Rudolf Steiner: Die Philosophie der Freiheit. Rudolf Steiner

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Rudolf Steiner: Die Philosophie der Freiheit - Rudolf Steiner


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Elementen des Daseins ausgehen, sondern von dem, was uns als das Nächste, als das Intimste gegeben ist. Wir können uns nicht mit einem Sprunge an den Anfang der Welt versetzen, um da unsere Betrachtung anzufangen, sondern wir müssen von dem gegenwärtigen Augenblick ausgehen und sehen, ob wir von dem Späteren zu dem Früheren aufsteigen können. Solange die Geologie von erdichteten Revolutionen gesprochen hat, um den gegenwärtigen Zustand der Erde zu erklären, solange tappte sie in der Finsternis. Erst als sie ihren Anfang damit machte, zu untersuchen, welche Vorgänge gegenwärtig noch auf der Erde sich abspielen und von diesen zurückschloss auf das Vergangene, hatte sie einen sicheren Boden gewonnen. Solange die Philosophie alle möglichen Prinzipien annehmen wird, wie Atom, Bewegung, Materie, Wille, Unbewusstes, wird sie in der Luft schweben. Erst wenn der Philosoph das absolut Letzte als sein Erstes ansehen wird, kann er zum Ziele kommen. Dieses absolut Letzte, zu dem es die Weltentwickelung gebracht hat, ist aber das Denken.

      Es gibt Leute, die sagen: Ob unser Denken an sich richtig sei oder nicht, können wir aber doch nicht mit Sicherheit feststellen. Insofern bleibt also der Ausgangspunkt jedenfalls ein zweifelhafter. Das ist gerade so vernünftig gesprochen, wie wenn man Zweifel hegt, ob ein Baum an sich richtig sei oder nicht. Das Denken ist eine Tatsache; und über die Richtigkeit oder Falschheit einer solchen zu sprechen, ist sinnlos. Ich kann höchstens darüber Zweifel haben, ob das Denken richtig verwendet wird, wie ich zweifeln kann, ob ein gewisser Baum ein entsprechendes Holz zu einem zweckmäßigen Gerät gibt. Zu zeigen, inwiefern die Anwendung des Denkens auf die Welt eine richtige oder falsche ist, wird gerade Aufgabe dieser Schrift sein. Ich kann es verstehen, wenn jemand Zweifel hegt, dass durch das Denken über die Welt etwas ausgemacht werden kann; das aber ist mir unbegreiflich, wie jemand die Richtigkeit des Denkens an sich anzweifeln kann.

      Zusatz zur Neuausgabe 1918. In den vorangehenden Ausführungen wird auf den bedeutungsvollen Unterschied zwischen dem Denken und allen andern Seelentätigkeiten hingewiesen als auf eine Tatsache, die sich einer wirklich unbefangenen Beobachtung ergibt. Wer diese unbefangene Beobachtung nicht anstrebt, der wird gegen diese Ausführungen versucht sein, Einwendungen zu machen wie diese: Wenn ich über eine Rose denke, so ist damit doch auch nur ein Verhältnis meines „Ich“ zur Rose ausgedrückt, wie wenn ich die Schönheit der Rose fühle. Es bestehe geradeso ein Verhältnis zwischen „Ich“ und Gegenstand beim Denken, wie zum Beispiel beim Fühlen oder Wahrnehmen. Wer diesen Einwand macht, der zieht nicht in Erwägung, dass nur in der Betätigung des Denkens das „Ich“ bis in alle Verzweigungen der Tätigkeit sich mit dem Tätigen als ein Wesen weiß. Bei keiner andern Seelentätigkeit ist dies restlos der Fall. Wenn zum Beispiel eine Lust gefühlt wird, kann eine feinere Beobachtung sehr wohl unterscheiden, inwiefern das „Ich“ sich mit einem Tätigen eins weiß und inwiefern in ihm ein Passives vorhanden ist, so dass die Lust für das „Ich“ bloß auftritt. Und so ist es auch bei den andern Seelenbetätigungen. Man sollte nur nicht verwechseln: „Gedankenbilder haben“ und Gedanken durch das Denken verarbeiten. Gedankenbilder können traumhaft, wie vage Eingebungen in der Seele auftreten. Ein Denken ist dieses nicht. – Allerdings könnte nun jemand sagen: Wenn das Denken so gemeint ist, steckt das Wollen in dem Denken drinnen, und man habe es dann nicht bloß mit dem Denken, sondern auch mit dem Wollen des Denkens zu tun. Doch würde dies nur berechtigen zu sagen: Das wirkliche Denken muss immer gewollt sein. Nur hat dies mit der Kennzeichnung des Denkens, wie sie in diesen Ausführungen gemacht ist, nichts zu schaffen. Mag es das Wesen des Denkens immerhin notwendig machen, dass dieses gewollt wird: Es kommt darauf an, dass nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem „Ich“ nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint. Man muss sogar sagen, wegen der hier geltend gemachten Wesenheit des Denkens erscheint dieses dem Beobachter als durch und durch gewollt. Wer alles, was für die Beurteilung des Denkens in Betracht kommt, wirklich zu durchschauen sich bemüht, der wird nicht umhin können, zu bemerken, dass dieser Seelenbetätigung die Eigenheit zukommt, von der hier gesprochen ist.

      Von einer Persönlichkeit, welche der Verfasser dieses Buches als Denker sehr hochschätzt, ist ihm eingewendet worden, dass so, wie es hier geschieht, nicht über das Denken gesprochen werden könne, weil es nur ein Schein sei, was man als tätiges Denken zu beobachten glaube. In Wirklichkeit beobachte man nur die Ergebnisse einer nicht bewussten Tätigkeit, die dem Denken zugrunde liegt. Nur weil diese nicht bewusste Tätigkeit eben nicht beobachtet werde, entstehe die Täuschung, es bestehe das beobachtete Denken durch sich selbst, wie wenn man bei rasch aufeinanderfolgender Beleuchtung durch elektrische Funken eine Bewegung zu sehen glaubt. Auch dieser Einwand beruht nur auf einer ungenauen Anschauung der Sachlage. Wer ihn macht, berücksichtigt nicht, dass es das „Ich“ selbst ist, das im Denken drinnen stehend seine Tätigkeit beobachtet. Es müsste das „Ich“ außer dem Denken stehen, wenn es so getäuscht werden könnte, wie bei rasch aufeinanderfolgender Beleuchtung durch elektrische Funken. Man könnte vielmehr sagen: wer einen solchen Vergleich macht, der täuscht sich gewaltsam etwa wie jemand, der von einem in Bewegung begriffenen Licht durchaus sagen wollte: Es wird an jedem Orte, an dem es erscheint, von unbekannter Hand neu angezündet. – Nein, wer in dem Denken etwas anderes sehen will als das im „ Ich“ selbst als überschaubare Tätigkeit Hervorgebrachte, der muss sich erst für den einfachen, der Beobachtung vorliegenden Tatbestand blind machen, um dann eine hypothetische Tätigkeit dem Denken zugrunde legen zu können. Wer sich nicht so blind macht, der muss erkennen, dass alles, was er in dieser Art zu dem Denken „hinzudenkt“, aus dem Wesen des Denkens herausführt. Die unbefangene Beobachtung ergibt, dass nichts zum Wesen des Denkens gerechnet werden kann, was nicht im Denken selbst gefunden wird. Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verlässt.

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