Anna das Mädchen aus Dalarne. Selma Lagerlöf

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Anna das Mädchen aus Dalarne - Selma Lagerlöf


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Hausfrau nicht dazu bewegen konnte, etwas zu kaufen, obgleich diese eine reiche Witwe war und ihr Geld selbst verwaltete. Da fiel ihr ein, zu sagen, an diesem Tage dürfe die liebe Frau sich nicht weigern, etwas zu kaufen, denn dies sei das letztemal, daß sie mit diesem Anliegen komme. Dann schwieg sie und sah geheimnisvoll aus. Die geizige Hausfrau wurde neugierig und konnte es nicht lassen, zu fragen, warum Anna ihre Handelschaft aufgeben wolle.

      Und da erzählte das schöne Dalmädchen, es sei ein großes Wunder. Ja, ein ebenso großes Wunder wie irgendeines, von dem in der Bibel zu lesen stand. Eine andere Aufklärung gab sie indes nicht, und so mußte die Hausmutter noch weitere Fragen stellen.

      Anna Svärd aber kniff die Lippen zusammen und war so ganz und gar die alte Anna Svärd, daß die geizige Hausfrau sich sowohl mit einem seidenen Tuch als auch mit einem Haarkamm versehen mußte, ehe sie erfuhr, daß Gott die arme Hausiererin in ihrer Niedrigkeit angesehen habe, daß sie einen Pfarrer heiraten werde und in einem Pfarrhof wohnen würde, wo es Pferd und Kuh, Magd und Knecht gebe.

      Als Anna Svärd von diesem Hofe weiterwanderte, dachte sie, dies sei ein guter Kniff gewesen und sie werde ihn noch öfter anwenden. Sie tat es dann aber doch nicht, denn sie fürchtete, es könnte ihr Unglück bringen. Man soll das Heilige nicht mißbrauchen.

      Statt dessen geschah es gelegentlich, daß sie den kleinen Mädchen in den Häusern ein Bröschchen mit einem Stein aus farbigem Glas ganz ohne Bezahlung als ein Geschenk zusteckte. Noch niemals war es ihr eingefallen, etwas zu verschenken. Es war ein kleines Gegengeschenk für den lieben Gott.

      Ja, wer war sie, daß das Glück von allen Seiten her auf sie zuströmte? Warum nur waren die Leute in den Häusern so eifrig im Einkaufen? Kam es daher, weil sie von den Jahrmärkten weggeblieben war und diese ihren alten Kameradinnen überlassen hatte? Während ihrer ganzen Wanderung das Klarelftal entlang war es ebenso. Heißa! Sobald sie ihren Ranzen öffnete, kam groß und klein dahergelaufen, als meinten sie, Anna Svärd habe ihnen Sonne und Sterne zu bieten. Ehe sie ihren halben Weg zurückgelegt hatte, war zu ihrer Verwunderung ihr Warenvorrat fast erschöpft.

      Eines Tages, als sie nur noch ein Dutzend Hornkämme und ein paar Banddocken im Vorrat hatte und sich darüber ärgerte, daß sie von Karlstadt her nicht doppelt so viele Waren hatte tragen können, traf sie mit der alten Ris-Karin zusammen. Das alte Weib kam aus dem Norden. Ihr Sack war stoppevoll, und mürrisch und unfreundlich war sie selbst, weil sie schon ein paar Tage nichts mehr verkauft hatte.

      Da kaufte Anna Svärd der Ris-Karin alle die Waren ab, die diese daherschleppte, und die Neuigkeit, daß sie einen Pfarrer heiraten werde, gab sie der Alten als Dreingabe.

      Anna Svärd dachte nun, den Heidehügel, wo sie ihren Handel abgeschlossen hatten, werde sie nie vergessen. Das war wirklich das lustigste, was sie auf der ganzen Heimreise erlebt hatte. Die Ris-Karin war ebenso purpurrot geworden wie die blühende Heide, und zum Schluß hatte sie noch eine Träne herausgepreßt. Als Anna Svärd Karin weinen sah, fiel ihr ein, wie sie selbst ohne alles eigene Zutun vor allen anderen Hausiererinnen erhöht worden war, und da bezahlte sie etwas mehr für die Waren, als sie ausgemacht hatten.

      Wenn Anna Svärd bisweilen auf einem hohen Hügel stand, stellte sie sich mit dem Rücken gegen einen Zaun, damit sie eine Stütze für den Ranzen hatte, und folgte mit den Augen den Zugvögeln auf ihrem Flug nach dem Süden. Wenn sich niemand in der Nähe befand, der sie auslachen konnte, rief sie den Vögeln zu, sie sollten den Bewußten grüßen, und sie wünschte, auch Flügel zu haben, damit sie zu ihm fliegen könnte. Ja, wer war sie, daß sie vor vielen anderen erwählt, daß ihr Herz aufgetan worden war und sie nun anfing, die uralte Sprache der Sehnsucht und der Liebe zu sprechen?

      Anna Svärd war nun endlich so weit gekommen, daß sie ihren Heimatort Medstuby vor sich liegen sah. Da blieb sie stehen und sah vor allem nach, ob das Dorf noch wohlbehalten auf seinem alten Platze am Dalelf stehe, ob die Gehöfte noch ebenso dicht zusammengebaut und noch ebenso nieder und grau seien, ob die Kirche noch auf der kleinen Landzunge südlich vom Ort liege, genau wie sonst auch, und ob die Birkenhaine und die Tannengehölze nicht etwa während ihrer Abwesenheit von der Erde weggefegt worden seien, sondern noch ganz wie vorher dalägen.

      Aber nachdem sie sich von dem allem überzeugt hatte, sah es aus, als gehe es ihr wie so vielen andern, die, gerade wenn sie dem Ziele nahe sind, sich so ermattet fühlen, daß sie kaum mehr weiterkommen. Sie mußte einen Pfahl aus einem Zaun herausbrechen und sich wie auf einen Stock darauf stützen; aber trotz dieser Hilfe konnte sie sich nur Schritt für Schritt auf dem Wege weiterschleppen. Der Rucksack drückte sie; sie mußte tief gebückt gehen, und der Atem wollte ihr versagen. Immer wieder mußte sie stehenbleiben, um sich zu verschnaufen.

      So langsam es aber auch vorwärts ging, schließlich erreichte sie doch das Dorf. Sie hatte vielleicht gehofft, ihrer Mutter, der alten Berit, zu begegnen oder irgendeiner andern guten Bekannten, die ihr tragen helfen würde. Aber sie traf keinen Menschen unterwegs.

      Der eine und der andere erblickte sie aber doch in ihrer Ermattung, und diese fragten sich sofort, wie es wohl der Mutter gehen werde, wenn nun, wie es den Anschein hatte, die Tochter so krank und elend heimkomme. Denn Mutter Svärd war eine arme Soldatenwitwe ohne Geldmittel und ohne ein eigenes Häuschen, und sie hätte ihre beiden Kinder niemals aufziehen können, wenn ihr Schwager Jobs-Erik, der ein vermögender Mann war, sie nicht in einer zwischen dem Stall und der Scheune eingeklemmten kleinen Kammer hätte wohnen lassen. Berit war sehr geschickt in allerlei Arbeiten sowie auch im Weben; sie war einer von jenen vielseitig gewandten Menschen, ohne die man in einem Dorfe nicht auskommen kann. Aber sie hatte auch Tag und Nacht im Geschirr sein müssen, um die zwei Kinder durchzubringen, und jetzt war sie nahezu aufgerieben. Sie hatte nun wohl auf Erleichterung gehofft, seit die Tochter mit dem Hausierhandel begonnen hatte. Wenn es jetzt nur nicht zu schlimm für sie stand! Es war kein gutes Zeichen, daß Anna zur Unzeit heimkam. Ja, die Armen, denen ging es doch immer schlecht!

      Anna Svärd tastete sich durch Holzstöße, Balkenstapel und Arbeitsgeräte, die zwischen den vielen Gebäuden des Jobshofs aufgehäuft waren, hindurch und erreichte so die Stallkammer. Die Mutter war ausnahmsweise daheim. Sie saß mitten im Zimmer an ihrem Spinnrad. Man wird verstehen, wie sehr sie erschrak, als die Tür aufging und die Tochter tief gebückt und sich auf einen Zaunpfahl stützend hereinkam. Und Anna Svärd tat auch gar nichts, um zu verhindern, daß die Mutter nicht einen Todesschreck bekam. Sie sagte ganz leise guten Tag, wie wenn sie das Wort kaum herausbringen könnte; ja, sie seufzte und schnaufte und wendete das Gesicht weg, um der Alten nicht in die Augen sehen zu müssen.

      Ach, was sollte die alte Berit denken? Sie war ja gewohnt, die Tochter so frisch ausschreiten zu sehen, wie wenn sie von keiner Last etwas wüßte. Jetzt ahnte sie das schlimmste, und hastig schob sie das Spinnrädchen zurück.

      Noch immer seufzend und hart schnaufend, ging Anna Svärd zum Tisch unter dem Fenster hin und stellte ihren Ranzen darauf. Als sie die Riemen vom Rücken gelöst hatte, rieb sie sich mit der Hand das Kreuz. Sie versuchte sich aufzurichten, aber es ging durchaus nicht. Ebenso krumm und gebückt, wie sie in die Kammer hereingekommen war, trat sie an den Herd und setzte sich auf den Herdrand.

      Ja, was sollte Mutter Svärd denken? Der Ranzen der Tochter war noch ebenso voll wie im letzten Frühjahr, als sich Anna auf die Wanderschaft begab. Hatte sie den ganzen Sommer hindurch gar nichts verkauft? War sie krank gewesen, hatte sie sich auf irgendeine Weise zugrunde gerichtet? Die alte Frau geriet in solche Angst, was sie wohl zu hören bekommen würde, daß sie nicht zu fragen wagte.

      Aber Anna Svärd mußte der Ansicht gewesen sein, die Mutter könne die große Neuigkeit nicht auf die richtige Weise aufnehmen, wenn sie sich nicht noch erbärmlicher und unglücklicher vorkomme als jemals vorher; sie fragte darum mit kläglicher Stimme, ob nicht die Mutter, die wohl ausgeruht habe, ihr den Gefallen tun und den Ranzen aufschnallen wolle.

      O doch, Mutter Svärd wollte sich so gefällig erweisen, als sie irgend konnte; aber ihre Hände zitterten, und es dauerte eine ganze Weile, bis sie mit all den Knoten und Schnallen zurechtkam und in den Ranzen hineingreifen konnte. Aber als sie das tat, ach – obgleich die alte Berit schon mancherlei erlebt


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