Wenn nichts ist, wie es scheint. Angelika Godau

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Wenn nichts ist, wie es scheint - Angelika Godau


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sie umgehend anzurufen und ihr zu erklären, dass sie meine Absichten völlig falsch verstanden habe, rief stattdessen meine Schwester Wiebke an. Meine große Schwester, zu der mein Verhältnis in den letzten Jahren sehr viel besser geworden war und die ich schon öfter um Rat gefragt hatte. Wie immer nahm sie auch dieses Mal kein Blatt vor den Mund. Kaum hatte ich meine Geschichte zu Ende erzählt, lachte sie und sagte trocken: „Du bist einfach ein Idiot, Deti. Ein charmanter zwar, aber eben doch ein Idiot. Deine Tabea ist anders als die Frauen, mit denen du dich früher so umgeben hast. Sie spielt in einer ganz anderen Liga, ist ernsthafter, erwachsener, könnte man sagen, aber auf eine gute Art. Sie weiß, wer sie ist und sie weiß, was sie will. Davon abgesehen hat sie einen sehr anspruchsvollen und auch anstrengenden Beruf, den sie ernst nimmt. Sie hat nicht immer um 17. 00 Uhr Feierabend und manchmal muss sie sogar am Wochenende arbeiten, an deinem Geburtstag oder an Heilig Abend vom Tisch aufstehen, um zu einem Tatort zu fahren. Das solltest du doch am besten wissen, verdammt noch mal. Sie kann dann keinen Mann gebrauchen, der rumjammert …“

      „Ich habe überhaupt nicht rumgejammert“, hatte ich sie empört unterbrochen, aber Wiebke hatte nur kurz abgewunken und weitergeredet.

      „Vielleicht nicht direkt, aber du hast ständig irgendwelche Pläne gemacht, gemeinsame Urlaube geplant, immer wieder von Heirat und Familiengründung gesprochen. Du warst so sehr darauf fixiert, dass dir völlig entgangen ist, wie das für Tabea gewesen sein muss. Sie konnte immer nur vielleicht sagen, mal sehen, wenn ich keinen Dienst habe, usw. Und dass sie dir mehr als einmal gesagt hat, dass eine Heirat für sie noch nicht infrage kommt, das weiß ich zufällig genau, ich war mehrfach dabei.“

      „Ja sicher“, hatte ich eingeräumt, „aber was ist denn so schlimm daran, dass ich sie heiraten will? Ich dachte immer, Frauen freuen sich, wenn man ihnen einen Antrag macht?“

      Meine Schwester hatte die Augen verdreht und stöhnend erwidert: „Genau das ist dein Problem, Deti. Du hast nicht den leisesten Plan, was Frauen wollen. Ich weiß nicht, ob es dir schon mal aufgefallen ist, aber wir leben nicht im 19. Jahrhundert. Die Ehe ist nicht mehr alleiniges Ziel von Frauen. Heute haben die Berufe, anspruchsvolle Berufe, machen Karriere, also alles Dinge, die für euch Männer schon immer selbstverständlich waren. Geht das nicht in deinen sturen Schädel rein?“

      Ich hatte noch so einiges dagegen gesagt, immer wieder betont, dass ich Tabea ja gar nicht bevormunden wollte und einengen schon gar nicht, aber Wiebke hatte nur den Kopf geschüttelt und am Ende gesagt: „Ich kann Tabea verstehen, du kapierst wirklich überhaupt nichts“ und war gegangen.

      Frustriert und gekränkt wollte ich trotzdem noch einen weiteren Versuch mit einem männlichen Gesprächspartner starten und hatte Sand angerufen. Der Sandmann, Kollege von Tabea und lange Zeit nicht mein bester Freund, hatte in gespielter Verzweiflung die Hände in die Luft geworfen und gefleht: „Bitte, bitte verschone mich mit der Frage, was Frauen wollen. Ich bin seit Jahren mit einer verheiratet, aber ich glaube nicht, dass ich weiß, was sie wirklich will. Ja, ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie das selbst immer weiß. Ich glaube, darüber zerbrechen sich seit Adam und Eva die Männer den Kopf, oder vielleicht interessiert es sie nicht genug? Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Weißt du, meine Frau ist wirklich toll, ich liebe sie, daran besteht für mich kein Zweifel, aber wie oft sie schon gesagt hat: ‚Du verstehst mich einfach nicht‘, kannst du dir nicht vorstellen. Also, erwarte von mir keinen Rat, was du tun sollst. Ich weiß es nicht. Im Zweifelsfall das, was sie will, aber möglicherweise machst du genau damit den größten Fehler.“

      „Du meinst, wenn ich jetzt gar nichts mache, sie einfach in Ruhe lasse, so wie sie es will, könnte sie darüber auch wieder sauer sein?“, hatte ich mich verblüfft vergewissert und Sand hatte nur genickt. Danach hatten wir über Fußball gesprochen, ein Thema, mit dem wir uns beide sehr viel leichter taten.

      Das war jetzt drei Tage her. Ich hatte Tabea nicht angerufen, ihr keine Mail, keine WhatsApp und schon gar keine Blumen geschickt, sondern mich in Schweigen gehüllt. Auch von ihr hatte ich nichts gehört und das nagte gewaltig an mir. Ausgerechnet in dem Moment, wo ich drauf und dran gewesen war, sie anzurufen, hatte mein iPhone sich gemeldet und der Klingelton versetzte mir zusätzlich einen Stich. Immer wieder hatte ich davon gesprochen, ihn zu ändern, weil Knockin‘ On Heaven‘s Door mich einfach zu oft abrupt geweckt hatte. Getan hatte ich es nie, bis ich eines Morgens von „Der Mond ist aufgegangen“, geweckt wurde.

      „Du wolltest doch einen ruhigen und leisen Klingelton?“ Am anderen Ende war eine kichernde Tabea gewesen, die das wissen wollte und sich vor lauter Vergnügen fast an ihrem Kaffee verschluckt hätte. Daran musste ich denken, als es jetzt klingelte, auch wenn ich den aufgegangenen Mond zwischenzeitlich gegen Perfect von Ed Sheeran getauscht hatte.

      Es war Hella Labrius, Inhaberin einer Tierarztpraxis in Zweibrücken, die sie nach ihrem Veterinärmedizinstudium mit ihrem Vater zusammen führte. Nach dem üblichen Smalltalk: Wie geht es dir, was hast du gemacht, bist du verheiratet, hast du Kinder usw. stellte sich heraus, dass sie sehr genau wusste, was ich machte und dass sie mich aus genau diesem Grund anrief. Sie brauchte einen privaten Ermittler.

      „Weißt du“, ihre Stimme klang traurig, „ich hatte heute den dritten Hund auf dem Tisch, der es nicht geschafft hat. Es ist zum Kotzen, man versucht alles, um das Leben des Tieres zu retten, und es reicht dann doch nicht aus. Oft ist es zu spät, die Verletzungen zu gravierend oder es sieht am Anfang ganz gut aus, dann gibt es eine Infektion und am Ende verliert man doch. Und die Verzweiflung der Besitzer muss ich auch ertragen. Das geht ganz schön ans Eingemachte, kann ich dir sagen. Ich würde was drum geben, dieses Schwein endlich zu erwischen. Klar, wir haben das angezeigt, die Presse hat darüber berichtet und in den sozialen Medien wurde mehrfach gewarnt, aber gefasst wurde er bisher nicht. Es ist immer das gleiche, die Typen sind alle gleichgestrickt. Ein feiges Pack, das sein tödliches Futter irgendwo hinschmeißt, dann unerkannt und ungesehen wieder verschwindet. Was ist, hilfst du mir?“

      Eigentlich hatte ich keine rechte Lust, aber dann fiel mir ein, dass Tabea Abstand wollte und auch, wenn in Bad Dürkheim nicht täglich ein Mord geschah, bestand doch die Gefahr, dass wir uns über den Weg laufen würden; daher sagte ich zu. Ich packte einen Koffer, aufmerksam beobachtet von Alli, der wohl Sorge hatte, ich könnte ohne ihn verschwinden und rief noch kurz meine Mutter an, um ihr mitzuteilen, dass ich für einige Zeit in Zweibrücken arbeiten würde.

      „Ich habe es schon gehört, mein Sohn, du hast Streit mit deiner Tabea“, unterbrach sie meine Erklärungen. „Wie konnte das denn wieder passieren, sie ist doch so eine nette Frau.“

      War klar, der Lieblingssatz meiner Mutter fand in jeder Situation Anwendung, egal, um was es ging. Ebenso klar, dass sie mal wieder davon überzeugt war, dass ich daran Schuld hatte.

      „Darüber möchte ich jetzt nicht reden, ich wollte dir nur sagen, dass ich einen Auftrag in Zweibrücken habe“, versuchte ich abzulenken, wusste aber schon, dass ich sie damit nicht aufhalten würde.

      „Weglaufen war noch nie eine gute Idee“, überging sie denn auch meine Erklärung. „Walter hat auch gesagt, dass du dazu neigst, immer zu schnell die Flinte ins Korn zu werfen. Ihr müsst miteinander reden, Junge, glaub mir, das ist immer der beste Weg, Missverständnisse auszuräumen.“

      „Sagt das auch Walter oder kommt dieser gute Rat von dir?“, versuchte ich es mit Sarkasmus, aber der prallte an ihr ab.

      „Das findet Walter auch. Wenn wir Differenzen haben, dann reden wir darüber, und zwar so lange, bis wir uns einig sind. So macht man das, wenn man erwachsen ist. Junge, du musst doch …“

      „Also, Mama, du weißt Bescheid. Wenn was sein sollte, du hast meine Handynummer. Ich melde mich, wenn ich zurück bin.“

      Ich liebe meine Mutter, ehrlich, aber mir war jetzt nicht nach Ratschlägen zumute. Ich nahm Koffer und Alli, schloss meine Detektei ab, stieg in meinen Porsche und machte mich auf den Weg in Europas Rosenstadt.

      Es war früher Nachmittag, als ich die Autobahn verließ, und vorbei an einem riesigen Outlet-Center, auf dessen Parkplätzen sicherlich 3.000 Autos dicht an dicht standen, Richtung Stadt fuhr. Ich passierte den Rosengarten und die Rennbahn und erreichte kurz darauf, von meinem Navi geleitet,


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