Die gelbe Schlange. Edgar Wallace

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Die gelbe Schlange - Edgar Wallace


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erfüllen, und die Tatsache, daß Joan sich bereit erklärt hatte, seinen Wünschen nachzukommen, war doch sicher erfreulich, und man konnte gratulieren.

      Clifford Lynne beeinträchtigte natürlich seine Freude und war ihm ein Dorn im Auge. Merkwürdigerweise hatte das Auftauchen der Giftschlange im Wohnzimmer Mr. Narth nicht weiter beunruhigt. Sicherlich war es außergewöhnlich, ihm war aber nichts davon bekannt, daß Gelbköpfe giftig seien, auch konnte er den Zusammenhang nicht übersehen, wie der mysteriöse Kasten in sein Haus gebracht worden war. So machte er es denn wie gewöhnlich und suchte ein Problem zu vergessen, das er nicht aufklären konnte. So war es ja auch viel einfacher. Die Lösung ging ja andere Leute an.

      Der ganze Vorfall hatte, soweit er ihn betraf, nur die Bedeutung, daß der Teppich in seinem Wohnzimmer zu einem Reinigungsinstitut gebracht werden mußte, wo man die beiden kleinen Löcher wieder stickte. Clifford Lynne nahm natürlich die ganze Sache viel zu theatralisch. Das war ein Lieblingsausdruck von Mr. Narth, mit dem er alle Ereignisse des Lebens abtat, die besonders aufregend auf ihn wirkten. Wenn nun alles gesagt und vollbracht war – und dieser Gedanke brachte ihn in besonders gute Stimmung – dann war das große Vermögen Joe Brays in seinen Händen. Die Wolken, die den Horizont am Tage vorher verdunkelt hakten, zerteilten sich. Es blieb ihm jetzt nur noch übrig, die Hochzeit möglichst zu beschleunigen, und die Reichtümer Joes in Besitz zu nehmen, sobald die Bedingung erfüllt war.

      Er war in glücklichster Stimmung, als er durch den Privateingang in sein Bureau eintrat und konnte den beiden Leuten, die ihn dort erwarteten, ein heiteres Gesicht zeigen. Major Spedwell hatte sich über das eine Ende des Tisches gelegt, eine Zigarre zwischen den Zähnen, während Mr. Leggat am Fenster stand. Er schaute in den strömenden Regen, die Hände auf dem Rücken verschränkt.

      »Hallo, meine Herren!« sagte Narth freundlich. »Sie sehen gerade so vergnügt aus wie Leichenbitter bei einer Beerdigung.«

      Leggat drehte sich um.

      »Weshalb sind Sie denn so vergnügt?« fragte er.

      Stephen Narth hatte sich noch nicht überlegt, ob er seinen Kollegen einen vollständigen Einblick in seine Lage geben sollte. Denn mit dem Gelde, das ihm von der Brayschen Firma zukam, konnte er seine fragwürdigen Bekanntschaften abschütteln und zum Teufel jagen. Denn man kann nur mit Geld die Fehltritte der Vergangenheit abwaschen. Dann könnte er mit einem reinen Blatt und einem großen Kredit auf der Bank von vorn anfangen.

      »Joe ist tot«, polterte er heraus, »und hat mir den größten Teil seines Vermögens vermacht.«

      In seiner Freude war ihm diese unvorsichtige Äußerung entschlüpft, und er war schon böse über seine eigene Dummheit, bevor er diese Worte ganz ausgesprochen hatte.

      Wenn Stephen erwartet hatte, daß diese Nachricht für die anderen eine Sensation bedeute, so war er enttäuscht.

      »So, so«, sagte Leggat sarkastisch. »Und wann werden Sie das Geld in die Hand bekommen?«

      »In ein oder zwei Monaten«, sagte der andere leichtfertig.

      »Ein oder zwei Monate bedeuten einen oder zwei Monate zu spät«, sagte Major Spedwell. Dabei überzog sein dunkles Gesicht ein widriges Grinsen. »Ich habe heute morgen die Rechnungsrevisoren gesehen. Unter allen Umständen müssen die fünfzigtausend Pfund bis morgen beigebracht werden.«

       »Tatsächlich,« unterbrach ihn Leggat, »wir sind fertig, Narth. Wir müssen das Geld in den nächsten vierundzwanzig Stunden aufbringen. Wenn keine Wenns und Abers in dem Testament enthalten sind, können Sie das Geld ja auf Grund der Dokumente leicht leihen. Ist eigentlich eine Bedingung in dem Testament?«

      Narth runzelte die Stirn. Was wußte der andere? Aber Leggat sah ihm unentwegt in die Augen.

      »Es ist eine Bedingung in dem Testament«, gab Narth zu. »Aber die ist praktisch schon erfüllt.«

      Leggat schüttelte den Kopf.

      »Damit können Sie gar nichts anfangen«, sagte er. »Ist das Testament so abgefaßt, daß Sie morgen fünfzigtausend Pfund darauf leihen können?«

      »Nein«, sagte Narth kurz. »Ich kenne den wahren Wert des Vermögens nicht, und außerdem ist eine Bedingung –«

      »Stimmt!« sagte Spedwell. »So ist die Lage, und die Lage ist äußerst gefährlich. Sie können nicht einen Sechser auf ein Testament bekommen, in dem eine Bedingung enthalten ist, die noch nicht erfüllt wurde, und auf ein Vermögen, dessen wahren Wert Sie nicht kennen. Ich wette, Sie haben noch nicht einmal eine Kopie dieses Testamentes.«

      Stephen Narths Augen wurden klein.

      »Sie reden wie ein Buch, Major«, sagte er. »Irgend jemand hat Ihnen mehr erzählt, als ich selber weiß.«

      Major Spedwell drehte sich ungemütlich um.

      »Jemand hat gar nichts erzählt«, sagte er bissig. »Das einzige, was mich und Leggat interessiert, ist, ob Sie bis morgen fünfzigtausend Pfund ausbringen können. Und da wir wissen, daß Sie es nicht können, haben wir Ihnen viel Unannehmlichkeiten erspart. Wir haben nämlich unseren Freund St. Clay gebeten, hierherzukommen und mit Ihnen zu sprechen.«

       »Ihr Freund St. Clay? Ist das der Mann, den Sie gestern nannten?«

      Plötzlich erinnerte sich Stephen Narth an die Prophezeiung Clifford Lynnes: »Sie werden ihn morgen sehen.«

      »Hat denn Grahame St. Clay so viel Geld, daß er es wegwerfen kann?«

      Spedwell nickte langsam.

      »Ja, das kann er, und er ist auch bereit, es zu tun. Und wenn Sie meinen Rat annehmen, Narth, dann wirft er es sogar an Sie weg.«

      »Aber ich kenne ihn doch nicht; wo kann ich ihn denn treffen?«

      Spedwell ging auf die Türe zu, die nach dem Hauptbureau führte.

      »Er wartet schon draußen, bis wir die Sache mit Ihnen besprochen haben.«

      Stephen Narth sah ihn verwirrt an. Ein Mann, der fünfzigtausend Pfund ausleihen konnte, wartete auf die günstige Gelegenheit, sie zu verlieren?!

      »Hier?« fragte er ungläubig.

      Major Spedwell öffnete die Tür.

      »Hier ist Mr. Grahame St. Clay«, sagte er.

      Ein tadellos gekleideter Herr trat in das Bureau.

      Narth starrte ihn mit offenem Munde an. Denn Grahame St. Clay war zweifellos ein Chinese.

      7

      »Mr. Grahame St. Clay«, stellte Spedwell den Fremden noch einmal vor. Mechanisch streckte Narth seine Hand aus.

      Bis zu diesem Augenblick waren für Stephen Narth alle Chinesen gleich. Aber als er in die tiefbraunen Augen dieses Mannes sah, wurde ihm klar, daß er sich von allen anderen unterschied. Er konnte nur nicht genau sagen, wie. Seine Augen standen weit auseinander, seine Nase war dünn und lang, die schmalen Lippen unterschieden ihn von allen anderen seiner Landsleute, die er gewohnt war, mit dem mongolischen Typ zu bezeichnen. Vielleicht gab das volle Kinn Grahame St. Clay ein anderes Aussehen. Besonders beim Sprechen unterschied er sich stark von anderen Chinesen, die Stephen North jemals gesehen oder gehört hatte.

      »Ist dies Mr. Narth?« fragte er. »Ich bin erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen. Wirklich, ich denke, daß sie mir manche Vorteile bringen wird.«

      Seine Sprache war die eines wohlerzogenen Mannes mit einem leicht nasalen Anflug und übertrieben korrekter Aussprache, wodurch sich Leute auszeichnen, die auf einer höheren Schule erzogen sind und ihre Studien an einer größeren Universität vollendet haben.

      »Kann ich Platz nehmen?«

      Narth nickte schweigend, und der Ankömmling legte eine schöne Ledermappe vor sich auf den Tisch.

      »Sie sind ein wenig bestürzt, da Sie sehen, daß ich ein Chinese bin.« Mr. St. Clay lachte leise bei diesen Worten. »›Gelbe Gefahr‹, das ist doch


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