.
Sprachverwirrung im eigenen Land
»Im Jahr 2000 gab es einen ersten Szenesprachen-Duden. Das ist also schon ewig her, wenn man in Kategorien von In und Out denkt und ein echtes Modeopfer (fast krankhaft trendy) ist. Das Werk war ein echter Pageturner (ein spannendes Buch). Und auch wenn sich der damalige Bestseller noch gar nicht so wack (Hip-Hop-Deutsch: schlecht) liest: Eine Neuausgabe ist überfällig. Seit der Jahrtausendwende hat sich schließlich viel getan.«
So meldet es der Kölner Stadtanzeiger im Juli 2016 und stellt Beispiele aus Szenesprachen aus jenem Duden und der dazugehörigen Webseite vor – zum Glück mit Erklärungen.
Da heißt es z.B. »Ab Herbst können Leser damit ihren Denkmuskel (das Gehirn) beschlauen. Auch online ist die Lektüre bereits voll porno (interessant, geil, fett).«
Es wir beschrieben, dass in den letzten Jahren viele technische Begriffe neu entstanden sind, z.B. Youtuben, Twittern, Egogoogeln (selbstvergewissernde Suche nach sich selbst im Internet) oder aber Cyberstalking (Recherchieren von anderen Personen im Internet, um mehr über sie zu erfahren). Overchicked zum Beispiel ist ein unattraktiver Mann (Hässlo) mit einer hübschen Freundin. Augenkrebs bekommt man, wenn man hässliche Sachen und Klamotten sieht. Die Biobreak ist ein neues Wort für Pinkelpause, random ist hingegen alles, was beliebig ist. Neuere Umschreibungen fürs Tanzen sind bouncen (hüpfen) und abspacken (ungelenk bewegen). Am Schreibtisch nebenbei zu essen, heißt Deskfood. Und der Zustand, wenn man schmacko (lecker) zu Mittag essen war und dann müde im Meeting sitzt, heißt (schon fast vertraut!) Suppenkoma.
Der Autor meinte damals: »An all diesen Wörtern merkt man, wie schnelllebig die Zeit und wie alt man selbst ist. Kommt man mit? Versteht man die Gedanken hinter den Begriffen? Oder ist man sprachlich ein Vollhorst