Ivanhoe. Sir Walter Scott

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Ivanhoe - Sir Walter Scott


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bald geschehen, als die Gestalt aufstand und auf gut französisch rief: »Wer Du auch bist, es ist unhöflich von Dir, mich in meinen Gedanken zu stören.«

      »Wir wollen Euch nur bitten, uns den Weg nach Rotherwood zur Wohnung Cedrics des Sachsen zu zeigen,« sagte der Prior.

      »Ich selber gehe dorthin,« versetzte der Fremde, »und wenn ich ein Pferd hätte, so wollte ich Euer Führer sein, denn der Weg ist schwierig zu finden, obgleich ich ihn genau kenne.«

      »Dir soll Dank und Belohnung zu Theil werden, mein Freund,« sagte der Prior, »wenn Du uns sicher zu Cedrics Wohnung bringen willst.«

      Dann ließ er einen seiner Begleiter sein eigenes Handpferd besteigen, und gab das, worauf derselbe gesessen, dem Fremden, der ihr Führer sein wollte.

      Dieser schlug einen entgegengesetzten Weg von dem ein, welchen Wamba ihnen in der Absicht angegeben hatte, sie irre zu leiten. Der Pfad führte sie tiefer in das Gehölz und über mehr als einen Bach, wo der Uebergang wegen des Moors, durch den diese Bäche flossen, gefährlich wurde, doch der Fremde schien wie aus Instinct den festesten Boden und den sichersten Uebergangspunkt zu kennen und führte die Gesellschaft mit Vorsicht und Aufmerksamkeit in eine wildere Allee als sie bisher gesehen hatten, zeigte auf ein großes, niedriges, unregelmäßiges Gebäude am äußersten Ende derselben und sagte zu dem Prior: »Dort ist Rotherwood, die Wohnung Cedrics des Sachsen.«

      Dies war eine freudige Nachricht für Aymer, dessen Nerven nicht die stärksten waren, und der während des Ueberganges über die gefahrvollen Moräste so viel Furcht und Besorgniß empfunden hatte, daß er noch nicht so neugierig gewesen war, an seinen Führer eine einzige Frage zu thun. Da er jetzt beruhigt und in der Nähe eines Obdachs war, erwachte seine Neugierde und er fragte den Führer, wer und was er sei.

      »Ein Pilger, der eben aus dem gelobten Lande zurückkehrt,« war die Antwort.

      »Ihr hättet lieber dort bleiben sollen, um für die Eroberung des heiligen Grabes zu fechten,« sagte der Templer.

      »Es ist wahr, ehrwürdiger Herr Ritter,« sagte der Mensch, der mit dem Aeußern des Templers vollkommen bekannt zu sein schien, »doch wenn die, welche ein Eid bindet, die heilige Stadt wieder zu erobern, in solcher Entfernung von dem Schauplatze ihrer Pflicht reisen, könnt Ihr Euch da wundern, wenn ein friedlicher Landmann, wie ich, die Aufgabe ablehnt, welche jene verlassen haben?«

      Der Templer wollte ihm eine zornige Antwort geben, wurde aber von Aymer unterbrochen, der sein Erstaunen aussprach, daß ihr Führer nach so langer Abwesenheit so genau mit den Waldwegen bekannt sei.

      »Ich bin in dieser Gegend geboren,« sagte der Führer, und als er diese Antwort gab, standen sie vor Cedrics Wohnung. Es war ein niedriges, unregelmäßiges Gebäude, welches mehrere Höfe oder Einfriedungen enthielt und einen beträchtlichen Raum einnahm. Obgleich, nach der Größe zu schließen, der Bewohner ein wohlhabender Mann sein mußte, so unterschied es sich doch gänzlich von den hohen, mit Thürmchen und Zinnen versehenen Gebäuden, in denen der normännische Adel residirte, und die in ganz England bereits den allgemeinen Baustil angaben.

      Gleichwohl war Rotherwood nicht ohne Vertheidigungswerke, da jede Wohnung in jener unruhigen Zeit solche haben mußte, wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, vor dem nächsten Morgen geplündert und niedergebrannt zu werden. Ein tiefer Graben war um das ganze Gebäude gezogen und wurde von dem benachbarten Bache mit Wasser versehen. Eine doppelte Reihe von Palissaden, die aus zugespitzten Balken bestand, welche der nahe Wald lieferte, vertheidigte das äußere und innere Ufer des Grabens. An der westlichen Seite befand sich eine Oeffnung in den äußern Palissaden, welche vermöge einer Zugbrücke mit einer ähnlichen Oeffnung im Innern in Verbindung stand. Einige Vorsichtsmaßregeln waren getroffen, um diese Eingänge unter den Schutz vorspringender Winkel zu stellen, welche im Nothfall mit Bogenschützen oder Schleuderern besetzt werden konnten.

      Vor diesem Eingange stieß der Templer laut in sein Horn, denn der Regen, welcher lange gedroht hatte, fiel bereits mit großer Heftigkeit.

      Kapitel III

      Sodann zog von der rauhen Küste her,

       Die das Gebrüll des deutschen Meers vernimmt

       Das kräftig blühende, gebräunte, blonde

       Blauäug'ge Volk der edlen Angelsachsen.

       Thomson (Freiheit).

      In einer Halle, zwischen deren geringer Höhe und deren außerordentlicher Länge und Breite ein großes Mißverhältniß stattfand, stand auf einem langen eichenen Tische, welcher aus roh behauenen Brettern, die kaum einige Glättung erhalten hatten, zusammengeschlagen war, die Abendmahlzeit Cedrics des Sachsen. Die Bedachung des Zimmers bestand aus Balken und Sparren, und sie waren das einzige, was den Raum vom freien Himmel trennte. An jedem Ende dieser Halle befand sich ein ungeheurer Kamin, dessen Schornstein freilich so schlecht construirt war, daß wenigstens eben so viel Rauch ins Gemach eindrang als zur Schornsteinöffnung hinausging. Der beständige Rauch, welcher dadurch verursacht wurde, hatte den Balken und Sparren der niedrigen Halle eine Art Firniß verliehen, d.h. er hatte sie mit einer Kruste von Ruß überzogen. An den beiden Seiten hingen Kriegs- und Jagdgeräthe und in jeder Ecke befanden sich Flügelthüren, die zu andern Theilen des weitläufigen Gebäudes führten.

      Die übrigen Einrichtungen des Hauses trugen dieselbe rohe Einfachheit der angelsächsischen Periode an sich, die Cedric mit Stolz beibehielt. Der Fußboden bestand aus Erde und Lehm, die zu einer harten Masse geformt waren, wie heutigen Tages bei unsern Dreschtennen. Etwa ein Viertel des ganzen Fußbodens war um eine Stufe über den übrigen Theil erhöht, und diesen Theil, den man Heahsetl, oder Hochsitz, nannte, durften nur die vornehmsten Mitglieder der Familie und hervorragende Gäste einnehmen. Zu diesem Zweck war ein reich mit Scharlachtuch bedeckter Tisch der Quere nach auf der Erhöhung aufgestellt, von dessen Mitte ein längerer und niedrigerer Tisch auslief, an dem die Diener und untergeordneten Personen speisten, und der bis zum untern Ende der Halle reichte. Das Ganze glich an Gestalt einem lateinischen T, oder jenen eigenthümlichen Speisetischen, die, nach derselben Weise eingerichtet, noch in den alten Universitätsconvicten von Oxford und Cambridge zu sehen sind. Massive Stühle und Sessel von geschnitztem Eichenholz standen auf der Erhöhung, und über diesen Sitzen und dem noch höheren Tische war ein Baldachin angebracht, welcher dazu diente, die ausgezeichneten Personen, welche diesen Ehrenplatz einnahmen, einigermaßen vor dem Wetter und besonders vor dem Regenwasser zu schützen, das sich an verschiedenen Stellen durch das schlecht gebaute Dach Bahn brach.

      Die Wände dieses obern Endes der Halle waren, so weit sich die Erhöhung erstreckte, mit rohen Teppichen behangen, über den ganzen Fußboden waren frische Binsen gestreut.

      In der Mitte des obern Tisches standen zwei Stühle, höher als die übrigen, für den Hausherrn und die Hausfrau, die bei gastlichen Gelegenheiten den Vorsitz führten und davon ihren angelsächsischen Ehrentitel hlaef-veard und hlaef-dige, Brodwart und Brodvertheilerin, erhielten, Namen, die später zu Lord und Lady wurden.

      Bei jedem dieser Stühle stand ein künstlich geschnitzter und mit Ebenholz ausgelegter Fußschemel. Einen dieser Sitze nahm gegenwärtig Cedric der Sachse ein, der, obgleich seinem Range nach nur freoman, oder, wie die Normannen ihn nannten, ein frankelin, wegen der Verzögerung seiner Abendmahlzeit eine ebenso ärgerliche Ungeduld zeigte, wie sie heute etwa ein Alderman äußert.

      Cedric schien nach seinen Gesichtszügen einen biedern, aber hastigen und cholerischen Charakter zu besitzen. Er war von mittlerer Größe, aber breitschulterig, hatte lange Arme und war kräftig gebaut, wie ein Mann, der an die Anstrengungen des Krieges und der Jagd gewöhnt ist. Sein Gesicht, von frohlaunigem Ausdruck, war breit, mit großen blauen Augen, sein Mund mit schönen Zähnen versehen. Stolz und Mißtrauen drückten sich in seinem Auge aus, denn er hatte sein Leben damit zugebracht, Rechte zu behaupten, welche beständigen Eingriffen ausgesetzt waren; und der entschlossene, feurige und entschiedene Charakter dieses Mannes war durch die Eigenthümlichkeit seiner Lage in fortwährender Spannung erhalten worden. Sein langes gelbes Haar war auf dem Kopfe und an der Stirn gleich gescheitelt, und auf jeder Seite bis auf die Schulter niedergekämmt, es hatte nur


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