Tödliche Krähen 2. Denny van Heynen
Читать онлайн книгу.Dreiergespann ein geräumiges Zuhause, welches große Ähnlichkeit mit einer viktorianischen Villa besaß.
Casey war noch sehr jung und konnte sich daher für alles begeistern, was mit Spiel und Spaß zu tun hatte. Melinda brachte die Fünfjährige jeden Morgen persönlich in den Kindergarten und merkte an einigen Tagen, dass ihr die stundenweise Trennung noch immer zu schaffen machte, da sie sehr besorgt über ihr einziges Kind war.
Ihre blonden Locken verliehen diesem braven Mädchen ein engelsgleiches Aussehen. Casey liebte es, im Kindergarten mit ihren Freundinnen zu spielen. Gemeinsam bürsteten sie dort die langen Haare ihrer Puppen oder zelebrierten kleine Teerunden. Sie war jedes Mal ein wenig traurig, wenn ihre Mom sie wieder abholte, aber sie sah ihre Freunde ja meist schon am nächsten Tag wieder.
Melinda war es nicht gewohnt, zuhause bloß herumzusitzen. Vor ihrer Schwangerschaft mit Casey hatte sie als Sekretärin gearbeitet. Da die Eheleute damals noch beide viel Geld verdient hatten, hatten sie sich einige Rücklagen zusammen gespart. Geplant war, das zurückgelegte Geld für das Haus in New York auszugeben. Die meisten wohnten dort zur Miete- wie auch Jack und Melinda Richfield- doch sie hatten ihr Haus endlich ganz ihr Eigen nennen wollen. Deshalb hatten sie den Vermieter um einen Preisnachlass gebeten, ihr Erspartes durchgerechnet und den Verkauf letztendlich abgewickelt. Sie dachten, sie könnten sich damit für schlechte Zeiten absichern. Doch als der Gouverneur vor einigen Jahren unerwartet eine Wirtschaftskrise ausgerufen hatte, waren sich die Richfields nicht mehr so sicher, ob sie das ganze Geld hatten wirklich in eine Immobilie stecken sollen.
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Schließlich war Melinda schwanger geworden- ein Umstand der ihr zuerst gar nicht gefiel. Doch sie hatte sich mit Jack´s Hilfe schnell damit angefreundet, bald Mutter und zuhause eine Hausfrau zu werden. In dem achten Monat hatte sie ihre Bürotätigkeit hochschwanger gekündigt und gehofft, dort nach der Schwangerschaft wieder anfangen zu können.
Casey war glücklicherweise gesund und munter zur Welt gekommen. Ihre überglückliche Mutter war die ersten zwei Jahre zuhause geblieben, hatte dann mit verringerter Stundenzahl wieder in dem Unternehmen arbeiten wollen, aber ihre Stelle war längst durch jemand anderen besetzt worden. So etwas ging schnell in New York- die meisten Arbeitsplätze waren nicht sicher- da die Chefs meistens ein oder mehrere Menschen in der Hinterhand hatten. Diese sprangen sofort ein, wenn ein Arbeitnehmer kündigte oder anderweitig ausfiel. Dementsprechend schwer war es, überhaupt wieder in das Arbeitsleben einsteigen zu können.
Melinda hatte sich deshalb mit dem Gedanken abfinden müssen, auch weiterhin eine Hausfrau zu bleiben. Jack hatte sie die vielen Abende getröstet, an denen sie weinend und unzufrieden mit ihrem Dasein im Wohnzimmer gesessen hatte.
„Ich will nicht zuhause versauern“ hatte sie in dieser Zeit des Öfteren schluchzend von sich gegeben.
Doch ihr war erst einmal nichts anderes übrig geblieben. Um seine Frau aufzumuntern, hatte Jack ihr eines Tages nach der Arbeit ein Buch gekauft, in welchem hundert Ideen aufgelistet waren, die sich als neues Hobby eigneten. Im ersten Anflug der Wut hatte es Melinda jedoch in die Ecke geworfen. Sie hatte gedacht, dass Jack sie damit zuhause an unsichtbare Ketten legen wollte. Nachdem sie sich beruhigt hatte, war ihr aber schnell bewusst geworden, dass ihr Mann ihr nur hatte helfen wollen.
Melinda hatte sich daraufhin bei Jack entschuldigt und in der nächsten Zeit intensiv mit dem Buch beschäftigt. Die meisten Hobby´s hatte Melinda getrost ausschließen können: weder war sie handwerklich begabt, noch eine alte Strick- Omi, wie sie sich selbst ausgedrückt hatte. Auch das Backen hatte sie nicht erlernen wollen- immerhin war das ein typisches Klischee einer Hausfrau.
Neben normalen Hobby´s waren auch kuriose Dinge in der Schrift aufgelistet worden, vom Golfspielen zum Klettern bis hin zum Mountainbiking. Sie hatte sich kaum vorstellen können, einen Berg zu erklimmen oder von Matsch besudelt eine Piste unsicher zu machen.
Nach der Hälfte des Buches war Melinda allerdings auf einige Seiten gestoßen, die ihr Interesse doch noch geweckt hatten. Darin waren ihr esoterische Themen vorgestellt worden und sie hatte gedacht, dass dies ein lohnendes Hobby wäre, womit man ganz nebenbei den eigenen Horizont erweitern konnte. Um es auszuprobieren, hatte sie sich in den folgenden Wochen allerlei esoterische Werkzeuge gekauft- sogar ein Ouija- Brett war darunter gewesen. Mit diesem hatte sie begonnen, Kontakt zu verstorbenen Personen aufzunehmen. Als irgendwann während einer Sitzung alle Vitrinen im Haus geklappert hatten, hatte sie Ouija jedoch aufgegeben und es einem Voodoo- Shop verkauft.
Melinda hatte von nun an Tarotkarten gelegt, sich eine Wünschelrute besorgt und Geisterfilme im Fernsehen angesehen. Plötzlich waren ihr all diese Dinge seltsam vertraut gewesen. Ihr Mann, Jack, hatte sie bei ihrer Selbstfindung unterstützt. Zwar hatte ihr neues Hobby in der Anfangszeit viel Geld verschlungen- das war aber bei den meisten Freizeitaktivitäten der Fall. Außerdem hatte die Esoterik Melinda´s Leben mit neuer Hoffnung erfüllt und neuen Schwung in jenes hineingebracht. Sie war ihrem Hobby fortan immer morgens nachgegangen, wenn ihre Tochter im Kindergarten war und abends, wenn Jack Spätschicht hatte.
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Irgendwann war ihr Ehemann allerdings mit schlechter Laune nach Hause gekommen. Die Braunhaarige hatte gerade ihre Blusen gebügelt und in der Luft eine negative Stimmung gespürt. Ohne ein Wort der Begrüßung war er an ihr vorbeigegangen und hatte sich auf die helle Couch plumpsen lassen.
„Ich bin gekündigt worden“ hatte er tonlos verkündet.
„Was? Wieso denn das?“ hatte Melinda ungläubig wissen wollen.
„Sie denken, ich habe gesoffen“ war seine knappe Antwort gewesen, die ihr wie ein Knurren vorgekommen war.
„Und? Hast du?“
„Schatz, du weißt, dass ich seit Jahren nicht mehr trinke!“
Jack hatte vor langer Zeit mit einem Alkoholproblem zu kämpfen. Es hatte angefangen, kurz nachdem er Melinda kennengelernt hatte. Das Paar war damals oft ausgegangen und die tüchtige Frau hatte schnell erkannt, dass Jack einen über den Durst trank. Es war eine harte Zeit für das Paar gewesen, doch Jack hatte den Entzug erfolgreich geschafft und danach keinen Schluck mehr angerührt. Einige Monate später hatten die beiden dann voller Zuversicht geheiratet.
Aufgrund der Kündigung waren Jack und Melinda von nun an abends oft zusammen gewesen, weshalb sie ihr Hobby ein wenig hatte hinten anstellen müssen. Während ihrer gemeinsamen Zeit hatten sie auch über die Zukunft gesprochen. Ihr Geld war langsam zur Neige gegangen und sie hatten sich etwas überlegen müssen, um nicht bald vor dem Nichts zu stehen.
„Siehst du denn nichts in deinen Karten?“ war es eines Tages aus Jack´s Mund gekommen.
Melinda hatte den Kopf zur Seite gelegt.
„Nein, ich wollte dich nicht auf den Arm nehmen. Ich meine das ernst! Irgendetwas muss unsere Situation doch verbessern können.“
Also hatte Melinda die Karten in Ruhe befragt, als Jack und Casey unterwegs waren, weil sie sich so besser konzentrieren konnte. Ihr waren verschiedene bunte Bilder angezeigt worden, immer wieder sah sie eine Art Vogel. Dieses Bild ihrer Zukunft hatte sie ganz nett gefunden und es zusammen mit den anderen Karten als einen Neuanfang auf einer abgelegenen Insel gedeutet- doch sie hatte nicht geahnt, dass das esoterische Hilfsmittel sie hatte warnen wollen. Noch am selben Tag hatte sie sich im Souvenirshop eine Landkarte gekauft und zuhause ihr Pendel darüber gehalten- mit mäßigem Erfolg, denn dort hatte es nicht ausgeschlagen.
„Vielleicht liegt die Insel ganz woanders und ist nicht auf dieser Karte eingezeichnet“ hatte ihr Mann gemutmaßt, als er wieder zuhause angekommen war.
Melinda hatte die Angelegenheit nicht ruhen lassen können und ständig darüber gesprochen. Jack hatte seiner Frau daher ein Exemplar mit den verschiedensten Inselnamen in Amerika besorgt. Das Pendel hatte nun stark ausgeschlagen und schien bereitwillig Auskunft zu geben.
„Arcane Island“ hatte die Dreißigjährige im Flüsterton von der Karte abgelesen und die Schwingungen des esoterischen Instrumentes fälschlicherweise als Ortswechsel interpretiert.
Die