Tot oder lebendig. Kai Althoetmar

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Tot oder lebendig - Kai Althoetmar


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schnell durchzuführen, da eine durch einen derartigen militärischen Erfolg gestärkte deutsche Position in Südosteuropa Voraussetzung für die Bündnistreue Rumäniens und Bulgariens wie auch für die weitere neutrale Haltung der Türkei war.“48 Zudem mußten die Deutschen immer noch eine Landung der westlichen Alliierten an der Adriaküste befürchten - und ein Zusammengehen von deren Truppen mit den Partisanen.

      „Rösselsprung“ war ein Kommandounternehmen, „mit dem die Initiative seit längerer Zeit zum ersten Mal wieder auf die deutsche Seite überging“, wie es im Tagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht heißt.49 „Der Zeitpunkt hierfür war außerordentlich günstig, da die Tito-Bewegung infolge des gescheiterten Vorstoßes nach Serbien und der (auch in den anderen Schwerpunktgebieten des Kampfes gegen die Besatzungsmacht) erlittenen Rückschläge eine bedeutende Minderung an Macht und Ansehen erfahren hatte“, so der Chef der Heeresabteilung im Wehrmachtsführungsstab des OKW, Horst Freiherr Treusch von Buttlar-Brandenfeld. „Eine erfolgreiche deutsche Aktion mußte sie gerade jetzt empfindlich treffen und der deutschen Führung eine angesichts der gespannten großen Lage sehr erwünschte Entlastung schaffen.“50

      Längst waren Titos Truppen im Land zu weit verstreut, als daß eine „großräumige Umfassungsoperation“ Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. So war beim Wehrmachtsführungsstab die Idee entstanden, „überraschend in den von ihm beherrschten Zentralraum einzudringen und seine Führungsorgane (einschließlich der ausländischen Militärmissionen) zu zerschlagen oder mindestens vorübergehend lahmzulegen; es war nicht ausgeschlossen, daß es hierbei gelingen würde, der Person Titos habhaft zu werden“, heißt es im OKW-Kriegstagebuch.51

      Fast wäre die Operation in die Hände von Himmlers James-Bond-Verschnitt Otto Skorzeny gefallen. Der österreichische Offizier der Waffen-SS und Spezialist für waghalsige Kommandounternehmen hatte im Frühjahr 1944 im Auftrag Hitlers vom OKW den Befehl erhalten, den Unterschlupf Titos aufzuspüren, dessen Hauptquartier zu zerstören und den Partisanenführer gefangenzunehmen. Skorzeny war seit April 1943 im Reichssicherheitshauptamt Leiter der Abteilung VI-S (Schulung und Widerstandsbekämpfung), die auch Sabotage- und Kommandounternehmen ausheckte. Die Abteilung konkurrierte mit der Spezialeinheit „Brandenburg“ der Abwehr. Im Januar 1944 entstand in Skorzenys Abteilung unter dem Codenamen „Theodor“ der Plan, Tito zu kidnappen. Der mit der Operation betraute SS-Hauptsturmführer Rupert Mandl, ein Balkanexperte, stand in engem Kontakt mit kroatischen „Spionage-Gangs“, die mit Waffen, Geld und drahtlosen Funkgeräten ausgerüstet wurden.52 Im April 1944 traf Skorzeny in Belgrad ein.

      „Wo aber hielt Tito sich versteckt? Ich hatte keine Ahnung. Jugoslawien mit seinem gebirgigen und bewaldeten Gelände eignete sich hervorragend für Partisanenkämpfe“, schreibt Skorzeny in seinen Kriegserinnerungen mit dem Titel „Meine Kommandounternehmen“. „Die Informationen, die mir von den entsprechenden Stellen der Abwehr und des SD übermittelt wurden, waren ungenau und widersprachen sich.“53

      Skorzeny flog nach Belgrad und fuhr kurzerhand im Mercedes mit zwei Unteroffizieren quer durchs Partisanengebiet von Belgrad nach Zagreb, damals Agram, und organisierte seinen eigenen Nachrichtendienst mit Hilfe von Angehörigen des SS-Jagdverbandes „Südost“. Vier Wochen war Skorzeny dazu vor allem in Bosnien unterwegs. „Die Kommandeure der deutschen Garnisonen waren äußerst erstaunt, uns nach dieser Reise unversehrt zu sehen: Die Straßen, die wir genommen hatten, wurden von Partisanen kontrolliert. Mir begegneten tatsächlich einige Gruppen bärtiger Partisanen, das Gewehr unter dem Arm. Wir hatten auch unsere Maschinenpistolen am Boden des Wagens - unsichtbar von außen, aber den Sicherungsflügel auf ‘Feuer’ eingestellt“, berichtet Skorzeny in seinen Memoiren. „Mir wurde sofort klar, daß wir damit eine Unvorsichtigkeit begangen hatten, die üble Folgen hätte haben können: ‘Tito entführt Skorzeny!’, eine schöne Schlagzeile für den Daily Mirror im Mai 1944!“54

      Zurück in Berlin erfuhr der Mussolini-Befreier Mitte Mai 1944, wo Tito steckte. Skorzeny erfuhr all die Informationen, die der aus dem 1. Proletarischen Korps ausgebüxte Deserteur Tetariæ ausgeplaudert hatte. Titos Hauptquartier befände sich in einer Höhle in einem schroffen Abhang mit Blick auf Drvar, bewacht von einem 350 Mann starken Bataillon, mit 6.000 Mann unter Waffen in der Umgebung, soll der Überläufer verraten haben. Wo genau aber die angebliche Höhle sich befinden sollte, wurde von den Deutschen nicht geklärt.

      Skorzeny hielt von einem Großangriff auf Drvar nichts. Er war auch überzeugt, daß die Partisanen bereits mit einem Angriff rechneten.55 Offenbar hatte er ein besseres Überrumpelungsmanöver im Hinterkopf: Er selbst wollte mit einem Trupp als Partisanen verkleideter Spezialkräfte Tito in seinem Hauptquartier hochnehmen.56 An den Erfolg einer derart groß angelegten Operation, wie es der „Rösselsprung“ wurde, glaubte Skorzeny nicht. Der Österreicher war sich sicher: Zu viele lose Mundwerke zu vieler Beteiligter plapperten im Vorfeld zu viel aus.

      Der Österreicher schickte seinen Stabschef, Hauptsturmführer Adrian von Fölkersam, zu Ernst von Leyser, den Kommandierenden General des XV. Gebirgs-Korps, nach Banja Luka, um die Operation „Rösselsprung“ anzukündigen. Als Skorzeny sich schon wieder Richtung Balkan aufmachen wollte, erschien von Fölkersam in Friedenthal, dem Standort von Skorzenys Sonderverband „zur besonderen Verwendung“, und brachte schlechte Kunde. „‘Da stimmt etwas nicht!’, sagte von Fölkersam. ‘Der General hat mich sehr kühl empfangen, und ich glaube nicht, daß wir mit seiner Unterstützung bei diesem Einsatz rechnen können!’”57 Eine Funkmeldung aus Zagreb brachte Klarheit: Das XV. Korps bereitete einen eigenen Einsatz gegen das Hauptquartier Titos vor. General Rendulic und Generalfeldmarschall von Weichs hatten Pläne, in denen der schillernde Österreicher keine Rolle spielte. Skorzeny und seine z.b.V.-Truppe waren aus dem Spiel. Erst im September 1944 kam das SS-Fallschirmjäger-Bataillon 500 unter das Kommando des schillernden Österreichers.

      10. Bruchlandung. Lastensegler im Pech

      Die frühen Morgenstunden des 25. Mai 1944. Die SS-Gleitertruppen haben sich noch vor Sonnenaufgang auf die Lastensegler verteilt. Je neun Soldaten scharen sich auf den Flugplätzen Zagreb-Luèko und Zirklach zu den Gleiterpiloten. Jeder Pilot sitzt unter einer Klapphaube, jeweils neun Soldaten hocken hinter ihm auf einer gepolsterten Bank mit Haltegriffen. Der Rumpf besteht aus geschweißtem Stahlrohrfachwerk mit Stoffbespannung. Um 5.55 Uhr, als das erste Tageslicht durchbricht, werfen die Piloten der Schleppflugzeuge ihre Maschinen an. An das Führerhauptquartier wird das Codewort durchgegeben: „Rainer rollt an“.58 Die Schleppflugzeuge rumpeln mit ihren schwerbeladenen Seglern über die Startbahn. Einer nach dem anderen hebt mit einem Gleiter im Schlepptau ab. Die Gleiter werfen ihre Fahrgestelle am Ende der Startbahn ab. Landen sollen sie auf dreifach gefederten Gleitkufen aus Holz. Die Schleppflieger ziehen ihre Fracht in Höhen von gut 3.000 Metern. Richtung Südosten folgen sie erst der Save, dann dem Unac. Unter ihnen liegen Karstlandschaft, Schluchten, teils zerstörte Dörfer, Wiesen und unbestellte Äcker. Ein Teil der Flieger nimmt während des Fluges US-amerikanische Jagdflugzeuge wahr, die US-Bomber beim Anflug auf die Ölfelder und Raffinerien von Ploești nach Rumänien begleiten. Die Jäger bemerken die Schleppflieger nicht oder reagieren nicht.59

      Neben dem Fotografen Hans Jochen Karnath ist Viktor Schuller einer der wenigen deutschen Kriegsreporter, der die Operation auch am Boden begleiten soll. An Bord der Lastensegler sind auch schwerere Waffen: Flammenwerfer, schwere MGs und Mörser, sogenannte „Ofenrohre“. Im Anflug auf Drvar preschen die Schlacht- und Sturzkampfflieger an den Schleppmaschinen mit den Seglern vorbei und bombardieren den Talkessel.

      Schullers späterer sechsseitiger Bericht trägt den treffenden Titel „Der Griff ins Wespennest“. Der Leutnant ist an Bord einer der Lastensegler. „07.05 Uhr: Die Schleppseile werden ausgeklinkt. Wie Papierschlangen flattern sie am Schwanzende der abdrehenden Schleppmaschinen, als wollten sie Abschied winken.“ Schullers Bericht ist persönlich, ein Minutenprotokoll, das nicht den Gegner lächerlich zu machen sucht, sondern den Lesern der Zeitungen und Zeitschriften im Reich ein packendes Zeugnis des Geschehens liefern soll. „Der Flugzeugführer ruft: Wir stürzen! Ich glaube, es ist mehr ein Fallen, ein Absacken, ein rasend schnelles Fahrstuhlfahren, das kein Ende nehmen will. Jetzt jault der Wind im höchsten Diskant durch


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