Der Wüstensklave. J. D. Möckli
Читать онлайн книгу.was mir von ihnen bleibt, ist diese für sie unglaublich teure Schokolade und der Bernsteinanhänger. Sie haben mir alles gegeben, haben mir gezeigt, was es bedeutet, eine wahre Familie zu haben.« Jetzt sieht er Hazem direkt an. »Habt Ihr jemanden, den Ihr von ganzem Herzen liebt? Für den Ihr alles aufgeben würdet?«
Schweigend erwidert Hazem den Blick. Unwillkürlich schwirren unglaublich blaue Augen durch seinen Kopf und langes weißblondes Haar. »Ich gebe alles für mein Land auf. Ich bin sogar bereit, meinen eigenen Vater zu verraten, da er dem Land schadet.«
Ernst mustert Jamon Hazem. »Verstehe.« Mehr sagt er nicht, auch wenn er in dessen Augen etwas gesehen hat, was ihm sagt, dass sein Cousin dies alles nicht nur wegen des Landes macht. »Wir sollten wieder schlafen. Nach der Landung werden wir vermutlich kaum noch Gelegenheit dazu haben.« Kurz erstrahlt der Pharao in ihm und Hazem neigt ergeben sein Haupt. Jamon nickt Anna kurz zu, die sich daraufhin auf ihren Platz zurücksetzt.
Noch einmal trinkt Jamon einen Schluck Wasser. »Hazem, Ihr müsst mir nicht sagen, wem Euer Herz gehört, aber ich gebe Euch einen Rat: Wenn die auserwählte Person Eure Gefühle erwidert, dann kämpft um sie. Die Zeiten, in denen wir unsere Gefühle verleugnen und nur aus politischen Ambitionen heiraten, sollten endlich vorbei sein.« Eindringlich sieht er seinen Sitznachbarn an. »Es reicht, wenn mein Herz bricht und blutet, weil ich alles aufgeben muss. Tut Euch nicht dasselbe an.«
Hazem mustert Jamon eindringlich. »Ihr habt Euch sehr verändert, mein Pharao. Nur ist es mir nicht möglich, meinem Herzen zu folgen. Ich bin wie Ihr ein Nesut und uns ist persönliches Glück nicht geschenkt. Wir haben zu regieren und alles für unser Land zu geben. Denkt immer daran.« Auch wenn es ihm nicht richtig erscheint, sich so viel herauszunehmen, streckt er die Hand aus und legt sie auf Jamons. »Auch wenn wir unsere …«, er verstummt, als die Durchsage ertönt, dass der Landeanflug beginnt.
Nun regen sich auch die anderen. Mit undurchdringlicher Miene setzt Hazem sich wieder hin und schnallt sich an. Kurz sieht er zu Anna und beugt sich dann vor, um ihr Toshi abzunehmen. »Schnall dich an, wie ich es dir gezeigt habe«, befiehlt er kühl. Genau kontrolliert er, dass sie es auch richtig macht, ehe er ihr die Kleine wieder in die Arme legt. »Wir landen gleich, das bedeutet, dass es einen Ruck geben wird, wenn wir aufsetzen. Das ist ganz normal und kein Grund, Angst zu haben. Verstanden?«
Erst, als Anna demütig nickt, lehnt er sich in seinem Sitz zurück und entspannt sich etwas. Die neugierigen Blicke der Prinzessin und des Mediziners ignoriert er. Er muss ein Schmunzeln unterdrücken, als er daran denkt, wie dumm das Volk doch ist, zu glauben, dass die Mediziner, die sie als Medizimagi kennen, über magische Mittel verfügen würden. Woher der Gedanke so plötzlich kommt, kann er sich selbst nicht erklären.
Hazem behält Jamon aus dem Augenwinkel im Blick, als der Sinkflug beginnt. Diesmal hat der Pharao scheinbar keinerlei Probleme. Auch als das Flugzeug unerwartet heftig auf der Landebahn außerhalb Roms in der Nähe des alten Hafens von Ostia aufsetzt, zuckt er mit keiner Wimper, während Anna wieder kalkweiß ist. Durch die starke Bremsung hebt sich Hazems Magen und leichte Übelkeit setzt ein. Wie er es doch hasst, dass sein Körper so empfindlich reagiert.
Das Flugzeug rollt aus und steuert das private Terminal der kaiserlichen Familie an. Mit weißem Marmor verkleidet, scheint das Gebäude in der Morgensonne zu leuchten.
Als die Tür geöffnet wird, stürmen mehrere maskierte Soldaten in den engen Raum. »Prinzessin! Seid Ihr unverletzt?« Demütig verbeugt sich Mario di Modena vor ihr.
»Natürlich, Hauptmann di Modena. Was soll der Tumult?« Erhaben löst Helena den Gurt und steht auf. »Dies ist nicht der Empfang, den ich gewohnt bin!« Die elegant geschwungenen Augenbrauen zusammenziehend, sieht sie den groß gewachsenen Mann an.
»Verzeiht! Wir haben Meldung erhalten, dass sich Fremde kurz vor dem Start in Euer Flugzeug geschlichen haben. Euer Vater hat sich Sorgen gemacht und hat uns geschickt, um Euch zu befreien.« Noch immer den Blick gesenkt haltend, mustert Mario die vier Personen. Zumindest drei von ihnen kommen ihm entfernt bekannt vor. »Hoheit, was haben diese Leute hier zu suchen?«
Stolz reckt Helena ihr Kinn nach oben. »Das hat Euch nicht zu interessieren. Es ist äußerst wichtig, dass mein Vater sofort darüber informiert wird, dass ich ihn zusammen mit meinen Gästen sprechen muss.«
»Natürlich, Hoheit. Der Kaiser residiert derzeit im Hügelpalast Roms. Ich habe die Order, Euch dort hinzubringen.« Nur kurz hebt er den Blick, nur um ihn gleich wieder zu senken, als sie sich auch schon umwendet und mit scharfer Stimme die Anweisung gibt, das Gepäck auszuladen.
Bewegungslos hat Jamon das Geschehen verfolgt. Auch wenn die Situation ihn im ersten Moment erschreckt hat, ist er innerlich doch vollkommen ruhig, als er nun aufsteht und kurz über seinen vom Stoff verborgenen Anhänger streicht und in Gedanken seinem Sharik einen guten Morgen wünscht, bevor er den Korb nimmt. Plötzlich spürt er einen Blick auf sich ruhen und wendet sich um. »Hauptmann di Modena. Es ist lange her, dass wir uns über den Weg gelaufen sind«, spricht er den Mann in fließendem Italienisch an, der Hauptsprache, die in diesem Teil des römischen Großreiches gesprochen wird.
»Pharao Nesut-anch-Ra! Ihr lebt!«, ruft Mario ungläubig aus und verneigt sich tief. »Bitte verzeiht uns unsere Respektlosigkeit und dass ich Euch nicht gleich erkannt habe.«
Jamon lächelt nachsichtig und legt ihm die Hand auf die Schulter. »Erhebt Euch, Hauptmann. Es ist nicht Eure Schuld, dass ich mich nicht gleich zu erkennen gegeben habe. Außerdem muss ich Euch und Eure Leute bitten, über unsere Anwesenheit Stillschweigen zu bewahren. Noch soll niemand außerhalb der kaiserlichen Familie und der hier anwesenden Personen wissen, dass ich mit meinem Cousin und dem Hohepriester Seimon Marukosu hier bin.«
Mario runzelt die Stirn, nickt dann aber. »Wie ihr wünscht, Hoheit.« Er neigt den Kopf und gibt seinen Männern Anweisungen, dass das Terminal geräumt werden muss. »Es dauert einen Moment. Wo soll die Sklavin hingebracht werden?« Abschätzig mustert er Anna, die mit gesenktem Blick ihr Kind an sich drückt.
»Sie kommt mit uns ins Auto«, bestimmt Hazem und sieht di Modena mit einem Blick an, der jeden Widerspruch im Keim erstickt.
»Wie Ihr wünscht«, murrt der Hauptmann und sieht mit respektvoll geneigtem Haupt zur Prinzessin. »Bitte wartet einen Moment, bis wir alles vorbereitet haben«, bittet er sie demütig, gleichwohl es eine Anordnung ist.
Das Kinn erhoben nickt sie ihm mit verschränkten Armen knapp zu. »Tut, was getan werden muss. Aber lasst Euch nicht zu viel Zeit!«
Als der Hauptmann mit seiner Truppe weg ist, wendet sie sich Hazem zu. »Prinz Hazem, ich weigere mich, mit einer Sklavin im gleichen Auto zu sitzen. Schon schlimm genug, dass sie bei uns im Flugzeug saß.«
Beschwichtigend legt Seimon unauffällig die Hand auf Hazems Rücken. »Prinzessin, wir fahren natürlich in einem der hinteren Fahrzeuge mit. Es ist unauffälliger, wenn wir durch den Nebeneingang den Palast betreten und nicht mit Euch durch den Haupteingang schreiten.«
Lange sieht Helena den Hohepriester an. »Wie Ihr wollt.« Mit diesen Worten dreht sie sich um und rauscht, gefolgt von Poniz, aus dem Flugzeug.
»Sollten wir nicht warten?«, murrt Hazem, als er die Hand auf Annas Rücken legt und sie so durch den schmalen Gang führt.
»Seit wann ist mein Cousin so nett zu Sklaven?«, raunt Jamon dem Hohepriester zu, als er mit dem Korb über dem Arm neben dem alten Mann hergeht.
»Seit ihn das Baby um die kleine Faust gewickelt hat«, flüstert Seimon breit grinsend zurück.
Über die Gangway erreichen sie den breiten Gang des Terminals. Leise hallen ihre Schritte in dem mit weißem Marmor verkleideten Gebäude wider.
Ohne eine Miene zu verziehen, sieht sich Jamon in dem hell erleuchteten Gang um und wünscht sich unwillkürlich in den schwach erleuchteten Flur im Hause Mutsuo zurück. Ihn stößt dieser Prunk ab, dabei ist es hier noch relativ schlicht.
Der fensterlose Gang endet in einer mit Panzerglas verkleideten Halle, in der sich Statuen aus der Antike den Platz mit Werken aus der Renaissance teilen. Während sie darauf warten,