Die Stunde der Mätressen. Walter Brendel
Читать онлайн книгу.damit wandelte sich das Rollenbild der bloßen Geliebten des Fürsten zu dem der Mätresse, die in aller Regel dem Kreis der adligen Hofdamen und Ehrenjungfern entstammte. Unter Franz I. etablierte die Mätresse sich als inoffizielle Institution. Zwar war es für die Kirche offiziell ein Stein des Anstoßes, dass dergestalt öffentlich gegen das Verbot des Ehebruchs verstoßen wurde, die Kirche tolerierte jedoch die Situation, da der hohe Klerus – der meist dem Adel entstammte – am Hof verkehrte und sich teilweise selbst Mätressen hielt.
Es gab so etwas wie mildernde Umstände für Fürst und Mätresse. Landesherren und auch hohe Adlige mussten Frauen heiraten, die sie nicht freiwillig gewählt hatten. Da die so zustande kommenden Zwangsehen gegen die zentrale kirchliche Forderung nach Freiwilligkeit einer Eheschließung verstießen, neigten Theologen dazu, bei Fürsten und anderen hochstehenden Männern eine Ausnahme vom Gebot der Monogamie zu machen und ihnen Mätressen zuzugestehen.
Die Mätresse wurde im Laufe des 16., 17. und 18. Jahrhunderts an den Höfen immer mehr zu einer Alltäglichkeit und erhielt einen Status mit ungeschriebenen Rechten und Pflichten. Die Problematik der mit dem Fürsten häufig gezeugten Kinder wurde pragmatisch geregelt: War die Mätresse verheiratet, galten sie als Kinder des Ehemannes (der mit allerlei Vorteilen entschädigt wurde); war sie ledig oder verwitwet, wurden sie legitimiert. In beiden Fällen wurden die Töchter in der Regel später mit Hochadligen verheiratet und die Söhne, die für die Thronfolge als Legitimierte ausschieden, mit hohen Posten in der Armee oder der Kirche versorgt. Man kann davon ausgehen, dass viele Fürstinnen die Mätressen tolerierten, solange sie von ihnen mit dem gebotenen Respekt behandelt wurden, zumal auch sie selbst zwangsweise verheiratet worden waren und meistens keine tiefere Beziehung zu ihrem Gemahl hatten. Allerdings war es den Fürstinnen schon wegen der zu befürchtenden Schwangerschaften und Geburten so gut wie unmöglich, auch ihrerseits Geliebte zu haben.
Die Verhältnisse um Katharina die Große sind eher untypisch, da das Vorhandensein der ersten Geliebten hier geheim gehalten wurde, sich dabei allerdings offenbar einer gewissen Duldung durch den wohl nicht ganz zurechnungsfähigen Ehemann und die Zarin erfreute, die Katharinas Schwiegermutter war. Größere Offenheit in Bezug auf die späteren Geliebten zog hier erst ein, nachdem Katharina selbst Zarin geworden war.
Seinen Höhepunkt erreichte das Mätressenwesen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert. Madame de Maintenon und Madame de Pompadour besaßen nennenswerten Einfluss auf die Politik Frankreichs und förderten in eigener Initiative Künstler und Intellektuelle.
Auch an anderen Höfen im Europa jener Zeit blühte das Mätressenwesen. In Sachsen z. B. war Gräfin Cosel die offizielle Geliebte des Kurfürsten August des Starken. Nach dem Ende des Zeitalters der absoluten Herrscher war die klassische Epoche der Mätressen vorüber. Lola Montez beeinflusste allerdings noch den Bayernkönig Ludwig I.
Hinter jedem großen Mann steht eine große Frau. Manchmal auch zwei. Oder drei.
Mätressen galten häufig als die geheimen Herrscherinnen, deren Verführungskraft Könige, Fürsten, Päpste oder Sultane unterlagen. Ihretwegen verstrickten sich Landesherren in dramatische Konflikte zwischen Liebe und Macht. Ein Themenrahmen will ein Bild der Geliebten an der Seite der Herrscher zeichnen, und zwar ein Bild jenseits üblicher Klischees.
Mätressen faszinieren noch heute, weil sie ihre Männer nicht nur durch Schönheit, sondern auch durch Klugheit eroberten, weil sie Macht gewannen und diese zu nutzen verstanden. Mätressen verdanken ihren Erfolg weder Heirat noch Abstammung, sondern eigenem Handeln. Glanzvollen Epochen haben sie ihr Gepräge gegeben, dem Rom der Renaissance-Päpste ebenso wie dem Istanbul der Osmanen-Herrscher und dem Versailles des Sonnenkönigs.
Spätere Generationen unternahmen alles, um die skandalösen Spuren der Mätressen zu tilgen. Dass dies nicht gelungen ist und dass Geschichte nicht nur von Männern gemacht wird, soll dieses Buch zeigen, das ein Bild der Geliebten an der Seite der Herrscher jenseits üblicher Klischees zeichnen will.
Stellen wir die berühmtesten Mätressen in den einzelnen geschichtlichen Jahrhundertabschnitten näher vor. Begeben wir uns auf eine Zeitreise durch die königlichen Schlafzimmer.
Im 12. Jahrhundert
Rosamund Clifford
Eine Frau namens Rosamund Clifford war eine Mätresse König Heinrich II. und wegen ihrer Schönheit auch The Fair Rosamund oder die Rose of the World genannt. Ihr eigentlicher Name war Lady Jane de Clifford und sie wurde um 1150 auf Clifford Castle in Herefordshire geboren.
Königin Eleonore von Aquitanien mit Rosamund Clifford
Rosamund war die jüngste Tochter des Welsh Marches-Lord Walter Fitz Richard de Clifford und seiner Frau Lady Margaret de Tosny. Sie wuchs zusammen mit ihren beiden Schwestern, Amice und Lucy in Herefordshire auf. Während eines Feldzugs gegen Wales im Jahr 1165 lernte sie den englischen König Heinrich II. auf Clifford Castle kennen. Ihre Klugheit und Schönheit verzauberten den König und er machte sie zu seiner heimlichen Mätresse. Die Liaison wurde öffentlich, nachdem die Königin Eleonore von Aquitanien 1173 die Revolte ihrer Söhne unterstützte. Die Gründe für ihre Parteinahme gegen Heinrich sind nicht klar. Vielleicht fühlte sie sich - wie ihre Söhne - von der Machtausübung ausgeschlossen; möglicherweise war sie auch über den Ehebruch ihres Mannes, der in dieser Zeit im Bann von Rosamund Clifford stand, erbost. Nach der Niederschlagung des Aufstandes wurde sie bis zum Ende der Regierung Heinrichs II. unter Bewachung gestellt. 1175 dürfte Heinrich eine Scheidung erwogen haben, doch blieb Eleonore weiterhin Königin. Rosamund zog sich ins Kloster zurück; wo sie 1176 starb und bestattet wurde.
Ab dem 14. Jahrhundert kursieren unzählige Gerüchte, Balladen, romantische Geschichten und Legenden, wonach die eifersüchtige Königin Eleonore ihre Rivalin, Rosamund Clifford, aus Eifersucht im königlichen Palast zu Woodstock vergiftet habe. Erst im 19. Jahrhundert wurden sie als historisch unhaltbar widerlegt. Aus der Beziehung mit König Heinrich II. gingen drei illegitime Söhne hervor:
Geoffrey († 1212), Bischof von Lincolm (1173–1189) und Erzbischof von York (1189– 1212); William Longespée, 3. Earl of Salisbury († 1226) ∞ 1198 Lady Ela FitzPatrick, countess of Salisbury; Peter (1171–1176).
Im 14. Jahrhundert
Alice Perrers
Alice Perrers, geboren etwa 1325, sicher vor 1351war verheiratet mit William of Windsor (William de Wyndesore), Lord Lieutenant of Ireland.
Sie war Hofdame bei Philippa von Hainault, der Frau von Eduard III., und nach Philippas Tod in den 1360er Jahren die Geliebte von Eduard III., von dem sie drei uneheliche Kinder hatte, John de Southeray, Joan und Jane. Man geht davon aus, dass sie mit Älterwerden und Erkrankung von Edward III. großen Einfluss hatte und diesen unter anderem zugunsten von John of Gaunt, 1. Duke of Lancaster, zumindest anfangs, einsetzte. Nachgesagt wird ihr erhebliche Korruption.
Außerdem galt lange Zeit Nicholas Lytlington als Sohn der beiden. Dieser wurde jedoch bereits 1333 Mönch (also zu einem Zeitpunkt als Edward III. erst 21 Jahre alt war). Lytlington wurde 1352 Prior von Westminster und war von 1362 bis 1386 Abt von Westminster. Alice Perrers starb nach 1377.
Alice Perrers
König Edward stand stark unter dem Einfluss von Alice Perrers. Edward gab Alice Perrers die Juwelen und Kleider von Königin Philippa. Alice glänzte dadurch, dass sie in London die kostspielige Kleidung und die teuren Juwelen zu einem Turnier trug, indem sie mit einem triumphalen Wagen unter dem Titel der 'Dame von der Sonne' Einzug hielt.
Alice Perrers war von einer großen Schönheit, aber John Wycliffe beschrieb sie als "Werkzeug des Teufels".
Alice Perrers soll den alten König nach Meinung von Zeitgenossen mit okkulten Zaubersprüchen vernarrt haben. Ihr Arzt wurde nach Verkauf von Liebeszaubertrank festgenommen.
Ihre Einmischung in laufende Gerichtsverfahren, um Strafurteilen zugunsten ihrer Freunde oder von jenen zu sichern, die ihr einen Gefallen getan haben, führte zu ihrer Verbannung aus dem königlichen Haushalt durch das