Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen. Wilhelmine von Bayreuth
Читать онлайн книгу.um den Thron zu besteigen. Der Kurprinz, sein Sohn, begleitete ihn und nahm den Titel Prinz von Wales an. Dieser ließ seinen Sohn, nunmehr Herzog von Gloucester, in Hannover zurück, da er ihn bei seinem zarten Alter nicht der Meerfahrt aussetzen wollte. Die Königin, meine Mutter, gebar um dieselbe Zeit eine Prinzessin, die den Namen Friederike Luise erhielt.
Mein Bruder zeigte sich indessen von sehr zarter Konstitution. Seine Schweigsamkeit wie sein Mangel an Lebhaftigkeit gaben zu berechtigten Besorgnissen für sein Leben Anlass. Seine häufigen Erkrankungen begannen die Hoffnungen des Fürsten von Anhalt aufs Neue zu beleben. Um seinen Einfluss zu befestigen und ihn zu vermehren, überredete er den König, mich seinem Neffen zur Frau zu geben. Dieser Prinz war ein rechter Vetter des Königs.
Kurfürst Friedrich Wilhelm – 1620 – 1688
Kurfürst Friedrich Wilhelm, beider Ahne, hatte zwei Frauen gehabt. Die Prinzessin von Oranien, seine erste Frau, schenkte ihm Friedrich I. und zwei Prinzen, die bald nach ihrer Geburt starben.
Die zweite Gemahlin, Herzogin von Holstein-Glücksburg, Witwe des Herzogs Karl Ludwig von Lüneburg, schenkte ihm fünf Prinzen und drei Prinzessinnen, nämlich Karl, der in Italien auf Befehl seines Bruders, des Königs, vergiftet wurde, Kasimir, der ebenfalls durch eine Prinzessin von Holstein vergiftet wurde, die er zu heiraten sich geweigert hatte, und die Prinzen Philipp, Albert und Ludwig. Der erste dieser drei Prinzen vermählte sich mit einer Prinzessin von Anhalt, Schwester des von mir geschilderten Fürsten. Sie schenkte ihm zwei Söhne und eine Tochter. Als der Markgraf Philipp starb, wurde sein ältester Sohn, der Markgraf von Schwedt, erster Prinz von königlichem Geblüt und nächststehender Thronerbe, falls die königliche Linie erlöschen sollte. In diesem Falle fielen alle Allodialländer und Freilehen mir zu. Da der König nur einen Sohn hatte, stellte ihm der Fürst von Anhalt, von Grumbkow unterstützt, vor, dass es aus politischen Gründen notwendig sei, mich mit seinem Vetter, dem Markgrafen von Schwedt, zu vermählen. Sie gaben vor, dass die zarte Gesundheit meines Bruders wenig Zuversicht für sein Leben gewähre und dass die Königin anfinge, so beleibt zu werden, dass sie schwerlich noch Kinder haben würde; dass der König beizeiten an die Erhaltung seiner Staaten denken müsse, die zerstückelt würden, wenn ich eine andere Partie einginge; und endlich, dass, falls er das Unglück haben sollte, meinen Bruder zu verlieren, sein Schwiegersohn und Nachfolger ihm an Sohnes statt stehen würde.
Der König begnügte sich eine Zeitlang, ihnen unbestimmte Antworten zu geben; aber sie brachten es endlich zuwege, ihn zu Orgien zu verleiten, bei denen er, vom Weine erhitzt, ihren Forderungen nachgab. Es wurde sogar ausgemacht, dass der Markgraf von Schwedt nunmehr Zutritt zu mir haben solle und dass man auf alle erdenkliche Weise versuchen würde, eine Neigung zwischen uns zu erwecken. Die Leti, von der Anhaltschen Clique gewonnen, wurde nicht müde, mir unaufhörlich vom Markgrafen von Schwedt zu sprechen und ihn zu loben, immer mit dem Zusatz, er würde dermal einst ein großer König und es wäre ein großes Glück für mich, wenn ich ihn heiraten könnte.
Dieser Prinz, im Jahre 1700 geboren, war sehr groß für sein Alter. Sein Gesicht ist schön, aber seine Physiognomie mitnichten einnehmend. Obwohl er erst fünfzehn Jahre zählte, zeigte sich schon sein böser Charakter, er war grausam und brutal, hatte rohe Manieren und niedrige Triebe. Ich hatte eine natürliche Abneigung gegen ihn und suchte ihm Streiche zu spielen und ihn zu erschrecken, denn er war ein Hasenfuß. Die Leti verstand hier keinen Spaß und strafte mich streng. Die Königin, welche den Zweck dieser Besuche nicht kannte, litt sie umso bereitwilliger, als ich auch die anderer Prinzen empfing und ihre Besuche bei meinem zarten Alter ohne irgendwelche Konsequenzen schienen. Trotz aller Bemühungen war es den beiden Günstlingen nicht gelungen, zwischen dem König und der Königin Zwietracht zu säen. Obwohl aber der König seine Gemahlin leidenschaftlich liebte, konnte er nicht umhin, sie unbillig zu behandeln, und ließ ihr keinerlei Anteil an staatlichen Dingen. Er verfuhr also, weil, wie er sagte, die Frauen in Zucht gehalten werden müssten, sonst tanzten sie ihren Männern auf der Nase herum.
Es blieb ihr jedoch nicht lange der Plan meiner Verheiratung verborgen. Der König vertraute ihn ihr an, und die Nachricht war für sie wie ein Donnerschlag. Ich muss hier eine Schilderung ihres Charakters und ihrer Person geben. Die Königin ist niemals schön gewesen, ihre Züge sind narbig und haben nichts Klassisches. Ihre Haut ist weiß, ihr Haar dunkelbraun, ihre Figur ist eine der schönsten, die es je gegeben hat. Ihre edle und majestätische Haltung flößt allen, die sie sehen, Ehrerbietung ein; ihre große Weltgewandtheit und ihr glänzender Geist deuten auf mehr Gründlichkeit, als ihr eigen ist. Sie hat ein gutes, großmütiges und mildreiches Herz; sie liebt die schönen Künste und die Wissenschaften, ohne sich allzu sehr mit ihnen befasst zu haben. Jeder hat seine Fehler, und sie ist nicht frei davon. Sie verkörpert allen Stolz und Hochmut ihres Hannoveranischen Hauses. Ihr Ehrgeiz ist maßlos, sie ist grenzenlos eifersüchtig, argwöhnischen und rachsüchtigen Gemütes und verzeiht nie, wo sie sich für beleidigt hält.
Das Bündnis mit England, das sie mittels der Heirat ihrer Kinder geplant hatte, lag ihr sehr am Herzen; sie hoffte, dadurch allmählich Einfluss auf den König zu gewinnen. Zudem suchte sie sich gegen die Ränke des Fürsten von Anhalt einen starken Rückhalt zu schaffen, und endlich strebte sie die Vormundschaft meines Bruders an, für den Fall, dass der König sterben sollte. Er war häufig unpass, und man hatte der Königin versichert, dass er nicht mehr lange leben könnte.
Ungefähr um diese Zeit erfolgte die Kriegserklärung des Königs von Schweden. Die preußischen Truppen begannen im Monat Mai ihren Vormarsch nach Pommern, wo sie sich mit den dänischen und sächsischen Truppen vereinten. Der Feldzug wurde durch die Einnahme der Festung Wismar eröffnet. Die ganze vereinigte Armee, die sich auf 36.000 Mann belief, zog sodann auf Stralsund, um es zu belagern.
Stralsund
Obwohl meine Mutter von neuem schwanger war, folgte sie meinem Vater auf diesem Feldzuge. Die Einzelheiten desselben will ich hier übergehen; er endete siegreich für meinen Vater, den König, der Herr über einen großen Teil von Schwedisch-Pommern wurde. Während der Abwesenheit meiner Mutter wurde ich ausschließlich der Obhut der Leti anvertraut; und der Frau von Roucoulles, die den König erzogen hatte, lag die Erziehung meines Bruders ob.
Marthe de Roucoulle Montbail – 1659 – 1741
Die Leti gab sich unendlich viel Mühe, um meinen Geist zu bilden; sie lehrte mich die Anfangsgründe der Geschichte und Geographie und suchte zugleich mir gute Manieren beizubringen. Die vielen Menschen, die ich sah, halfen dazu, dass ich bald weltgewandt wurde; ich war sehr lebhaft, und jeder unterhielt sich gerne mit mir.
Die Königin war bei ihrer Rückkunft über mein Aussehen sehr erfreut. Die Liebkosungen, mit welchen sie mich überhäufte, verursachten mir solche Freude, dass all mein Blut in Wallung geriet und ich von einem Blutsturz befallen wurde, der mich fast ins Jenseits befördert hätte. Ich erholte mich nur durch ein Wunder von diesem Unfall, der mich auf mehrere Wochen ans Bett fesselte. Kaum war ich genesen, als die Königin meine unerhört schnelle Auffassungsgabe ausnützen wollte; sie teilte mir verschiedene Lehrer zu, u. a. den berühmten La Croze, der sich durch seine Kenntnisse in der Geschichte, den orientalischen Sprachen und allen Gebieten des Altertums einen so großen Ruf erworben hatte. Ein Lehrer folgte dem andern; sie nahmen mich den ganzen Tag in Anspruch und ließen mir nur sehr wenig Zeit zur Erholung übrig. Obwohl fast alle Kavaliere zur Armee gehörten, wurde der Berliner Hof doch sehr gern von Fremden besucht, die sich zahlreich dort einfanden. Die Königin hielt in Abwesenheit des Königs jeden Abend Cercle. Der König befand sich zumeist in Potsdam, einer kleinen Stadt, die vier Meilen von Berlin entfernt liegt. Er lebte dort mehr als Edelmann denn als König; sein Tisch war auf das frugalste bestellt, es gab nur das Nötige.
Seine Hauptbeschäftigung bestand darin, ein Regiment zu drillen, das er zu Lebzeiten Friedrichs I. zu bilden angefangen