Die Dubharan. Norbert Wibben

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Die Dubharan - Norbert Wibben


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blickt er zu ihr auf und lächelt: »Eben habe ich dich fast für Mairead gehalten. Sie hat mich auch oft zu einem Kakao aufgeweckt. Du bist ihr in deinem Verhalten sehr ähnlich! Hab’ ich dir eigentlich gesagt, dass du ihr auch etwas ähnlich siehst?« Er zeigt auf das Bild, worauf eine junge Frau im Portrait zu sehen ist.

      »Das ist Großmutter, kurz bevor ihr geheiratet habt«, antwortet Eila lächelnd.

      »Richtig. Jetzt schau dir ihr Gesicht und die aus der Stirn gestrichenen Haare an.«

      »Das ist mir noch gar nicht aufgefallen.« Sie betrachtet das Bild genauer, die Anordnung ihrer Augen zusammen mit der geraden Nase, um die ebenfalls schwach sichtbare Sommersprossen zu erkennen sind. Ihre hellen Augen sind strahlend zur Kamera gerichtet. Dieses junge Gesicht, mit der gleichen Art das Haar zu tragen, gleicht sehr stark ihrem eigenen. »Sie könnte glatt meine ältere Schwester sein«, staunt Eila.

      »Wohl eher deine Zwillingsschwester!«, korrigiert Brian, sie versonnen anlächelnd.

      Nun sitzen sie zusammen und unterhalten sich lange, nur kurz vom Abendessen unterbrochen. Albin liegt dabei zu Eilas Füßen und döst vor sich hin. Brian erzählt mit freudig leuchtenden Augen aus alten Zeiten, aus seinem und Maireads Leben. Als sie später zum Schlafen nach oben gehen, hat er gerötete Wangen und ist glücklich. Der große Hund legt sich vor Eilas Bett, schaut sie lange an und legt dann seinen Kopf auf beide Vorderpfoten.

      Am kommenden Morgen scheint die Sonne strahlend in die Küche, während Eila und ihr Großvater ein frühes, aber ausgiebiges Frühstück bereiten und zu sich nehmen. Albin bekommt Wasser und ein großes Stück einer Fleischwurst. Als Proviant für die Reise nimmt Eila einige Äpfel, ein Laib Brot, eine Dauerwurst, ein Stück Hartkäse, eine mit Frau Dixons Butterplätzchen gefüllte Blechdose und eine Blechflasche voll Wasser mit.

      Brian, Eila und Albin folgen der gewundenen Straße hinauf auf den nächsten Berghang. Von dort, teilweise sichtbar, schlängelt sich die Straße zwischen von Steinmauern eingefassten Wiesen Richtung Süden.

      Es folgt ein angenehmer Spaziergang von etwa sechs Kilometern in der wärmenden Vormittagssonne. Schließlich erreichen sie den kleinen Nachbarort mit seinen grauen Steinhäusern. Es gibt hier zwei größere Gebäude, den Dorfgasthof und den Bahnhof.

      Der Bahnhof ist reichhaltiger verziert als die grauen, schmucklosen Häuser des Ortes. Die roten Backsteineinfassungen an den Gebäudeecken und die Umrandungen der vielen Fenster und des Eingangs aus Sandstein lassen das Gebäude großartig erscheinen.

      In der gefliesten, altmodischen Eingangshalle befindet sich der Fahrkartenschalter. Ein freundlicher Angestellter in dunkler Eisenbahnuniform gibt Eila die gewünschte Fahrkarte Richtung Süden.

      Der Zug fährt um 10:15 Uhr, also erst in etwa zwei Stunden. Zur Verkürzung der Wartezeit gehen sie zum gegenüber liegenden Dorfgasthof. Der Gastraum ist leer. Auf ihr Rufen erscheint erst nach einiger Zeit ein kleiner Mann mit roten Wangen und einer weißen Schürze vor seinem runden Bauch.

      »Was kann ich für euch tun?«, fragt er schnaufend. »Ich musste noch erst das Brot aus dem Ofen nehmen, da es sonst verbrannt wäre. Deshalb hat es etwas länger gedauert bis ich kommen konnte«, entschuldigt er sich.

      »Das ist schon in Ordnung«, antwortet Brian. »Wir möchten gerne jeder eine dicke Scheibe von deinem leckeren Landbrot, dazu etwas Butter und Käse. Zu Trinken nehmen wir dazu beide einen heißen Kakao. Für unseren Hund möchten wir eine Schüssel mit Wasser und ein großes Stück Fleischwurst.« Dann setzen sie sich an einen der Tische am Fenster, mit Blick auf den Bahnhof.

      Der Wirt blickt etwas ängstlich auf den großen Hund.

      »Kommt sofort«, sagt er erleichtert, als sich Albin friedlich vor Eilas Füßen auf dem Boden zusammenrollt. Es dauert nicht lange, und das Gewünschte wird ihnen gebracht. Albin blickt fragend zu Eila hoch. Erst als sie ihm zunickt, steht dieser auf und beschnuppert die Wurst. Auf einmal schnappt er die Wurst, zerteilt sie mit einem Biss und verschlingt das erste Stück. Sofort danach wird auch das zweite Wurststück heruntergeschlungen. Nun steht Albin über die Wasserschüssel gebeugt und schlabbert sie leer. Zufrieden legt er sich erneut zu Eilas Füßen. Brian und Eila haben ihm zugesehen und lächeln sich an.

      »Wir wollen uns das Essen jetzt auch schmecken lassen.« Sie genießen es in aller Ruhe und auch der Kakao schmeckt ihnen.

      »Wirt, das war wirklich gut!«, loben beide das Essen.

      Nachdem sie bezahlt haben, wechseln sie wieder hinüber zum Bahnhof. Dort gehen sie zum Bahnsteig und sitzen die verbleibenden 15 Minuten auf einer gusseisernen Bank mit grün gestrichenen Holzbrettern.

      Der Zug kommt pünktlich, pustend und schnaufend fährt er vor. Die Dampflok sieht beeindruckend aus. Sie ist dunkelgrün und schwarz gestrichen, versehen mit glänzenden Messingverzierungen. Die Lokomotive zischt noch einmal, eine weiße Wasserdampfwolke umströmt sie und sie scheint weiterfahren zu wollen. Dann steht die Lok mit ihren angekoppelten acht Waggons still.

      Türen öffnen sich nur im zweiten und im letzten Wagen. Eine alte Frau mit einem kleinen Hund an der Leine steigen aus dem zweiten Waggon aus. Sie wendet sich zum Bahnhofsgebäude. Aus dem letzten steigt ein Mann aus, der sich umdreht und einem kleinen Kind beim Aussteigen hilft. Anschließend gehen beide auch zum Bahnhofsgebäude, das Kind an der Hand des Mannes.

      Eila und Brian umarmen sich lange Zeit.

      »Pass bitte auf dich auf«, und: »Pass auf dich auf«, sagen beide gleichzeitig, während sie sich ansehen. Der Großvater blinzelt eine Träne weg. Eila und Albin – nicht an einer Leine geführt, sondern frei laufend – steigen in den zweiten Wagen ein und laufen nach hinten durch, bis zu einem freien Abteil. Brian schließt die Waggontür und Eila lässt das Abteilfenster zum Bahnsteig herunter. Sie beugt sich hinaus und winkt zum Großvater. Ein Pfiff ertönt. Die Dampflok beginnt zu zischen. Weißer Wasserdampf umwabert sie. Mit einem Ruck beginnt der Zug zu rollen. Brian winkt zurück, obwohl er wegen der aufsteigenden Tränen fast nichts erkennen kann. Eila fährt am Großvater vorbei und lässt ihn weit hinter sich zurück, während die Zugmaschine immer mehr beschleunigt.

      Die Lok pfeift noch einmal durchdringend und Eila kann den Großvater nicht mehr sehen. Der Zug fährt durch eine langgestreckte Kurve. Brian sieht die letzten Waggons nach der Kurve in der Ferne verschwinden. Er schnäuzt sich mit einem Taschentuch und seufzt leise: »Mairead, behüte Eila! Ich hoffe, sie erreicht Erdmuthe ohne Zwischenfall!« Er will den Bahnsteig verlassen und dreht sich zum Bahnhofsgebäude. Aus dem Augenwinkel heraus sieht er ein kurzes Flirren der Luft. Er dreht sich wieder zurück.

      »Stand dort nicht eben noch ein junger Mann? Wo ist der denn geblieben, so schnell kann er nirgends hingegangen sein?«, fragt er sich. »Hoffentlich bedeutet das nicht, dass ein böser Magier auf Eilas Fährte ist!« Beunruhigt geht Brian ins Bahnhofsgebäude und von dort auf die Straße davor. Er macht sich auf den langen Weg zurück zu seinem Haus im Weidenweg.

      Unterwegs zerbricht er sich den Kopf, wie er etwas zu Eilas Schutz unternehmen könnte. Ein Zug fährt erst wieder am nächsten Tag nach Süden, dorthin, wohin Eila unterwegs ist. Dann ist sie bereits lange auf dem Weg zu Erdmuthe, so dass er sie keinesfalls mehr erreichen kann.

      Mit einem heißen Kakao sitzt er dann in seinem Ohrensessel und schaut zu dem leeren hinüber. Gestern saß Eila noch dort, mit Albin zu ihren Füssen. Brian beruhigt sich etwas. Albin ist stark und treu. Er ist nicht durch Zauberer zu verwirren und wird Eila beschützen, hofft er. Als Brian kurz einnickt, glaubt er beim Erwachen Mairead im anderen Ohrensessel sitzen zu sehen. Sie lächelt ihn an und strahlt dabei eine Ruhe aus, die sich auf ihn überträgt. »Ich kann auf Maireads Vorkehrungen vertrauen. Eila ist nicht allein. Sie wird in Erdmuthe eine fähige Lehrerin finden und eine solide Ausbildung erhalten.«

      Vor drei Tagen im Nordland.

      Es ist etwa eine Stunde vergangen, seitdem Finley verschwunden ist. Roarke sinnt über die aktuellen Ereignisse nach, versucht Möglichkeiten durch Gewissheit zu ersetzen.


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