Anhaltender Schmerz. Ute Dombrowski

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Anhaltender Schmerz - Ute Dombrowski


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      „Eine Straftat. Einen Überfall? Eine Drogenübergabe? Der Fundort ist ein Parkplatz, da käme das schon infrage.“

      „Mensch, ich dachte immer: Eltville, Rheingau, Idylle pur.“

      „Du dachtest, du kannst hier gemütlich deine Dienstzeit absitzen?“

      Robin zuckte mit den Schultern und grinste schuldbewusst. Er hatte natürlich vorher im Internet recher­chiert, in welche Gegend er sich versetzen ließ. Konnte man denn ahnen, dass hier so viel los war?

      „Ach was“, brummte er, „besser als zu Tode langweilen.“

      „Das ist die richtige Einstellung. Du kennst ja Hannes schon. Er arbeitet oft bei uns und ist die Verbindung ins Rhein-Main-Gebiet. Fahr doch mal zu ihm und finde heraus, ob an der Drogen-Idee etwas dran sein könnte.“

      Nachdem Robin das Büro verlassen hatte, setzte sich Bianca an den Schreibtisch. Sie fuhr den Computer hoch und ließ die vergangenen Fälle an sich vorüberziehen. Wer könnte ihr mit dem Tod drohen?

      Nach einer Stunde wusste sie immer noch nicht, wie sie die beiden Nachrichten einordnen sollte. Eigentlich muss ich Ferdinand informieren, dachte sie. Und Eric. Oh weh, Eric und Ferdinand würden sie sofort aus dem Verkehr ziehen und in Watte packen.

      „Nein!“, rief sie entschlossen. „Ich muss dieses Problem selbst lösen.“

      Sie recherchierte die beiden Telefonnummern, doch sie wiesen nur auf zwei Prepaid-Nummern hin, die nicht nachzuverfolgen waren. Als ihr einfiel, dass sie ja einfach nur ein neues Handy bräuchte, hatte sie einen Plan. Sie zog sich an und fuhr auf den Parkplatz am Rhein. Sie tat so, als würde sie alles nochmal untersuchen und ging später ans Ufer. Hinter den Bäu­men sah sie niemand und so holte sie aus und warf das Handy mit Schwung in das dunkle Wasser.

      „Oh je, jetzt ist mir doch glatt das Handy in den Rhein gefallen.“

      Sie fuhr zurück ins Büro und setzte sich an den Computer, um nach einem Geschäft zu suchen, in dem sie sich ein neues Handy kaufen konnte. Kurze Zeit später rief Eric auf dem Festnetztelefon an.

      „Ja bitte?“

      „Schatz, ich versuche dich schon eine halbe Stunde zu erreichen. Warum gehst du nicht dran? Wo bist du?“

      „Ich sitze im Büro.“

      „Warum gehst du nicht ans Handy?“

      „Es ist mir in den Rhein gefallen.“

      „Ach du je! Wie konnte das denn passieren? Kein Wunder, dass ich dich nicht erreiche. Pass auf, ich habe Hunger. Lass uns etwas essen gehen, dann erzählst du mir die Geschichte und wir kaufen dir ein neues Telefon, einverstanden?“

      Bianca sagte zu, zog sich an und wartete auf Eric, der versprochen hatte, sie abzuholen. Sie lächelte und atmete tief durch.

      6

      Der Sonntagmorgen begann mit einer weiteren Leiche. In der Nacht hatte man eine tote Frau am Bahnhof gefunden. Sie war mit zahlreichen Messerstichen hingerichtet worden. Bei Falk, den man aus dem Bett geholt hatte, klingelten alle Alarmglocken. Nach einer nächtlichen Obduktion stand fest: Die Frau war mit demselben Messer getötet worden wie Eick Bern. Um sieben Uhr rief er bei Bianca an, die noch in den Armen von Eric lag und tief und fest schlief. Weil sie nicht dranging, wählte er die Nummer des Staatsanwaltes.

      Eric war wach geworden und hatte nach dem Telefon auf dem Nachttisch gegriffen. Dann war er aus dem Schlafzimmer geschlichen.

      „Auf Biancas Handy meldet sich niemand, aber ich dachte mir, dass ihr beide zusammen seid.“

      „Ja, Bianca hat ihr Handy in den Rhein fallen lassen. Wir haben zwar ein neues gekauft, aber sie muss euch noch die Nummer sagen. Was ist denn passiert?“

      „Eine junge Frau wurde gefunden, erstochen. Und weil es so viele Messerstiche waren, die sie getötet haben, musste ich direkt an euch denken. Ich hatte sie heute Nacht auf dem Tisch. Es war dieselbe Waffe wie bei Eick Bern.“

      „Mist! Das darf doch nicht wahr sein?“

      „Was darf nicht wahr sein?“, hörte Eric jetzt Biancas Stimme hinter sich.

      „Wir machen uns auf den Weg, so schnell wir können“, sagte er in den Hörer und legte auf.

      Dann drehte er sich zu Bianca um, nahm sie in den Arm und küsste sie.

      „Falk hat eine Leiche auf dem Tisch und es scheint, als wenn unser Messerstecher erneut zugeschlagen hat.“

      Bianca zog die Luft durch die Zähne und ließ Eric los.

      „Das darf wirklich nicht wahr sein. Lass uns frühstücken und in die Gerichtsmedizin fahren. Ich habe zwar heute frei, aber wenn es zu unserem Fall gehört, dann möchte ich das jetzt wissen. Ich gehe ins Bad, du rufst Robin an und wirfst ihn aus dem Bett.“

      Rasch war Bianca unter der Dusche verschwunden und Eric kochte Kaffee. Er schob zwei Toastscheiben in den Toaster und wartete, bis sie wieder heraussprangen, um das Ganze zu wiederholen. Die vier Scheiben legte er in den Brotkorb und holte Wurst, Käse und Erdbeermarmelade aus dem Kühlschrank.

      Falk war so lange in der Gerichtsmedizin geblieben und saß am Computer. Als Bianca und Eric eintraten, stand er auf und gab ihnen einen Wink, ihm zu folgen. Nebenan lag die Leiche einer jungen Frau auf dem kalten, glatten Edelstahltisch. Ihre blonden langen Haare waren wir ein Kranz um ihren Kopf gelegt. Die Vorderseite des Körpers wies zahlreiche Stichwunden auf, dass Bianca unwillkürlich zu zählen begann.

      Falk sah die Bewegungen ihrer Lippen und sagte: „Neunzig.“

      „Oh mein Gott.“

      „Du sagst es. Vorn sind es zweiundfünfzig. Wie ihr seht, hat der Täter auch wieder auf Arme und Beine eingestochen. Er war entweder rasend vor Wut oder verrückt und voller Mordlust.“

      „Was wissen wir über sie?“

      Falk holte einen Plastikbeutel vom Regal und gab ihn Bianca. Die hob ihn hoch und sah ein Handy, ein Schlüsselbund und einen Personalausweis. Außerdem befanden sich einige zerknitterte Geldscheine in dem Beutel. Bianca reichte ihn Eric, nachdem sie den Ausweis entnommen hatte.

      „Kristin Brutz. Sie ist zweiundzwanzig. Erst müssen wir einer hochschwangeren Frau sagen, dass ihr Mann nicht mehr lebt und nun gehen wir zu einer Mutter und verkünden ihr den Tod ihres Kindes. Es ist grausam. Was macht dich so sicher, dass es derselbe Täter ist?“

      „Klinge, Schnittkanal, Breite der Wunden. Ich bin mir sehr sicher, dass hier dasselbe Messer benutzt wurde. Ich habe mal ein Bild ausgedruckt, seht es euch an. So könnte das Ding aussehen.“

      Als Falk Eric das Bild gab, fühlte der die Stiche beinahe körperlich.

      „Wie verzweifelt muss man sein, um so zu töten?“, hörte er Bianca sagen.

      „Wie kommst du darauf?“

      „Mein Bauch sagt mir, dass wir auch hier kein Motiv finden werden. Irgendetwas Schwerwiegendes muss den Täter dazu bewegen.“

      Eric runzelte die Stirn. Er wollte nie wahrhaben, dass Bianca solch einen sicheren Instinkt hatte, aber die Erfahrung hatte ihn eines Besseren belehrt. Sie hatte immer Recht behalten, auch wenn oft genug alles gegen ihre Theorien sprach.

      „Soll ich mitkommen zu den Eltern?“

      „Ich rufe Robin an. Er hatte noch nie einen Mordfall und bei Tiana Bern war ja noch Ferdinand mit. Ich will ihn ins kalte Wasser werfen.“

      „Ach, der kriegt das schon hin.“

      „Robin wird danach zu uns kommen. Ich möchte, dass du ihm deine Wohnung zeigst.“

      Eric sah Bianca überrascht an und Falk ließ die Blicke hin und her gehen. Dann begann der Gerichtsmediziner zu lachen.

      „Hier ist klar, wer die Hosen anhat.“


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