Reise durch die Sonnenwelt. Jules Verne

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Reise durch die Sonnenwelt - Jules Verne


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ein beträchtliches Stück der Erdkugel absprengen könnte. Nehmen wir diesen Fall an, so wäre die ungeheure Scheibe, welche wir in der Nacht nach der Katastrophe ja Alle gesehen haben, nichts Anderes gewesen als jener aus seiner Bahn abgelenkte Komet, dessen Schnelligkeit doch eine so große war, daß ihn die Erde im Centrum ihrer Attraction nicht festzuhalten vermochte.

      – Das scheint mir wirklich die einzige Erklärung für jenes unbekannte Gestirn zu sein, wiederholte Kapitän Servadac.

      – Somit hätten wir ja, sagte Graf Timascheff, eine neue, scheinbar recht annehmbare Hypothese Sie setzt unsere eigenen Beobachtungen mit denen des Professor Rosette in Uebereinstimmung. Den Namen ›Gallia‹ hätte er also dem Wandelstern beigelegt, durch den wir jenen Stoß erlitten.

      – Ohne Zweifel, Graf Timascheff.

      – Sehr schön, Kapitän, und doch bleibt ein mir dunkler Punkt zu erklären übrig.

      – Und welcher?

      – Nun, daß sich der gelehrte Herr mehr mit dem Kometen beschäftigt zu haben scheint als mit dem Erdbruchstück, das ja auch ihn selbst in den Weltraum entführte.

      – O, Graf Timascheff, antwortete Kapitän Servadac, Sie glauben gar nicht, welch sonderbare Käuze solche Fanatiker der Wissenschaft manchmal sind, und der meinige gehört unter die tollsten.

      – Uebrigens, bemerkte Lieutenant Prokop, könnte die Berechnung der Elemente der Gallia recht wohl aus der Zeit vor dem Zusammentreffen herrühren. Der Professor wird den Kometen haben kommen sehen und beobachtete ihn gewiß schon vor der Katastrophe.«

      Diese Andeutung Lieutenant Prokop's schien für sich selbst zu sprechen; jedenfalls vereinigten sich Alle in der Annahme der Hypothese Kapitän Servadac's. Nach dieser wäre also der ganze Sachverhalt folgender:

      Ein die Ekliptik schneidender Komet war in der Nacht vom 31. December zum 1. Januar mit der Erde zusammengestoßen und hatte von dieser ein nicht unbeträchtliches Stück abgesprengt, welches nun selbstständig durch den interplanetarischen Weltraum gravitirte.

      Wenn die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften auf der Gallia auch die volle Wahrheit noch nicht erkannten, so waren sie dieser doch bestimmt sehr nahe gekommen.

      Nur Palmyrin Rosette war im Stande, das vorliegende Problem vollständig zu lösen.

      Zweites Kapitel

      Dessen letzten Wort dem Leser lehrt, was er ohne Zweifel schon vorher errathen halte.

      So verlief also der 19. April. Während ihre Vorgesetzten sich in dieser Weise besprachen, betrieben die Kolonisten ihre gewohnten Arbeiten. Das unerwartete Erscheinen des Professors auf der Scene der Gallia vermochte sie keineswegs besonders zu erregen. Die Spanier, bei ihrer natürlichen Sorglosigkeit, und die Russen, bei dem felsenfesten Vertrauen zu ihrem Herrn, beunruhigten sich weder über sichtbare Wirkungen, noch über deren Ursachen. Ob die Gallia jemals nach der Erde zurückkehrte, oder ob sie auf derselben leben, d.h. auch hier sterben sollten, das bekümmerte sie nicht im Geringsten. Auch während der folgenden Nacht ließen sie sich um keine Stunde Schlaf bringen und schlummerten wie Philosophen, welche nichts zu beunruhigen vermag.

      Der zum Krankenwärter umgewandelte Ben-Zouf verließ das Lager des Professor Rosette nicht einen Augenblick. Er hatte die Sache zur seinigen gemacht und sich einmal in den Kopf gesetzt, jenen wieder auf die Füße zu bringen. Seine Ehre war hierbei im Spiele. Wie pflegte er ihn aber auch! Welch' gewaltige Quantitäten seiner Herzstärkungen flößte er ihm bei der geringsten Gelegenheit ein! Wie zählte er seine Seufzer! Wie lauschte er auf jedes Wort, das von seinen Lippen kam! Um wahr zu sein, müssen wir hier bemerken, daß der Name »Gallia« in Palmyrin Rosette's unruhigem Schlummer häufig, und bezüglich seiner Betonung von der einfachen Unruhe bis zum Zorne wechselnd, wiederkehrte. Träumte vielleicht der Professor, daß man ihm seinen Kometen stehlen, die Entdeckung der Gallia bestreiten, ihm die Priorität seiner Beobachtungen und Berechnungen ableugnen wollte? – Das konnte wohl sein. Palmyrin Rosette gehörte zu den Leuten, welche selbst im Schlafe wüthend werden.

      Trotz seiner schärfsten Aufmerksamkeit gelang es dem Krankenwärter doch nicht, aus jenen unzusammenhängenden Worten etwas zu verstehen, was das große Problem seiner Lösung näher gebracht hätte. Uebrigens schlief der Professor die ganze Nacht hindurch, anfänglich noch mit leisen Seufzern, später aber mit lautem Schnarchen von bester Vorbedeutung.

      Als die Sonne sich schon über dem westlichen Horizonte der Gallia erhob, schlummerte Palmyrin Rosette noch immer, und Ben-Zouf erachtete es für angemessen, seine Ruhe nicht zu stören. Uebrigens wurde die Aufmerksamkeit der Ordonnanz gerade jetzt durch einen kleinen Zwischenfall abgeleitet.

      Es klopfte nämlich Jemand wiederholt an die starke Thür, welche die Hauptgalerie des Nina-Baues abschloß. Diese Thür diente nicht etwa zur Abhaltung unliebsamer Besucher, sondern nur zum Schutz gegen die Kälte.

      Ben-Zouf verließ seinen Pflegebefohlenen auf einen Augenblick; bald aber glaubte er, unrecht gehört zu haben, und kehrte wieder um, da er sich nicht als Portier betrachtete, und Andere da waren, welche, minder beschäftigt als er, den. Riegel entfernen konnten. Er verhielt sich also ganz still.

      Im Nina-Bau lag Alles noch in tiefem Schlafe. Das Geräusch wiederholte sich. Offenbar rührte es von einem lebenden Wesen her, das mit irgend einem Instrumente gegen die Thür schlug.

      »In drei Teufels Namen, das ist zu arg! fuhr Ben-Zouf auf. Wer zum Kuckuck mag das sein?«

      Er ging nach der Hauptgalerie zu.

      Bei dieser Thür angelangt, fragte er ärgerlich:

      »Wer da?

      – Ich bin's, erklang die Antwort mit süßlicher Stimme.

      – Wer ist ›Ich‹?

      – Isaak Hakhabut.

      – Und was begehrt Ihr, Astaroth?

      – Daß Sie mir die Thür öffnen, Herr Ben-Zouf.

      – Was wollt Ihr hier? Eure Waaren verkaufen?

      – Sie wissen ja, daß Niemand Luft hat, sie zu bezahlen.

      – Nun, so scheert Euch zum Teufel!

      – Mein Herr Ben-Zouf, fuhr der Jude in fast bittendem Tone fort, ich möchte Seine Excellenz den Herrn General-Gouverneur sprechen.

      – Er schläft noch.

      – Ich warte, bis er erwacht.

      – Gut, so wartet da, wo Ihr jetzt seid, Abimelech.«

      Ben-Zouf wollte eben wieder nach seinem Posten zurückkehren, als Kapitän Servadac, den das Geräusch geweckt hatte, dazu kam.

      »Was giebt's, Ben-Zouf?

      – O, nichts, oder doch so gut wie nichts. Der Kerl, der Hakhabut ist draußen und will Sie sprechen.

      – Nun gut, so öffne ihm, antwortete Hector Servadac. Ich muß doch erfahren, was ihn heute hierher führt.

      – Jedenfalls nur sein eigenes Interesse.

      – Oeffne die Thür, sag' ich Dir!«

      Ben-Zouf gehorchte. Sofort drängte sich Isaak Hakhabut, in seinen alten, langen Ueberrock gehüllt, herein. Kapitän Servadac ging nach dem Hauptsaale und der Jude folgte ihm mit den devotesten Ehrenbezeigungen.

      »Was wollt Ihr, fragte Kapitän Servadac und sah Isaak Hakhabut gerade in's Gesicht.

      – O, Herr General-Gouverneur, wissen Sie denn seit einigen Stunden gar nichts Neues?

      – Wie, Ihr denkt hier Neuigkeiten zu erfahren?

      – Gewiß, Herr Gouverneur, und ich hoffe, Sie werden haben die Güte, sie mir mitzutheilen.

      – Ich werde Euch gar nichts mittheilen können, Meister Isaak, denn ich weiß selbst nichts.

      – Nun, es ist doch gekommen noch ein Mann gestern hierher nach


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