Anhaltender Schmerz. Ute Dombrowski
Читать онлайн книгу.„Nein, ich schaffe das schon, es ist nur so deprimierend. Sie stehen am Anfang ihres Lebens, wollen eine Familie gründen und Spaß haben … und dann wird er erstochen.“
„Vielleicht war er gar nicht nett und sie hat ihn aus dem Weg geräumt.“
Bianca zuckte zusammen, denn die junge Frau, die Ihnen jetzt öffnete, war hochschwanger. Sie lächelte und die Kommissarin wünschte sich ans Ende der Welt. Sie sah Ferdinand an und er verstand: Sie mussten einen Arzt rufen.
„Frau Bern? Ich bin Bianca Verskoff von der Kriminalpolizei und das ist mein Kollege Ferdinand Waldhöft, dürfen wir Sie einen Moment sprechen?“
Als sie Biancas Blick sah, verschwand das Lächeln aus Tiana Berns Gesicht. Ihre Augen weiteten sich.
„Ist Eick etwas passiert?“
Bianca nickte und führte sie am Arm ins Haus. In der Küche zog sie einen Stuhl heran und suchte nach einer Tasse oder einem Glas, um der Frau, die blass geworden war, Wasser zu geben. Ferdinand telefonierte mit dem Notarzt.
Bianca setzte sich zu Tiana und sagte leise: „Frau Bern, Ihr Mann ist vor zwei Stunden tot aufgefunden worden.“
„Er wollte doch nur joggen … sie irren sich … nein, nein …“
Bianca strich ihr über den Arm.
„Es tut mir sehr leid, aber es ist die Wahrheit. Mein Kollege hat einen Arzt gerufen. Wann ist es denn soweit?“
Sie zeigte auf den sehr großen runden Bauch.
„In … in zwei Wochen. Oh nein, hatte er einen Herzinfarkt? Einen Unfall?“
„Er wurde erstochen.“
Jetzt begann Tiana den Kopf zu schütteln und Bianca hatte Sorge, dass diese Bewegung die Frau vom Stuhl reißen würde. Sie stand auf und legte einen Arm um die Schwangere.
„Wer tut so etwas?“, flüsterte Tiana.
Dann wurde sie bewusstlos, Bianca und Ferdinand konnten sie gerade noch auffangen, um sie auf dem Boden abzulegen. In dem Moment hörten sie den Notarzt und schauten sich an.
„Was für eine Scheiße.“
Bianca nickte und setzte sich auf den Boden. Es tat immer weh wie beim ersten Mal, wenn sie jemandem die Nachricht vom Tod eines Angehörigen überbrachte. Man gewöhnte sich nie daran, aber heute war es besonders furchtbar.
„Sie sollten Eltern werden und ihr Kind aufwachsen sehen, nun ist sie allein, weil irgendein Idiot ihren Mann töten musste. Sie war es ganz sicher nicht.“
Jetzt kam Tiana wieder zu sich und ein irrer Schrei entfloh ihrer Brust.
„Wer tut so etwas? Er war nur joggen! Wie jeden Morgen! Er will doch den Marathon laufen!“
Bianca versuchte sie zu beruhigen, aber Tiana rappelte sich hoch.
„Wie soll ich denn ohne Eick leben?“, schrie sie hysterisch.
„Bitte, Frau Bern, Sie müssen sich beruhigen, bitte!“, flehte Bianca. „Denken Sie an das Baby. Es braucht Sie.“
Tiana legte ihre Hände auf den Bauch und wurde vom Weinen geschüttelt.
„Mein Kleiner, ich bin bei dir“, flüsterte sie, „ich liebe dich so sehr. Wir waren glücklich.“
Sie schaute Bianca an und es schien, als hätte sie die Berührung des Bauches aus ihrer Panik gerettet.
„Sie schaffen das, Sie beide. Es wird ein Junge?“
Tiana nickte nur und rieb weiter den Bauch.
Jetzt liefen eilig der Notarzt und zwei Rettungssanitäter in die Küche und Bianca trat zur Seite. Der Arzt kontrollierte den Zustand der Frau, runzelte die Stirn und wies die beiden Rettungssanitäter an, die Trage zu holen.
„Wir nehmen Sie mit ins Krankenhaus, Frau Bern, wo haben Sie Ihre Tasche?“
Die Frau zeigte in Richtung Flur und Bianca fand dort eine kleine Reisetasche. Sie griff nach den Papieren, die daneben auf dem Schrank lagen und steckte sie mit ein. Ihre Karte legte sie obenauf. Tiana nickte nur, als sie das sah.
„Frau Bern, wenn Sie irgendetwas brauchen, melden Sie sich. Sollen wir jemanden anrufen?“
„Ja, am Kühlschrank hängt eine Liste. Danke, Frau Verskoff.“
Die Sanitäter legten die Schwangere auf die Trage und brachten sie in den Rettungswagen. Der Notarzt erklärte, wohin sie gebracht wurde und dann fuhren sie auch schon weg. Bianca fotografierte die Liste, zog die Haustür zu und setzte sich draußen auf die Treppe. Sie legte den Kopf auf die Arme und stöhnte. Ferdinand hockte sich zu ihr und streichelte sie sanft.
„Es ist so schrecklich. Wir müssen den Täter finden. Ich hoffe nur, der Tote war ein guter Mann und ich muss ihr nicht auch noch sagen, dass er etwas Schlimmes gemacht hat.“
„Ja, meine Liebe, ich hoffe, wir finden den Typen schnell, der ihnen das angetan hat. Wir können sie in ihrem Zustand aber unmöglich befragen. Lassen wir ihr ein wenig Ruhe.“
Jetzt straffte sich Bianca und stand auf. Sie umarmte Ferdinand, nickte zuversichtlich und dann machten sie sich auf den Weg ins Präsidium.
Eine halbe Stunde später rief Dr. Jonn an.
„Der Täter muss sehr wütend gewesen sein, der arme Kerl wurde von vierzig Messerstichen getroffen. Der Mörder hat noch auf ihn eingestochen, als er schon längst tot war. Das Opfer muss im Todeskampf versucht haben, sich wegzurollen, darum gibt es hinten auch Einstiche. Ich möchte nicht wissen, welches Motiv dahintersteckt, aber es muss etwas Schlimmes sein.“
Ferdinand legte auf und gab das Gesagte wieder. Bianca starrte ihn an.
„Oh mein Gott, was hat Eick getan, dass er so sterben musste?“
Jetzt fiel ihr die Nachricht ein, die sie am Morgen auf dem Handy gelesen hatte. Sie schüttelte sich, um diesen Gedanken wieder loszuwerden, denn im Moment hatten sie etwas Wichtigeres zu tun, als nach diesem Witzbold zu suchen: Sie mussten den Mörder des Joggers finden.
„Wir brauchen das Motiv, dann haben wir den Täter.“
„Denkst du, es war ein gezielter Anschlag auf Eick Bern?“
Bianca zuckte mit den Schultern.
„Denkst du, es wird nochmal passieren?“
„Glaubst du … an einen …“
„Serientäter? Nein, ich weiß nicht. Es kann ja nicht sein, dass sich alle Serienkiller in Eltville niederlassen. Aber ausschließen können wir es zurzeit nicht. Lass uns Eric informieren.“
„Worüber? Den Mord am Rheinparkplatz?“
Der Staatsanwalt hatte nicht geklopft, sondern nur die Tür aufgedrückt, denn er balancierte einen Blumentopf herein und unter seinem Arm klemmte ein Geschenk.
„Ferdinand, kannst du mir das mal abnehmen? Das ist für dich zum Neustart als Chef. Du darfst es aber erst morgen aufmachen.“
Eric grinste, weil er wusste, dass der Kommissar sich freuen würde. Es war eine Tasse. Auf gelbem Grund prangte die Aufschrift: Boss!
3
Am ersten Mai strahlte die Frühlingssonne mit Ferdinand um die Wette. Er hatte schon gestern sein neues Büro bezogen und seine Freunde, die heute extra ins Präsidium gekommen waren, wünschten ihm alles Gute für den Chef-Posten. Der offizielle Teil würde am Montag kommen.
Bianca hatte vorgeschlagen, schön essen zu gehen, aber Ferdinand lehnte ab.
„Ich bin froh, dass ich das hier gemacht habe und ich fühle mich hier wohl. Wenn etwas dazwischen kommt, sind wir direkt vor Ort.
Bianca hatte gehofft, am Feiertag