Flucht der Hugenotten - im Namen Gottes. Walter Brendel

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Flucht der Hugenotten - im Namen Gottes - Walter Brendel


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zu sehen. Sie versammelten sich nur nachts im Geheimen in Tours, um als kleine Hugos, als Hugenotten, angeblich Anschläge und Verschwörungen auf die Staatsmacht zu planen.

      Wie immer die Entstehung des Begriffes Hugenotten zu erklären ist, er hat sich in Frankreich nach 1560 als Bezeichnung für die Protestanten durchgesetzt. In der Zeit der Hugenottenverfolgungen verlor der Name Hugenott seinen negativen Klang und wurde zu einer ehrenvollen Bezeichnung. Sie hat auch in Deutschland bis zur Gegenwart einen guten Klang.

      Der Glaube der Hugenotten geht auf den französischen Reformator Johannes Calvin zurück.

      Als Student kam er mit der Lehre Martin Luthers in Berührung. Als ihm der Scheiterhaufen drohte, floh Calvin nach Genf und formulierte seine protestantische Lehre, den Calvinismus. Nur was in der Bibel steht, sollte zählen. Verglichen mit Luther war seine Bibelauslegung radikaler. Zeitgenossen bezeichneten daher Calvin als Despoten von Genf.

      Kompromisslos beharrte er auf ein Bilderverbot. Dies zeigt sich in den Tempeln, die auf jede Abbildung Gottes verzichten. Die Kirchen waren sehr schlicht im Innenraum, sie durften nicht mir Gold und Silber glänzen, weil das Geld den Armen zugutekommen sollte und sie waren bilderlos, weil das in den zehn Geboten so vorgegeben war. Alles was im Alten Testament stand, wurde sehr ernst genommen.

      Die Reformierten kritisierten dem Prunk in der katholischen Kirche als weltliches Machtsymbol, was die Gläubigen einschüchtern sollte. Hugenottische Tempel wie in La Rochelle sind schlichte Gebetshäuser.

      Schon der Begriff Tempel steht im Gegensatz zur katholischen Aussage. Es handelt sich um einen funktionalen Versammlungssaal und nicht um einen geweihten Sakralraum. Im Mittelpunkt calvinistischer Gottesdienste stehen die Predig und das singen von Psalmen. Kirche soll nicht, wie bei den Katholiken von oben gesteuert sein, sondern aus selbstverwaltenden Gemeinden bestehen.

      Dies zeigt sich schon im Aufbau der Tempel. Im Zentrum steht bei reformierten Kirchen die Kanzel. Rund herum war die Gemeinde hufeisenförmig angeordnet, auch aus akustischen Gründen. Es wurde aber sogleich symbolisiert, dass es hier keine Hierarchien gab. Calvins Anliegen war eine Gemeinde, die eigenverantwortlich und unabhängig von Laien gemeinsam geleitet wird.

      Der Calvinismus ist geprägt von einer Kirchenordnung, einer Kirchenstruktur, die anders als die römisch-katholische Kirche sehr stark von unten, von der Gemeinde her gelenkt wird. Das ist eine Struktur, die natürlich für eine Kirche im Untergrund, eine Kirche, die ohne staatliche Unterstützung entwickeln muss, ein sehr gut funktionierendes Format.

      Auf der anderen Seite aber, haben wir im Calvinismus einen sehr rigorosen, sehr strengen Zugriff auf die Gemeindemitglieder, die sogenannten Sündenzucht unterliegen. Das führt hin bis zu Denunzierungen innerhalb der Gemeinde und einzelne Mitglieder vor dem Kirchenrat zitiert wurden. Also ein sehr strenger, zum Teil ein extremistischer Zug, der hier eine Rolle spielt.

      Die Moralvorstellungen Calvins verboten weltliche Vergnügungen wie Kartenspiel, Tanz oder Musik. Luxus war verpönt.

      Die Kirchenzucht sorgt für eine strenge Kontrolle. Es drohte der Ausschluss vom Abendmahl und in Calvins Genf wurden Vergehen noch härter bestraft.

      Das französische Königshaus war katholisch und empfand die Hugenotten als Bedrohung. Lange duldete man sie als religiöse Minderheit, aber 1685 heilte Ludwig XIV. die Zeit für gekommen, gegen sie vorzugehen. In Paris lebten damals viele Hugenotten. In seiner Hauptstadt empfindet sie der König als besondere Provokation und er erlässt ein Gesetz. Treibender Keil zu diesem Gesetzeswerk war die Marquise de Maintenon, eine unbeschreibliche Hasserin von Andersdenkenden und auch aus dem Groll heraus, dass sie verspottet und verhöhnt wurde.

      Im französischen Nationalarchiv wird das Dokument aufbewahrt, indem Ludwig XIV. die Duldung des reformierten Glaubens aufhebt. Das Edikt von Fontainebleau. Der religiöse Glaube wurde aber durch dieses Edikt nicht verboten. Privat konnte man glauben, was man wollte, aber die Ausübung war verboten, also Gottesdienste, Amtshandlungen und Unterhaltung von sozialen Einrichtungen. Das war dann für die meisten Hugenotten der Auslöser, dem Glauben nicht zu verlieren, sondern auf die Flucht zu gehen.

      Den etwa 900 000 Hugenotten drohen nun Gewalt und Willkür, wenn Sie nicht zum katholischen Glauben konvertieren. Mit einem Federstrich besiegelt Ludwig XIV. ihr Schicksal.

      ***

      „Wir machten uns große Sorgen, wie es weitergehen sollte, genau wie unser Pastor, der uns überraschend besuchte.“, sagte Frau Loyal. Er brachte ein Flugblatt mit, was er Herrn Loyal in die Hände drücke. Nachdem es dieser betrachtet hat, sagte er zu seiner Frau: „Du glaubst gar nicht, was darin steht. Friedrich Wilhelm, der Kurfürst von Brandenburg, ein Glaubensgenosse, bietet und seine Hilfe an. Wenn wir fliehen, verspricht er uns Sicherheit und Glaubensfreiheit in seinem Kurfürstentum.“ „Vergiss nicht die Berufsausübung, ist das nicht großartig“, warf der Pastor ein, der das Blatt vorgelesen hat.

      „Das ist doch Landesverrat“, sagte Frau Loyal erschrocken. Der Pastor ergriff wieder das Wort: „Ein Freibrief des brandenburgischen Kurfürsten, eine Einladung in sein Land, ein Leben in Frieden und Freiheit.“

      „Ist das keine Falle?“, fragte Frau Loyal. „Nein, aus anderen Gemeinden sind schon Familien unterwegs und bei der nächsten Gelegenheit werden wir fliehen und viele unserer Nachbarn“, sagte der Pastor.

      Frau Loyal war nicht überzeugt: „Ihr wollt die Heimat verlassen“, sagte sie.

      „Was soll das für eine Heimat sein, in der die Einzigen, die dem Herrn ehren, verfolgt werden“, warf der Pastor ein. Herr Loyal wandte sich an seine Frau. „Gott wird uns den Weg weißen.“

      Der Pastor wandte sich zum Verlassen des Hauses ab. „Ich beschwöre euch, kommt mit uns und zögert nicht. Ich höre schreckliches aus den anderen Dörfern, Die Dragoner plündern, vergewaltigen und morden. Es gibt keinen anderen Ausweg, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, bevor alles zu spät ist.“

      „Ich weiß nicht“, warf Frau Loyal ein. „Was weißt Du nicht, der brandenburgische Kurfürst kann Tuchmacher wie euch gebrauchen. Ich habe von einer geheimen Furt gehört, mit Booten. Wie ziehen hinüber wie Moses und die Israeliten, die vor den Ägyptern flohen. Ist das nicht wunderbar, wie im Alten Testament.“, sagte der Pastor.

      Frau Loyal warf ein: „Abraham, wir können doch nicht hier alles aufgeben. Unsere Kinder sind hier geboren und wieso seid Ihr überhaupt so sicher, dass das Papier echt ist?“

      „Weil auf dem bloßen Besitz der Tod steht, deshalb“, konterte der Pastor. „Auf Flucht steht auch der Tod“ erwiderte Frau Loyal.

      Herr Loyal, der bisher geschwiegen hat, wandte sich an seine Frau. „Suzanne, glaubst Du, dass der König für eine Fälschung töten lässt? Wir sollten uns den Anderen anschließen.“

      „Nein, ich bleibe, wohin mich Gott gestellt hat“, sagte Frau Loyal trotzig. „Das ist nicht allein Deine Entscheidung“, so Herr Loyal.

      „Ich bleibe hier, ich Suzanne Loyal.“

      „Überlegt es euch gut bevor euch nichts und niemand mehr retten kann.“ Der Pastor verließ das Haus.

      ***

      Viele Hugenotten, die vor einer Flicht zurück schreckten, konvertieren, oft jedoch nur zum Schein. Sie versammelten sich in Höhlen zu geheimen Gottesdiensten und nennen sie „Ihre Kirche der Wüste.“ Das war höchst gefährlich, denn wurden solche Untergrundkirchen entdeckt, dann drohte den Männern die Galeere und den Frauen Einzug von Leib und Gut, wie es in den Dekret heißt. Das bedeutet, sie kamen in ein Kloster und wurden dort so lange traktiert, bis sie in den Schoß der „wahren“ Kirche zurückkehrten. Man war sich dem Risiko sicher bewusst, was man da einging.

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