Egmont. Johann Wolfgang von Goethe
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Johann Wolfgang von Goethe
Egmont
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Inhaltsverzeichnis
Personen.
Margarete von Parma, Tochter Karls des Fünften, Regentin der Niederlande
Graf Egmont, Prinz von Gaure
Wilhelm von Oranien
Herzog von Alba
Ferdinand, sein natürlicher Sohn
Machiavell, im Dienste der Regentin
Richard, Egmonts Geheimschreiber
Silva,
Gomez, unter Alba dienend
Klärchen, Egmonts Geliebte
Ihre Mutter
Brackenburg, ein Bürgerssohn
Soest, Krämer,
Jetter, Schneider,
Zimmermann,
Seifensieder, Bürger von Brüssel
Buyck, Soldat unter Egmont
Ruysum, Invalide und taub
Vansen, ein Schreiber
Volk, Gefolge, Wachen usw.
Der Schauplatz ist in Brüssel.
Erster Aufzug
Armbrustschießen.
Soldaten und Bürger mit Armbrüsten.
Jetter, Bürger von Brüssel, Schneider, tritt vor und spannt die Armbrust. Soest, Bürger von Brüssel, Krämer.
SOEST. Nun schießt nur hin, daß es alle wird! Ihr nehmt mir's doch nicht! Drei Ringe schwarz, die habt Ihr Eure Tage nicht geschossen. Und so wär ich für dies Jahr Meister.
JETTER. Meister und König dazu. Wer mißgönnt's Euch? Ihr sollt dafür auch die Zeche doppelt bezahlen; Ihr sollt Eure Geschicklichkeit bezahlen, wie's recht ist.
Buyck, ein Holländer, Soldat unter Egmont.
BUYCK. Jetter, den Schuß handl ich Euch ab, teile den Gewinst, traktiere die Herren: ich bin so schon lange hier und für viele Höflichkeit Schuldner. Fehl ich, so ist's, als wenn Ihr geschossen hättet.
SOEST. Ich sollte dreinreden: denn eigentlich verlier ich dabei. Doch, Buyck, nur immerhin.
BUYCK schießt. Nun, Pritschmeister, Reverenz! – Eins! Zwei! Drei! Vier!
SOEST. Vier Ringe? Es sei!
ALLE. Vivat, Herr König, hoch! und abermal hoch!
BUYCK. Danke, ihr Herren. Wäre Meister zu viel! Danke für die Ehre.
JETTER. Die habt Ihr Euch selbst zu danken.
Ruysum, ein Friesländer, Invalide und taub.
RUYSUM. Daß ich euch sage!
SOEST. Wie ist's, Alter?
RUYSUM. Daß ich euch sage! – Er schießt wie sein Herr, er schießt wie Egmont.
BUYCK. Gegen ihn bin ich nur ein armer Schlucker. Mit der Büchse trifft er erst, wie keiner in der Welt. Nicht etwa, wenn er Glück oder gute Laune hat; nein! wie er anlegt, immer rein schwarz geschossen. Gelernt habe ich von ihm. Das wäre auch ein Kerl, der bei ihm diente und nichts von ihm lernte! – Nicht zu vergessen, meine Herren! Ein König nährt seine Leute; und so, auf des Königs Rechnung, Wein her!
JETTER. Es ist unter uns ausgemacht, daß jeder –
BUYCK. Ich bin fremd und König, und achte Eure Gesetze und Herkommen nicht.
JETTER. Du bist ja ärger als der Spanier; der hat sie uns doch bisher lassen müssen.
RUYSUM. Was?
SOEST laut. Er will uns gastieren; er will nicht haben, daß wir zusammenlegen und der König nur das Doppelte zahlt.
RUYSUM. Laßt ihn! doch ohne Präjudiz! Das ist auch seines Herren Art, splendid zu sein und es laufen zu lassen, wo es gedeiht. Sie bringen Wein.
ALLE. Ihro Majestät Wohl! Hoch!
JETTER zu Buyck. Versteht sich: Eure Majestät.
BUYCK. Danke von Herzen, wenn's doch so sein soll.
SOEST. Wohl! Denn unserer spanischen Majestät Gesundheit trinkt nicht leicht ein Niederländer von Herzen.
RUYSUM. Wer?
SOEST laut. Philipps des Zweiten, Königs in Spanien.
RUYSUM. Unser allergnädigster König und Herr! Gott geb ihm langes Leben.
SOEST. Hattet Ihr seinen Herrn Vater, Karl den Fünften, nicht lieber?
RUYSUM. Gott tröst ihn! Das war ein Herr! Er hatte die Hand über den ganzen Erdboden und war euch alles in allem; und wenn er euch begegnete, so grüßt er euch wie ein Nachbar den andern; und wenn ihr erschrocken wart, wußt er mit so guter Manier – Ja, versteht mich – Er ging aus, ritt aus, wie's ihm einkam, gar mit wenig Leuten. Haben wir doch alle geweint, wie er seinem Sohn das Regiment hier abtrat – sagt ich, versteht mich – der ist schon anders, der ist majestätischer.
JETTER. Er ließ sich nicht sehen, da er hier war, als in Prunk und königlichem Staate. Er spricht wenig, sagen die Leute.
SOEST. Es ist kein Herr für uns Niederländer. Unsre Fürsten müssen froh sein wie wir, leben und leben lassen. Wir wollen nicht verachtet noch gedruckt sein, so gutherzige Narren wir auch sind.
JETTER. Der König, denk ich, wäre wohl ein gnädiger Herr, wenn er nur bessere Ratgeber hätte.
SOEST. Nein, nein! Er hat kein Gemüt gegen uns Niederländer, sein Herz ist dem Volke nicht geneigt, er liebt uns nicht; wie können wir ihn wieder lieben? Warum ist alle Welt dem Grafen Egmont so hold? Warum trügen wir ihn alle auf den Händen? Weil man ihm ansieht, daß er uns wohlwill; weil ihm die Fröhlichkeit, das freie Leben, die gute Meinung aus den Augen sieht; weil er nichts besitzt, das er dem Dürftigen nicht mitteilte, auch dem, der's nicht bedarf. Laßt den Grafen Egmont leben! Buyck, an Euch ist's, die erste Gesundheit zu bringen! Bringt Eures Herrn Gesundheit aus.
BUYCK. Von ganzer Seele denn: Graf Egmont hoch!
RUYSUM. Überwinder