Die geheimnisvolle Insel. Jules Verne

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Die geheimnisvolle Insel - Jules Verne


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nach den Dünen hin. Eilig, aber vorsichtig, um sie nicht zu verwischen, folgte ich ihnen wohl eine Viertelmeile weit. Fünf Minuten später, schon ward es allmälig dunkel, vernahm ich das Gebell eines Hundes. Das war Top, und Top führte mich endlich hierher zu meinem Herrn!«

      Nab beendete seinen Bericht mit der Andeutung seiner schmerzlichen Betrübniß, als er den entseelten Körper auffand. Er hatte sich zu überzeugen versucht, ob diesem noch ein Fünkchen Leben innewohne. Jetzt, da er ihn todt wieder gefunden, wollte er ihn auch wieder lebend haben. Er verschwendete seine Mühe vergebens, und scheinbar blieb ihm Nichts übrig, als Dem die letzten Ehren zu erweisen, den er doch über Alles liebte.

      Erst jetzt erinnerte sich Nab seiner Gefährten. Auch sie würden den Verunglückten zweifelsohne noch einmal zu sehen wünschen. Top war ja zur Hand. Sollte er nicht die Klugheit dieses Thieres benutzen können? Mehrmals wiederholte Nab laut den Namen des Reporters, den Top von den Gefährten des Ingenieurs am längsten und besten kannte; dann wies er nach Süden auf die Küste, und schnell eilte der Hund in der bezeichneten Richtung dahin.

      Man weiß, wie Top, geleitet durch einen fast übernatürlichen Instinct, inzwischen bei den ihm doch ganz unbekannten Kaminen ankam.

      Nab's Genossen hatten diesem Berichte mit theilnehmender Aufmerksamkeit gelauscht. Ihnen blieb es unerklärlich, daß Cyrus Smith bei dem Ringen und Kämpfen, das es ihm nothwendig gekostet hatte, um sich den Wellen zu entwinden, nicht einmal die Spur eines Ritzes zeigte. Nicht leichter zu durchschauen war, wie der Ingenieur zu dieser versteckten, wohl eine Meile vom Ufer entfernten Grotte mitten zwischen den Dünen gelangen konnte.

      »Du hast Deinen Herrn also nicht hierher getragen, Nab? sagte der Reporter.

      – Nein, ich nicht, erwiderte Nab.

      – Offenbar ist Mr. Smith also allein hierher gekommen, meinte Pencroff.

      – Ja, das scheint zwar auf der Hand zu liegen, bemerkte Gedeon Spilett, und doch ist es unglaublich.«

      Die Erklärung dieser Thatsache war nur aus dem Munde des Ingenieurs selbst zu erwarten, und mußte man auf diese verzichten, bis Jener die Sprache wieder erlangte. Zum Glück kam seine Lebensthätigkeit schon wieder in geregelteren Gang. Die Frictionen verursachten eine bessere Blutcirculation Wiederholt bewegte Cyrus Smith die Arme, später den Kopf, und einige noch unverständliche Worte entschlüpften seinen Lippen.

      Nab beugte sich über ihn und rief ihn beim Namen; doch der Ingenieur, dessen Augen geschlossen blieben, schien Nichts zu hören. Vorläufig verriethen das Leben desselben nur einige seltene Bewegungen. Die Sinne hatten noch keinen Theil daran.

      Pencroff bedauerte sehr, weder Feuer zu haben, noch solches machen zu können, denn er hatte unglücklicher Weise vergessen, die zubereitete Lunte aus angesengten Leinen mitzunehmen, welche sich durch Funken aus Feuersteinen leicht entzündet hätte.

      Auch die Taschen des Ingenieurs erwiesen sich völlig leer, bis auf die der Weste, in der sich noch die Uhr vorfand. Cyrus Smith mußte also nach übereinstimmender Ansicht so schnell als möglich nach den Kaminen geschafft werden.

      Die dem Ingenieur gewidmete Sorgfalt ließ diesen schneller, als man erwartete, wieder zum Bewußtsein kommen. Das Wasser, mit dem man seine Lippen befeuchtete, belebte ihn nach und nach. Pencroff gedachte diesem Wasser ein wenig Saft von dem mitgenommenen Tetrafleische beizumischen. Harbert, der nach dem Ufer gelaufen war, brachte von dort zwei große doppelschalige Muscheln mit. Der Seemann bereitete seine Mixtur und flößte sie dem Ingenieur ein, der sie begierig zu verschlucken schien.

      Bald öffneten sich seine Augen. Nab und der Reporter beugten sich über ihn.

      »Mein Herr! Mein lieber Herr!« rief Nab erfreut.

      Der Ingenieur verstand ihn. Er erkannte Nab und Spilett, sowie seine beiden anderen Gefährten und drückte ihnen schwach die Hand.

      Einige Worte entschlüpften seinen Lippen, wahrscheinlich dieselben, welche er schon früher von sich zu geben versucht hatte, die von einem ihn auch damals nicht verlassenden Gedanken herrühren mochten und jetzt zum ersten Male verständlich waren:

      »Insel oder Festland? flüsterte er.

      – O, zum Teufel, rief Pencroff, der diesen Ausruf nicht unterdrücken konnte, das kümmert uns gar nicht, wenn Sie nur wieder am Leben sind, Herr Cyrus. Was Insel oder Festland! Das werden wir ja später erfahren.«

      Der Ingenieur gab ein schwaches Zeichen der Bestätigung und schien einzuschlafen.

      Man wollte seinen Schlummer nicht stören, doch traf der Reporter inzwischen alle Vorbereitungen, um Cyrus Smith so bequem als möglich transportiren zu können. Nab, Harbert und Pencroff verließen die Grotte und wandten sich nach einer mit wenigen verkrüppelten Bäumen bestandenen Düne; unterwegs aber konnte der Seemann sich nicht enthalten, zu wiederholen:

      »Insel oder Festland! Nein! Daran zu denken, wenn Einem noch der Athem fehlt! Es ist doch ein seltsamer Mann!«

      Auf der Düne angelangt, brachen Pencroff und seine zwei Begleiter die größten Zweige eines dürftigen Baumes, einer durch die Stürme arg mitgenommenen Seesichte, herunter und stellten daraus eine Tragbahre her, die mit Blättern und Gräsern bedeckt zum Transport des Ingenieurs ausgestattet wurde.

      Hierbei vergingen nahe an drei Viertelstunden, und es ward inzwischen zehn Uhr, bis der Seemann, Nab und Harbert zu Gedeon Spilett, der den Ingenieur nicht verlassen hatte, zurückkamen.

      Cyrus Smith erwachte eben aus dem Schlummer oder vielmehr aus der Betäubung, in welcher man ihn vorgefunden hatte; seine bis jetzt todtenblassen Wangen bekamen wieder Farbe. Um sich blickend erhob er sich ein wenig, als fragte er, wo er sich befinde.

      »Können Sie mich ohne zu große Anstrengung verstehen, Cyrus? sagte der Reporter.

      – Ja, erwiderte der Ingenieur.

      – Ich denke, fiel der Seemann ein, Mr. Smith wird Sie viel leichter verstehen, wenn er sich erst mit diesem Tetra-Gelee befreundet, – ja, ja, es ist solches, Mr. Cyrus«, fügte er hinzu und bot ihm eine Kleinigkeit davon, die er mit Fleischstückchen vermengt hatte, an.

      Cyrus Smith verzehrte die Tetrastücken, deren Reste an die Anderen, welche nun auch Hunger litten und das Essen recht dürftig fanden, vertheilt wurden.

      »Schön, sagte der Seemann. Lebensmittel lagern für uns in den Kaminen, denn Sie sollen immer wissen, Mr. Cyrus, daß wir da unten im Süden ein Haus haben mit Stuben, Lagerstätten und Feuerherd, in der Speisekammer auch einige Dutzend Vögel, die unser Harbert Kurukus nennt. Eine Tragbahre für Sie ist schon bereit, und sobald es Ihre Kräfte erlauben, schaffen wir Sie nach unserer Wohnung.

      Doch mußte er sich eiligst auf den Seemann stützen ... (S. 84.) Doch mußte er sich eiligst auf den Seemann stützen ... (S. 84.)

      – Ich danke, mein Freund, antwortete der Ingenieur; noch eine bis zwei Stunden, dann werden wir aufbrechen können .... Nun erzählen Sie, Spilett.«

      Der Reporter berichtete das Vorgefallene. Er erzählte die Ereignisse, von denen Cyrus Smith keine Kenntniß haben konnte, den letzten Sturz des Ballons, die Landung auf unbekannter, scheinbar verlassener Erde, die Entdeckung der Kamine, die unternommenen Versuche, den Ingenieur aufzufinden, Nabs Ergebenheit gegen ihn, Alles, was man dem intelligenten und treuen Top verdankte u.s.w.

      »Aber, fragte Cyrus Smith mit noch sehr schwacher Stimme, am Strande haben Sie mich doch nicht aufgelesen?

      – Nein, erwiderte der Reporter.

      – Und Sie haben mich auch nicht in diese Grotte geschafft?

      – Nein.

      – In welcher Entfernung von den Rissen befindet sich diese Grotte wohl?

      – Etwa in der einer halben Meile, antwortete Pencroff, und wenn Sie darüber erstaunt sind, Mr. Cyrus, so waren wir es nicht weniger, Sie hier zu sehen.

      – Wirklich, meinte der Ingenieur, dessen Lebensgeister munterer wurden und dessen Interesse an diesen Einzelheiten wieder erwachte, wirklich, sonderbar ist es!


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