Die Gräfin von Ascot. Edgar Wallace

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Die Gräfin von Ascot - Edgar Wallace


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Zweitens spioniere ich junge Mädchen nicht aus, ebensowenig eine ehrbare Frau, die sich um die Erziehung einer ihr anvertrauten Person bemüht. Wenn Sie etwas wissen wollen, dann gehen Sie doch zu Mrs. Carawood und fragen sie.«

      »Das tue ich nicht, denn sie lügt mich doch nur an. Außerdem würde ihr Argwohn erregt werden. Das ist der schlechteste Rat, den Sie mir geben können!«

      »Glauben Sie?« erwiderte John ironisch und strich mit der Hand nachdenklich übers Kinn.

      »Sie lehnen also die Bearbeitung des Falles definitiv ab?«

      »Ja. Ich will nichts damit zu tun haben«, erklärte John energisch.

       »Wenn Sie mehr mit Damen verkehrten, würde ich sagen, daß Sie sich in Marie verliebt haben«, meinte Julian und seufzte tief.

      »Sie wissen doch, daß ich mir aus Frauen nicht viel mache«, entgegnete John kurz und öffnete dann die Tür, so daß Julian nichts übrigblieb, als fortzugehen.

      5

      Mrs. Carawood wurde Tag und Nacht von dem Gedanken gequält, daß Mr. John Morlay ein Privatdetektiv war. In ihrem kleinen Büro in der Penton Street dachte sie dauernd darüber nach. Diese Entdeckung hatte sie in panischen Schrecken gestürzt, und sie hatte sich von ihrem Entsetzen noch nicht wieder erholen können. Aber sie war jetzt wenigstens fähig, klar und vernünftig zu überlegen. Einen Entschluß hatte sie gefaßt: Sie mußte alles daransetzen, diesen jungen Mann auf ihre Seite zu ziehen. Er mußte ihr Freund werden, er durfte nicht eine unheimliche Drohung für sie bleiben. Aber wie sollte sie dieses Ziel erreichen?

      Er mochte Marie gern. Einen kurzen Augenblick hatte sie gesehen, wie er das junge Mädchen voll aufrichtiger Bewunderung und Verehrung anschaute. Gefühlsmäßig wußte sie, daß er nur nach Cheltenham gekommen war, um Marie zu sehen. Wer hatte ihm den Auftrag dazu gegeben? Die Familie Fioli war nahezu ausgestorben; es gab keine Mitglieder des alten Adelsgeschlechts, die sich für das Mädchen interessieren konnten. Manchmal war dieser schreckliche Gedanke allerdings schon in ihr aufgetaucht.

      Aber wenn andere Leute Privatdetektive bezahlen konnten, um die Geheimnisse um Marie zu lüften, konnte sie denn nicht auch derartige Leute engagieren, um sie zu hüten? Am Montag ging sie zu ihrem Rechtsanwalt und fragte ihn nach der Firma Morlay aus. Sie erfuhr, daß John bei seinen Geschäftsfreunden den besten Ruf genoß, und hielt es nun für ausgeschlossen, daß er eine Gefahr für sie bedeutete. Rasch entschied sie sich dafür, geradewegs in die Höhle des Löwen zu gehen.

      John Morlay war aufs höchste erstaunt, als sie ihm gemeldet wurde. Er schob seine Arbeit zur Seite und erhob sich.

       »Das ist aber ein unerwartetes Vergnügen, Mrs. Carawood«, begrüßte er sie freundlich.

      Ihre Lippen und ihr Gaumen waren trocken, und es dauerte ein paar Sekunden, bis sie sprechen konnte.

      »Ich komme in einer geschäftlichen Angelegenheit, Mr. Morlay«, erwiderte sie nervös.

      »Es tut mir leid, das zu hören«, entgegnete er lächelnd, während er ihr einen Stuhl hinschob. »Alle Leute, die herkommen, haben ihre Sorgen, und sie kommen erst dann zu mir, wenn sie von anderen Leuten rücksichtslos beschwindelt worden sind.«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Ich bin nicht beschwindelt worden – und ich glaube auch nicht, daß mich so leicht jemand betrügen kann.«

      Aus dieser Bemerkung schloß er, daß sie mit ihren geschäftlichen Erfolgen und ihrer Tüchtigkeit zufrieden sein konnte.

      »Nein, ich wollte Sie wegen einer anderen Sache fragen –«

      Sie machte eine Pause, und er sah sie erwartungsvoll an.

      »Es handelt sich um Mylady.«

      »Ach, Sie meinen die Gräfin Fioli?«

      Sein Interesse stieg aufs höchste, als sie nickte.

      »Sie ist doch nicht in irgendwelche Schwierigkeiten geraten?«

      »Nein. Mylady versteht nichts von Geschäften. Es ist – es ist etwas anderes.« Nach einer kleinen Pause fuhr sie fort: »Wie Sie sicher wissen, bin ich die Sachverwalterin für Mylady und kümmere mich auch um ihr Wohl und ihre Erziehung. Als ihre Mutter starb, war Mylady nur ein paar Wochen alt. Die Gräfin übergab mir das Kind, und ich habe ihr versprochen, alles zu tun, was in meinen Kräften steht. Und seit dieser Zeit habe ich für Mylady gesorgt.«

      »Sie sind wohl Witwe?«

      »Ja, ich stehe allein; ich habe keinen Menschen, auf den ich mich verlassen kann. Nicht einmal meinem eigenen Rechtsanwalt kann ich sagen, was ich Ihnen mitteilen möchte, Mr. Morlay, und gerade in diesem Augenblick fühle ich so sehr, daß ich die Hilfe eines Mannes brauche.«

      Sie machte wieder eine Pause. Als sie von zu Hause fortging, war ihr der Plan so überzeugend erschienen, aber nun fiel es ihr schwer, davon zu sprechen.

      »Ich brauche jemanden, der die Interessen der jungen Gräfin wahrnimmt«, sagte sie schnell, »jemanden, an den ich mich wenden kann, wenn es Schwierigkeiten und Sorgen geben sollte. Und ich dachte, Sie könnten mir vielleicht helfen.«

      Er war erstaunt über ihren Vorschlag, denn ein solches Angebot hatte er am letzten erwartet. Und er wollte auch nicht Beschützer und Schutzengel der Gräfin Fioli spielen.

      »Ich weiß nicht recht, wie Sie das meinen, Mrs. Carawood.«

      »Ach, Sie verstehen mich doch ganz gut«, sagte sie hartnäckig. »Wenn andere Leute Sie engagieren können, um Nachforschungen über die Gräfin anzustellen –«

      »Es hat mich niemand zu diesem Zweck engagiert«, unterbrach er sie. »Ich war nur neugierig, weil ich soviel von ihr gehört hatte.«

      Sie wußte instinktiv, daß das nur zu einem Teil wahr sein konnte, und vermutete, daß ihm tatsächlich ein Angebot gemacht worden war, das er aber abgelehnt hatte.

      »Ich habe mich wahrscheinlich nicht gut ausgedrückt, ich habe nicht die Bildung wie Sie«, erwiderte sie ein wenig hilflos. »Aber es ist doch schließlich nichts Besonderes, um was ich Sie bitte. Jeder Gentleman könnte das doch tun. Vielleicht handle ich nicht richtig, aber ich brauche einen Beschützer für das Mädchen. Mr. Morlay, ich kann Sie dafür bezahlen, ich bin nicht arm.«

      John lehnte sich in seinem Sessel zurück und beobachtete sie.

      »Ich glaube, ich verstehe Sie jetzt. Es ist Ihr Wunsch, daß ich in gewisser Weise auf die junge Gräfin aufpasse. Es ist nicht ungewöhnlich, daß reiche Leute Privatdetektive für solche Zwecke anstellen. Aber leider ist das nicht mein Fach.«

      Er sah die Enttäuschung in ihrem Gesicht.

      »Es wird mir aber ein Vergnügen sein, wenn ich eine derartige Tätigkeit ehrenhalber übernehmen darf«, fuhr er fort. »Das heißt, wenn Sie es gestatten und wenn es der jungen Dame selbst nicht unangenehm ist.«

      »Sie wollen mir also helfen, aber keine Bezahlung dafür annehmen?« fragte sie eifrig.

      »Sie haben mich vollkommen richtig verstanden.«

      Er lächelte sie an, aber sie schüttelte den Kopf.

      »Die Sache soll rein geschäftlich zwischen uns geregelt werden. Ich möchte nicht, daß Sie es umsonst tun, sonst würde ich das unangenehme Gefühl nicht los, daß –«

      Sie zögerte und suchte nach den rechten Worten.

      »Daß Sie mir verpflichtet sind?« ergänzte er nach einer kurzen Pause. »Aber was würde denn die Gräfin Fioli dazu sagen, wenn sie einen bezahlten Freund hätte?«

      Der Gedanke war ihr noch nicht gekommen, und sie überlegte.

      »Marie würde nichts dagegen haben«, erwiderte sie schließlich, »wenn ich es gern sehe. Wollen Sie es für mich tun?«

      Es war eigentlich ein ziemlich phantastischer Plan. Bei ruhigem Nachdenken hätte er ihn wohl


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