Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Mittelalter – I. Römisches Reich Deutscher Nation –. Ricarda Huch

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Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Mittelalter – I. Römisches Reich Deutscher Nation – - Ricarda Huch


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Heftigkeit und Formlosigkeit wurde er geliebt. Sein Biograph fügte dem Bericht, dass Megingaud die Priester zuweilen, um schnell damit fertig zu werden, im Wald geweiht habe, die Bemerkung hinzu, dass Gott diese formlose Priesterweihe im Wald vielleicht lieber gewesen sei als die von manchem Bischof in der Kirche vollzogene; denn Megingaud sei ohne Falsch gewesen.

Grafik 369

      Willigis, selten auch Williges oder Willegis (* um 940 in Schöningen; † 23. Februar 1011 in Mainz) war Erzbischof des Bistums Mainz.Willigis ist ein Heiliger der römisch-katholischen Kirche.

       Eine große politische Rolle spielte Willegis, wozu ihn schon seine Stellung zuerst als Kanzler Ottos I., dann als Erzbischof von Mainz und Erzkanzler berief. Er hat zur Zeit der beiden letzten Ottonen die Einheit des Reiches gewahrt und dem tüchtigen Herzog von Bayern, Heinrich II., die Krone zugewendet. Willegis war ein Sachse, wie man annimmt in Schöningen geboren; dass er niederen Herkommens, etwa gar ein Höriger gewesen sei, wird neuerdings bezweifelt, aber gewiss ist, dass er in den Kreisen des hohen Adels nicht beliebt war. Für die Armen sorgte er durch Almosenspenden und Speisungen, wobei er sich persönlich beteiligte; er selbst aß erst, nachdem er die Armen bedient hatte. Ebenso war er streng in der Beobachtung der Gebetsstunden, aber auf grundsätzliche mönchische Askese legte er keinen Wert; auf Gottesfurcht komme es an, pflegte er zu sagen, ein Kanoniker, ja ein Laie könne Gott ebenso angenehm sein wie ein Mönch. Von der kluniazensischen Reform wollte er nichts wissen. (Die Cluniazensische Reform war eine vom burgundischen Benediktinerkloster Cluny ausgehende geistliche Reformbewegung der katholischen Kirche des Hochmittelalters.) Mit viel Verständnis ordnete er das Schulwesen und sorgte dafür, dass die armen Schüler nicht zurückgesetzt wurden. Seine Bautätigkeit war außerordentlich. Ein seltsames Geschick wollte, dass sein Dom am selben Tag, wo er ihn geweiht hatte, durch Feuer zerstört wurde; nur ein Teil der Fundamente ist in der Prachtgestalt des heutigen Domes erhalten. Am Marktportal desselben befinden sich die Erztüren mit den Löwenköpfen, die Willegis in Nachahmung der Türen des Aachener Doms für die während der Französischen Revolution zerstörte Liebfrauenkirche gießen ließ.

      Willegis dankte seinen Aufstieg einem Geistlichen namens Volkold, der ihn unterrichtete, erzog und dem König empfahl. Die Vertreibung Volkolds, der später Bischof von Meißen wurde, durch die aufrührerischen Tschechen gab Willegis Gelegenheit, seine Dankbarkeit zu erweisen: er nahm den Pflegevater herzlich auf und bereitete ihm in Erfurt eine Heimat. Seinerseits brachte Willegis durch seine Empfehlung einen tüchtigen Mann auf den Bischofsstuhl zu Worms, Burchard, der als erster ein geschriebenes Recht für seine Familie, nämlich die auf dem Stiftsgebiet ansässigen, der Kirche und ihrer Gerichtsbarkeit untergebenen Leute, verfasste. „Wegen der unablässigen Klagen der Armen“, so beginnt das berühmte Hofrecht, „und der zahlreichen Gewalttaten vieler Personen, die wie Hunde die Familie des heiligen Petrus zerfleischten, indem sie den dieser Familie Zugehörigen alle möglichen Gesetze aufbürdeten und die Schwachen durch ihre Urteile unterdrückten, habe ich, Bischof Burchard, unter dem Beirat meines Klerus, meiner Vasallen und der ganzen Familie diese Gesetze aufzeichnen lassen, damit kein Stiftsvogt, Viztum, Ministerial oder sonst eine rechtweisende Person der genannten Familie etwas Neues auferlegen könne, sondern dass reich wie arm ein und dasselbe Gesetz vor Augen gestellt werde und allen gemeinsam sei.“ Der mächtige Bischof erließ kein Gesetz ohne die Mitwirkung und Zustimmung nicht nur des Klerus und seiner Vasallen, sondern auch seiner Untergebenen.

       Burchard zeigte sich als geschickter Politiker, indem er die salischen Herzöge zum Verlassen der Stadt Worms zu bewegen wusste und dadurch ihr alleiniger Herr wurde. Als solcher hat er sie in fünfundzwanzigjähriger Regierung innerlich und äußerlich gepflegt und gehoben. Willegis nacheifernd baute er den Dom auf einer alten Kultstätte, wo eine frühchristliche Basilika gestanden hatte, die vom Blitz vernichtet und noch nicht wieder aufgebaut war. Das herrliche Gebäude ist wohl mehrfach verändert, aber in der Grundanlage erhalten geblieben; die Festigkeit seiner Mauern hat im Jahre 1689 der systematischen Zerstörungswut der Franzosen getrotzt. Bis zur Vollendung des Doms von Speyer war der Dom von Worms die Begräbnisstätte der Salier; hier ruht Herzog Konrad der Rote, der Schwiegersohn Otto I., der in der großen Ungarnschlacht fiel. Jetzt ist der Dom fast das einzige Denkmal aus Worms' großen Tagen.

Grafik 213

      Poppo (* 986 – † 1047) war der dritte Sohn des Markgrafen Leopold I. von Österreich und seiner Frau Richeza. Er wurde am Domstift in Regensburg erzogen und 1007 durch König Heinrich II. zum ersten Dompropst des jüngst gegründeten Bistums Bamberg ernannt.

      Ein großer Bauherr war Burchards Zeitgenosse, Erzbischof Poppo von Trier. Von einer Reise nach Jerusalem brachte er den Einsiedler Simeon mit, der sich in der Porta Nigra einnistete und dort sein Eremitendasein weiterführte. Als er gestorben und heiliggesprochen war, wandelte Poppo das Heidentor in eine christliche Doppelkirche um, so dass das zweite Stockwerk desselben die untere, das dritte die Oberkirche wurde; die Wehrgänge des Tors bildeten die Seitenschiffe. Als ein Wahrzeichen des triumphierenden Christentums überwuchs Sankt Simeon phantastisch die Riesenspur der römischen Kaisermacht. Den Anlass zu Poppos Pilgerfahrt nach Jerusalem soll gegeben haben, dass er das alte, in der Merowingerzeit gegründete Kloster Pfalzel aufgehoben hatte, dessen Insassen den Ansprüchen der Reformzeit nicht genügten; eine Nonne ging so weit, sich in den Erzbischof zu verlieben und ihm einen Liebeszauber in die Schuhe zu nähen. Den aus der letzten römischen Zeit stammenden Dom ließ Poppo zu einem dreischiffigen Hallenbau mit zwei Türmen umbauen. Als er im Jahre 1047 auf dem Bauplatz den Arbeitern zusah, ereilte den Mächtigen der Tod durch einen Sonnenstich. Er war ein Sohn des Markgrafen Leopold I. von Österreich.

       Sein Namensvetter, Patriarch Poppo von Aquileja, der ungefähr gleichzeitig regierte, ist der Erbauer des Domes von Aquileja und des Palastes, von dem nichts mehr als zwei Säulen übriggeblieben sind. Von der Höhe des Campanile, den krächzende Dohlen umschwärmen, sieht man im Norden die Häupter der Alpen, Triglav und Krain und Monte Matajur, im Süden die Lagunen und das Meer, im Westen die grüne flimmernde Ebene des Friaul, damals ein dem Patriarchat unterworfenes Gebiet. Der Patriarch Poppo war ein Günstling der Kaiser Heinrich II. und Konrad II., deren Schenkungen ihn zu einem der reichsten Fürsten seiner Zeit machten. Wie alle damaligen Bischöfe, umgab er sich mit Ministerialen und Vasallen und richtete Hofämter nach dem Muster der Kaiserlichen ein. Ebenso bedeutend als Kriegsmann wie als Staatsmann besiegte er die Ungarn, die in Krain einfielen.

      Bischof Pilgrim von Passau fasste den kühnen Plan, das benachbarte Ungarn in seine Diözese einzubeziehen, sein Bistum zum Mittelpunkt der ungarischen Kirche, sich selbst zum Erzbischof von Ungarn zu machen. Zu diesem Zweck wollte er durch gefälschte Urkunden glaubhaft machen, dass das alte Lauriakum an der Mündung der Enns in die Donau in früherer Zeit ein Erzbistum gewesen sei, mit dem Passau zusammengehangen habe, und ersuchte den Papst, das untergegangene wiederherzustellen. Dadurch wäre Passau von Salzburg unabhängig geworden, eine Veränderung, der der Erzbischof von Salzburg sich natürlich widersetzt hätte. Weder Papst noch Kaiser hatten für den großartigen, folgenreichen Plan Verständnis. Otto III. unterstützte vielmehr das Bestreben der Herzöge Geisa und Stephan von Ungarn, ihr Land zu einem selbständigen Staat zu machen, und stand ihnen bei, das Erzbistum Gnesen für Ungarn zu gründen, womit die Möglichkeit schwand, das Land, das bisher politisch und kulturell vom deutschen Reiche abhängig gewesen war, kirchlich an Deutschland zu binden. Das seltsame Auftauchen von Pilgrims Namen im Nibelungenliede hat zu der Annahme geführt, das größte Epos der Deutschen sei an seinem Hof, vielleicht unter seinem Einfluss entstanden. Da wo die Donau sich der Ostmark zuwendet, mögen sich wohl die Lieder von der burgundischen Königstochter, die vom Rhein her, ungesättigte Rache im Herzen, den schilfumraschelten Strom hinunter zu tragischer Hochzeit fuhr, im Gedächtnis des Volkes erhalten haben.

       Ein Freund der alten Volksgesänge war der schöne Bischof Günther von Bamberg (Günher, * um 1025/1030; † 23. Juli 1065 Ödenburg war Kanzler von Kaiser Heinrich III., von 1057 bis 1065 Bischof von Bamberg), der auf einer Pilgerfahrt ins Heilige Land mehrmals für den König gehalten wurde, was wohl mit seiner Schönheit und stolzen Haltung zusammenhing. Bei den vielen Abenteuern, die die Pilger, unter denen noch andere Kirchenfürsten und mehrere Grafen und Herren waren, zu bestehen


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