Ivanhoe. Walter Scott

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Ivanhoe - Walter Scott


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Rossen gegönnt, dass sie sich verschnaufen konnten, dann gab der Prinz Johann von neuem mit seinem Stabe das Zeichen zum Angriff.

      Abermals sprengten die Reiter von ihrem Platz weg und prallten in der Mitte der Arena aufeinander – ebenso blitzschnell, ebenso gewandt und gewaltig, aber nicht mit dem gleichen Erfolg. Der Templer traf seines Gegners Schild so sicher und wuchtig, dass seine Lanze zerbrach und der Enterbte im Sattel wankte. Aber auch sein Feind hatte die Lanze auf den Schild gerichtet, im Moment des Anpralls aber stieß er nach dem Helm – eine sehr schwere Finte, die aber, wenn sie gelingt, den Getroffenen unwiderstehlich darnieder streckt. Aber selbst dieses erfolgreiche Manöver hätte vielleicht den Templer nicht um den Ruhm des Sieges zu bringen vermocht, wäre nicht sein Sattelgurt geplatzt. Dies brachte ihn zu Fall, und Mann und Ross wälzten sich am Boden, eine Staubwolke aufwirbelnd. Im nächsten Augenblick aber war der Templer auch schon aus dem Wirrwarr heraus und schwang sein Schwert, den Gegner zum Kampfe fordernd. Der Enterbte sprang vom Ross und schwang das Schwert. Die Marschälle aber traten zwischen sie und erinnerten daran, dass ein solcher Kampf gegen die Bestimmungen des Turniers wäre.

      »Wir treffen einander noch einmal!« rief der Templer und warf seinem Gegner einen furchtbaren Blick zu, »dann soll uns niemand trennen.«

      »An mir solls nicht liegen, wenn es nicht geschieht,« antwortete der Enterbte. »Zu Fuß, zu Ross, mit Lanze, Streitaxt oder Schwert bin ich jederzeit bereit, dir gegenüber zu treten.«

      Der Wortwechsel wäre vielleicht ausgeartet, wenn nicht die Marschälle mit gekreuzten Lanzen dazwischen getreten wären und die Streitenden gezwungen hätten, auseinander zu gehen. Der Enterbte kehrte auf seinen Platz zurück, und der Templer begab sich in sein Zelt, um den Rest des Tages in wilder Wut zu vergrollen. Der Sieger stieg nicht erst vom Pferd, sondern ließ ohne weiteres, nachdem er einen Becher Weines auf das Wohl aller englischen Herzen und den Untergang aller fremden Tyrannen getrunken hatte, durch seinen Trompeter alle Streiter zum Kampfe rufen, indem er ihnen gleichzeitig durch einen Herold sagen ließ, dass er sie erwarte, in welcher Reihenfolge es ihnen zu kommen beliebte.

      Der riesenhafte Front-de-Boeuf war der erste, und in seiner schwarzen Rüstung sprengte er heran. Sein Schild trug einen schwarzen Ochsenkopf, halb verwischt schon durch manchen Kampf und die prahlerische Devise: Cave, adsum (hüte dich, ich bin da)! Der Enterbte errang über ihn einen mühelosen Sieg. Beide Kämpen brachen zierlich die Lanze, aber Front-de-Boeuf hatte einen Steigbügel im Kampfe verloren und wurde deshalb für besiegt erklärt.

      Im Gange gegen Philipp de Malvoisin traf er den Baron so wuchtig gegen den Helm, dass die Schuppenketten platzten und der Helm herunterflog – nur diesem Umstande hatte es Malvoisin zu verdanken, dass er selbst nicht vom Pferde stürzte. Wie sein Vorgänger wurde auch er für überwunden erklärt.

      Im dritten Gange gegen Grant-Mesnil bewies der Enterbte ebenso viel Galanterie wie bisher Mut und Gewandtheit. Grant-Mesnils Pferd war jung und wild und ging mit seinem Reiter durch, der Fremde aber verschmähte den Vorteil, den ihm dieses Missgeschick seines Gegners bot, und ritt an ihm vorbei, die Lanze senkend, ohne ihn zu berühren. Dann drehte er um und kehrte auf seinen Platz zurück. Er ließ Grant-Mesnil einen zweiten Kampf anbieten, der aber abgelehnt wurde, denn der Ritter betrachtete sich selber für überwunden, eben sowohl durch die Galanterie wie durch die Tüchtigkeit seines Gegners.

      Der Gang mit Ralph de Vipont vervollständigte den Triumph des Enterbten. Vipont wurde mit solcher Wucht zu Boden geworfen, dass ihm das Blut aus Mund und Nase floß und er bewusstlos aus den Schranken getragen wurde.

      Als der Prinz und die Marschälle einstimmig erklärten, dass dem Enterbten die Palme des Tages gebühre, brach allseitiger, vielstimmiger Jubel aus. William de Wywil und Stephan de Martival waren die ersten, die dem Sieger ihre Glückwünsche darbrachten. Gleichzeitig ersuchten sie ihn, den Helm zu lösen oder doch wenigstens das Visier hochzuschlagen, um aus den Händen des Prinzen Johann den Preis des Turniers zu empfangen. Mit ritterlichem Anstand schlug der Enterbte dieses Ansuchen ab, er könne jetzt sein Gesicht noch nicht zeigen, aus welchen Gründen, habe er bei seinem Eintritt in die Schranken den Herolden mitgeteilt. Die Marschälle erkannten ohne weiteres seine Weigerung an, denn es war damals ein sehr häufiges Vorkommnis, dass ein Ritter sich selbst wunderliche Gelübde leistete, und in der Regel lautete ein solches Gelübde dahin, eine Zeitlang unbekannt zu bleiben. Die Marschälle drangen daher nicht weiter in den fremden Ritter, sein Geheimnis preiszugeben, sondern zeigten dem Prinzen Johann an, dass sich der Sieger nicht zu erkennen geben wolle und baten seine Hoheit, ihn vortreten zu lassen und ihm den Lohn seiner Tapferkeit zu erteilen.

      Der enterbte Ritter trat also an die Treppe heran, die zu dem Thron des Prinzen hinaufführte, und Johann spendete ihm das übliche Lob für seinen Sieg, und der Ritter, ohne ein Wort zu erwidern, verneigte sich tief. Dann wurde das Pferd, das ihm als Preis zufiel, in die Schranken geführt. Es war mit dem kostbarsten Zaumzeug bedeckt, aber der Kenner hätte auch ohnedies den Wert des Tieres richtig geschätzt. Der Enterbte legte die Hand auf den Sattelknauf und schwang sich ohne Bügel auf den Rücken des Arabers. Die Lanze schwingend, führte er es dann zweimal durch die Schranken, alle Vorzüge seines Pferdes und alle seine eigenen Künste als Meister der Reitkunst zeigend. Eine solche Parade mochte als Eitelkeit erscheinen, dies wurde aber dadurch wieder ausgeglichen, dass der Ritter den vollen Wert des Geschenkes zeigte, das ihm vom Prinzen zuteil geworden war, und so lohnte lauter Beifall seinen zierlichen Rundritt. Inzwischen hatte der Prior von Jorlvaux den Prinzen leise daran erinnert, dass der Sieger nun auch seinen guten Geschmack zu beweisen habe und unter den versammelten Schönheiten die Königin des Liebreizes und der Minne erwählen müsse, die im Turnier des folgenden Tages den Preis austeilen solle.

      Als der Ritter zum zweiten Mal um die Schranken herumgeritten war, winkte ihm daher der Prinz mit dem Stabe, und sofort drehte der Ritter sein Pferd dem Throne zu, die Lanze zur Erde senkend, bis sie nur einen Fuß hoch vom Boden abstand. So hielt er regungslos, der Befehle des Prinzen harrend. Aller Augen staunten über die Gewandtheit, mit der er das Pferd, das eben noch im vollen Galopp begriffen war, mit einem Ruck zur Bewegungslosigkeit einer Statue brachte.

      »Herr Enterbter!« sagte Prinz Johann, »denn das ist der einzige Titel, den wir Euch geben können, Ihr habt nun die Pflicht, die schöne Lady zu ernennen, die dem Feste des kommenden Tages als Königin des Liebreizes und der Minne präsidieren soll. Wenn Ihr ein Fremder in unserem Lande seid und des Urteils eines anderen bedürft, so können wir Euch nur sagen, dass Lady Alicia, die Tochter des tapferen Ritters Waldemar Fitzurse, an unserem Hofe seit langem als die erste dem Range und der Schönheit nach gilt. Freilich ist es Euer unbestrittenes Recht, die Krone nach eigenem Belieben auszuteilen. Die Lady, der Ihr sie überreicht, ist nach Form und Recht die Königin des morgenden Tages. Hebt Eure Lanze hoch!«

      Der Ritter gehorchte und der Prinz heftete an die Spitze der Lanze eine Krone von grünem Atlas mit einem Goldreifen, dessen oberer Rand von Pfeilspitzen und Herzen besetzt war, die miteinander wechselten wie die Stachelbeerblätter und Kugeln an einer Herzogskrone.

      Waldemar Fitzurse war der erste und einflussreichste unter den Ratgebern des Prinzen, sozusagen sein Premierminister, obwohl er noch nicht Monarch war. Sein Wink auf die die Tochter dieses Mannes entsprang dem Wunsche, ihn, den er fürchtete, sich zu Dank zu verpflichten. Außerdem hatte er es selber auf die Gunst der Lady abgesehen, denn Prinz Johann, der kein verworfenes Mittel scheute, seine Ehrsucht zu befriedigen, scheute ebenso kein Mittel, seiner Wollust Genüge zu tun. Im stillen hegte er auch den Zweck, dem enterbten Ritter, dessen geheimnisvolle Person ihm verdächtig erschien und der ihm mehr und mehr zu missfallen begann, in Waldemar Fitzurse einen mächtigen Feind zu erwecken, denn er war der Meinung, dass dieser Edelmann nie die Kränkung verzeihen würde, wenn der Sieger in der Wahl der Königin des Turniers seine Tochter überginge. Und in der Tat traf der Enterbte eine andere Wahl. An der Tribüne neben dem königlichen Sitz, wo Lady Alicia im vollen Bewusstsein ihrer obsiegenden Schönheit saß, ritt er ohne Zaudern vorüber. Er ließ sein Pferd jetzt ebenso langsam durch die Schranken reiten, wie er es vorher rasch herumgetrieben hatte und schien sein Recht, die vielen schönen Gesichter, die den bunten Glanz des Kreises erhöhten, eingehend zu mustern, mit voller Muße ausüben zu wollen.

      Recht spaßhaft war es zu schauen, mit wie verschiedenem Benehmen die Mädchen diese Prüfung


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