Das Törtchen-Team und Madame Fine. Honora Holler
Читать онлайн книгу.Frau. „Tja wie Kanalratten“, entfuhr es Vic und grinste die Mädchen an, bevor er wieder nach draußen ging. Sophie spürte, wie sie rot wurde. „Also gut, ihr geht erst mal ins Bad und ich schau, ob euch die Kleider der Jungs passen“, wies sie die Frau resolut an.
Zehn Minuten später, und der Erkenntnis, dass Lulus Mobiltelefon den Ausflug nicht überstanden hatte, saßen sie halbwegs trocken und in Kleidern, die ihnen am Körper runterschlackerten, in der warmen großzügigen Küche. Der Kakao dampfte aus ihren Tassen. Fast wie im Zuckerstückchen, dachte Sophie. Wenn das Hemd nicht so kratzten würde. Die grau melierte Frau hatte sich als Lioba van Walden vorgestellt. Als sie kurz die Küche verließ, um nach ihrem Mann zu sehen, hatte ihnen Lulu mit großen Augen zugeraunt, dass Frau van Walden eine der erfolgreichsten Dressurreiterin der Welt gewesen war. Was ihr nur ein „Aha“, von Onta eingebracht hatte. „So meine Lieben. Ich bin Henrik“, stellt sich der Mann von vorhin vor. „Wir sind Lulu, Alba, Onta und Sophie“, übernahm Lulu ihrerseits die Vorstellung. „Aha und wie seid ihr Mädchen in unsere Scheune gekommen?“, wollte er wissen. Lulu sah Sophie Hilfe suchend an. Kurz erklärte Sophie wie und warum sie jetzt hier saßen. Zwischendrin gesellte sich auch Vic in die Küche und schnappte sich einen Becher Kakao.
„Da habt ihr aber richtig Glück gehabt bei dem Wetter“, meinte Vic und deutete nach draußen. Der Regen prasselte auf den Hof, vermischt mit Hagel, wie Sophie feststellte. Nach einem Augenblick der Stille fragte Onta vorsichtig: „Aber warum haben Sie eine Kamera in der Scheune?“ Alle vier Mädchen schauten die van Walden an. Nach einem kurzen Seitenblick auf seine Frau, die ihm zunickte, erklärte Henrik die Umstände: "... so nun wisst ihr, warum wir eine Scheune mit einer Kamera haben.“ Junge, das hätte sich Sophie auch nicht träumen lassen, dass Gras so wichtig war. Aber wenn man Pferde im Stall hat, die laut Lulu mehrere Millionen wert sind, muss man wohl darauf achten. „Sagt mal wie kommt ihr eigentlich wieder nach Hause? Mit euren Rädern sicherlich nicht“, fragte Lioba van Walden plötzlich. „Leider ist mein Telefon bei dem Ausflug kaputt gegangen“, druckste Lulu herum. „Wenn wir also ihres benutzten könnten?“ „Oh natürlich“, antwortet Frau van Walden. „Kommt mit, im Büro steht das Telefon.“
Ein paar Minuten später kamen Lulu und Onta wieder fröhlich strahlend zurück. "Mein Vater lässt uns abholen. In einer Stunde wird der Wagen da sein“, verkündete Lulu. „Und Tantchen ruft bei dir zu Hause an“, fügte Onta hinzu und blickte zu Sophie.
„Was ist, wollt ihr einen kleinen Rundgang über den Hof?“, fragte Vic und schaute die Mädchen spitzbübisch an. „Ihr könnt auch füttern helfen“, meinte er grinsend. „Natürlich sehr gerne“, versuchte Lulu geziert zu antworten, was aber in dem lauten „Ja“ von Onta unterging. „Also Vic“, meinte seine Mutter leicht tadelnd. Gemeinsam gingen die vier Mädchen hinter ihm her. Im Stall angekommen erklärte er Lulu die unterschiedlichen Zuchtlinien der Dressurpferde. Alba und Onta blieben bei den Jungfohlen stehen und sahen ihnen begeistert zu. Während Sophie den Technikaufwand bewunderte, die in der Stallung und dem Reitstall eingesetzt wurde. Plötzlich klingelte ein Telefon. Vic entschuldigte sich kurz und ging dran. „Ja, in Ordnung“, hörte sie ihn sagen. „Mädels, euer Abholservice ist gerade vorgefahren“, verkündete er und scheuchte sie Richtung Ausgang. Mit einem Bedauern lösten sich Alba und Onta von den Jungpferden. Als sie auf den Hof kamen hörten sie die tiefe Stimmen von Lulus Vater sagen: „Goldblatt, angenehm.“ Vics Vater und Herr Goldblatt drehten sich um, als die Mädchen sie fast erreicht hatten. Das Gesicht von Lulus Vater hellte sich erfreut auf. „Ah, da seid ihr ja“, begrüßte er sie. „Kommen sie doch bitte rein“, bat ihn Frau van Walden. Herr Heinz, der Chauffeur, schob den Rollstuhl von Herrn Goldblatt über das Kopfsteinpflaster in das Haus hinein. Während sich die Erwachsenen unterhielten, merkte Sophie, wie sie immer müder und müder wurde. „So meine Damen, dann bringen wir euch mal nach Hause“, unterbrach Herr Goldblatt Sophies dahindämmern. „Und eure Räder holt Herr Heinz am Freitag ab.“ Mit einem „Vielen, vielen Dank für ihre Hilfe“, verabschiedeten sich die Mädchen, bevor Herr Heinz sie in den Wagen bugsierte. Kaum waren sie eine Weile gefahren, wurde es ruhig im Fond des Wagens. Der Regen prasselte wieder gegen die Scheiben, während die Klimaanlage warme Luft durch das Auto pustete. Leise hörte Sophie noch, wie Herr Goldblatt zu Herrn Heinz sagte: „Ein Wagen voller Mädchen und alle schlafend“, und leise dabei lachte.
Endlich wieder Schule
„Wahnsinn, da bin ich einmal nicht dabei und schon erlebt ihr ein Abenteuer!“, beschwerte sich Suki am Gartentisch. „Ha, und was für ein Abenteuer“, meinte Aimee stirnrunzelnd und schaute zu Onta und Sophie, die sich mit ihren roten Nasen hinter der Karaffe mit der Zitronenlimonade zu versteckten versuchten.
Aimee hatte ja recht, ihre Mutter hatte ja auch recht gehabt, allerdings klang Sophie deren Standpauke, immer noch in den Ohren: unverantwortlich und gefährlich, wenn ihnen was passiert wäre. Zu einem „Aber“ war Sophie gar nicht gekommen, das ansteigende Fieber hatte ihren Kampfeswillen einfach erstickt. Drei Tage war sie jetzt im Bett gelegen, rotzend und schlapp. Heute war der erste Tag, an dem sie aufstehen konnte. Und da schleppte sie sich zu ihren Freundinnen ins geliebte Törtchenparadies und erhält die nächste Standpauke. Sophie seufzte und Onta machte mit. Verstohlen warfen sie sich einen Seitenblick zu. „Aber Spaß gemacht hat es trotzdem“, nuschelte Onta leise. „Ja und am meisten hat es, glaube ich, Lulu Spaß gemacht. Hast du gesehen, wie sie Vic angeschaut hat?“, grinste Onta vergnügt. „Ja, doch glaube ich, der hat er ihre Kuhaugen und Wimpernschläge gar nicht bemerkt“, erwiderte Sophie trocken und nahm einen tiefen Schluck Limonade. „Echt“, hauchte Suki. Sophie und Onta nickten heftig mit ihren Köpfen. „Kinder“, hörten sie Aimee tadelnd sagen, doch auch sie musste sich ein Grinsen verkneifen. „Dafür seid ihr doch viel zu jung.“ „Ach was, Schwesterherz, Lulu ist fünfzehn geworden und wir sind bald vierzehn, wann soll man sich dann verlieben?“, neckte Onta ihre Schwester und schaute Beifall heischend zu Suki und Sophie, die beide verlegen wegschauten. „Zuerst einmal kommt die Schule, meine Lieben“, erinnerte Aimee sie, als sie aufstand.
Man konnte schon ein bisschen von dem Bäuchlein sehen, fand Sophie, als ihr Blick Aimee hinterher folgte. Onta schnaufte: „Sie hat ja recht. Und morgen früh geht es ja schon wieder los.“
Der Bus hielt. Die Türen öffneten sich fauchend. Schnell wie ein Wiesel quetschten sich die Mädchen durch die kaum geöffnet Tür nach draußen. Sophie sah auf. Der Morgennebel hüllte das Anwesen, in der die Friedrich-Stein-Schule residierte ein. Wie als wollte er es vor der anstürmenden Schülerschar beschützen. Fröhlich zwitschernd, lachend und rufend entließ der Bus und die ankommenden Autos die restlichen Schüler. Im Mittelstufenbau atmete Sophie erst mal tief durch. Es hatte sich nichts verändert. Von ihr aus, könnte die Direktion den typischen Geruch der Schule: Altes trockenes Gemäuer, Rosen- und Lavendelduft gemischt mit Bonnerwachs, in Flaschen abfüllen und verkaufen. Jeder der mal Schüler war, würde es kaufen, davon war sie überzeugt. „Komm, vielleicht sind Lulu und Alba schon da“, rief Onta begeistert, hakte sich bei ihren Freundinnen unter und riss sie einfach mit. Wirbelwind Onta, schoss Sophie durch den Kopf und versuchte mitzuhalten.
Ihr Klassenzimmer sah aus wie immer, bis auf den fehlenden Arbeitsplatz von Alexandra, dachte Sophie mit Bedauern. Sie hatte es nicht geschafft. Ein perlendes Lachen unterbrach ihren Gedankengang. Natalia stand mit Ines in einer Ecke und lachte. Natalia hatten ihre langen Haare zu einem kurzen Bob schneiden lassen. Sie sah erwachsener aus als Suki, Onta oder sie selbst. „Ah, da sind ja Alba und Lulu“, rief Onta und begrüßte den Rest vom Törtchen-Team. „Na gut erholt?“, hörte Sophie sie fragen. Die Antwort der beiden Mädchen ging in der Ankunft der Jungs unter.
Alle schienen sich zu verändern. Die Jungs waren größer geworden, hatten vereinzelt Stoppeln im Gesicht, und wenn man Paul, Tobias und Arne reden hörte, konnte man meinen sie hätten zu viel Helium inhaliert. Stimmbruch, blöde Sache – allerdings nur für die Jungs, fand Sophie und schmunzelte. „Warum grinst du?“, fragte Suki leise. Schnell murmelte Sophie ihr zu, was sie gedacht hatte. Suki blickte sich um. „Bei Masaru war es dasselbe“, lächelte Suki zurück.
„Mesdames et Messieurs“, ertönte die spröde Stimme von Madame Pinoir, der Französischlehrerin.