Georg Schweinfurth: Forschungsreisen 1869-71 in das Herz Afrikas. Georg Schweinfurth

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Georg Schweinfurth: Forschungsreisen 1869-71 in das Herz Afrikas - Georg  Schweinfurth


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und Dang, Schutzwaffen der Dinka

      Ackerbau wird nur nebensächlich, aber in ziemlich geschickter Weise betrieben. Sauberkeit und sorgsame Auswahl der Nahrung findet sich bei den Dinka wie bei kaum einem anderen Volk Afrikas. Die Mehl- und Milchspeisen stehen unserer Kochkunst nicht nach. Die Leute greifen nicht mit den Händen in eine und dieselbe Schüssel; die Gäste lagern sich um eine große Schüssel Brei oder Grütze. Wenn sich der erste satt gegessen hat, gibt er die Schüssel dem Folgenden. Zuweilen bot ich Dinkadamen von Rang auf meinem Feldtisch europäisch zubereitete Gerichte an, und sie saßen auf meinen Stühlen. Sie griffen zu Gabeln und Löffeln, als verstände sich das von selbst, und legten alles sorgfältig und noch dazu gewaschen wieder an Ort und Stelle. Alles kriechende Gewürm erfüllt den Dinka mit Ekel. Krokodile, große Eidechsen, Frösche usw. sind nicht küchenfähig, nur die Schildkröte wird als Suppe verkocht. Nicht minder widerwärtig erscheint ihnen der Genuss von Hundefleisch. Ein feines Wild ist jedoch, wie überall in Afrika, die Katze; als das leckerste wird der Hase hochgeschätzt. Leidenschaftliches Tabakrauchen hat sich seit alten Zeiten eingebürgert, und die Dinka bedienen sich derselben riesigen Pfeifenköpfe wie die Schilluk.

Grafik 231

      Im Inneren der Wohnungen sind sie von derselben Reinlichkeit wie die Schilluk, mit denen sie die Vorliebe für Asche teilen, in der sie sich des Nachts der Mücken wegen betten.

      Auffällig ist das Fehlen des Ungeziefers; in diesem Teil von Afrika wird man weder von Läusen noch von Flöhen belästigt. Den Fremdling beunruhigt in einer Dinkabehausung nur das Getümmel der Schlangen, die im Stroh des Daches rascheln. Schilluk und Dinka zollen den Schlangen eine Art göttlicher Verehrung; die Dinka nennen sie sogar ihre „Brüder“ und sehen deren Tötung als Verbrechen an. Es wurde mir beteuert, dass einzelne Schlangen dem Hausbesitzer bekannt seien und dass er sie mit Namen nenne. Übrigens sind Schlangen im tropischen Afrika überhaupt nicht häufig; soviel ich in Erfahrung bringen konnte, sind die Schlangen im Lande der Dinka nicht giftig.

      Zu Weilern und Gehöften von wenigen Hütten vereinigt, sind die Wohnungen über das Ackerland zerstreut. Eigentliche Dörfer gibt es nicht, der Viehstand der einzelnen Distrikte aber ist in einem großen Viehhof vereinigt, den die Chartumer Murach nennen. Große Hütten haben 13 Meter im Durchmesser. Um den Dachstuhl zu stützen, pflanzen die Dinka einen vielverästelten großen Baumstamm in die Mitte der Hütte.

      Die nebenstehende Zeichnung veranschaulicht ein Dinkagehöft. Es ist mit Feldern von Sorghum oder Negerhirse umgeben. Von den drei Hütten ist die mittlere, mit einem doppelten Vorbau versehene die Wohnung des Familienvaters. Links steht eine Hütte für die Weiber; die größte und schönste Hütte rechts ist dazu bestimmt, kranke Kühe zur Pflege aufzunehmen, da ihnen in den Murach nicht die nötige Sorgfalt zugewendet werden kann. Unter der Rokuba, dem Sonnendach, vor den Hütten befindet sich der Feuerplatz zum Kochen; er ist hinter einem Windschirm aus Ton gelegen. In dem Dornverhau rechts werden die Ziegen für den täglichen Milchbedarf gehalten.

Grafik 643

      Dinkagehöft

      Ihre Haustiere sind Rinder, Schafe, Ziegen und Hunde. Alles Dichten und Trachten der Dinka dreht sich um den Besitz von Rindern, mit diesen Tieren wird ein förmlicher Kultus getrieben. Man schlachtet nie ein Rind; kranke pflegt man mit Sorgfalt in eigenen Hütten; nur die gefallenen und die verunglückten Tiere werden verspeist. Ein Hauptvergnügen für Dinkakinder ist das Nachbilden von Rindern und Ziegen aus Ton.

      In der Morgenstunde werden die Kühe gemolken, doch ist der Milchertrag sehr kärglich. Selten enthalten die Murach unter 2.000 Stück Vieh, ich habe solche mit bis zu 3.000 kennen gelernt. Auf den einzelnen Dinka kommen mindestens drei Rinder. Es gibt natürlich auch Arme; diese sind die Knechte der Reichen. Einzelne Viehhöfe beherbergen bis an 10.000 Stück Vieh, nach meiner eigenen Zählung, die ich an den zum Anbinden dienenden Pflöcken vornahm.

      Die Dinka sind ein großes Volk, aber die zahlreichen Stämme bekriegen sich nicht nur oft untereinander, sondern lassen sich auch als Werkzeuge der fremden Eroberer gegeneinander missbrauchen. Alle Versuche, sie in einen Zustand der Leibeigenschaft zu bringen, sind aber bisher fehlgeschlagen. Die ausgeprägte Eigenart des Volkes und das zähe Festhalten an ihren Sitten macht sie auch für den Sklavenhandel wertlos. Die in früheren Zeiten auf den Raubzügen der Nubier erbeuteten Männer werden unter die Soldaten gesteckt; damals bestand die große Mehrzahl der schwarzen Truppen Ägyptens aus Dinkas. Der Höchstkommandierende im Sudan, Adam Pascha, war selbst von Geburt ein Dinka.

      Die Dinka sind als grausam im Krieg bekannt; sie kennen keinen Pardon, und um die Körper der Erschlagenen führen sie wilde Tänze auf. Allein, es gibt auch Dinka deren Gemüt für Barmherzigkeit empfänglich ist. Nie werden Geschwister und Eltern sich gegenseitig im Stich lassen.

      Die Annahme, dass bei diesen Wilden ein Familiengefühl in unserem Sinne nicht vorhanden sei, ist nicht gerechtfertigt. Im Frühjahr 1871 erlebte ich folgendes: Ich weilte damals in der Seriba Kutschuk-Ali am Djur unter dem Volke gleichen Namens. Einer der Dinkaträger, die Vorräte für mich von der Meschra herbeigeschafft hatten, war seiner geschwollenen Füße wegen nicht imstande, in seine Heimat zurückzukehren. Viele Tage saß er allein da. Es herrschte Hungersnot im Lande, und ab und zu erhielt er von mir eine Handvoll Durra und Reste von unseren Mahlzeiten. Er konnte also zur Not leben und befand sich auf sicherem Boden; es hätte daher nur der Geduld bedurft, um nach der Heilung seine Familie zu erreichen. Aber nicht lange währte es, da stellte sich sein bejahrter Vater ein, um ihn abzuholen. Auf seinen eigenen schwachen Schultern trug der Alte den fast zwei Meter langen Lümmel 16 Wegstunden weit nach Hause. Die Eingeborenen sahen diese für unser Empfinden ungewöhnliche Leistung als etwas ganz Selbstverständliches an.

      * * *

      Schwarze Schmiedekünstler

       Schwarze Schmiedekünstler

      Auf einem dreiwöchigen Abstecher nach Nordwesten machte ich nähere Bekanntschaft mit den Djur, einem mit den Schilluk naheverwandten Stamm, dessen Seelenzahl kaum 20.000 übersteigen kann. Der Name stammt von den Dinka und bedeutet Waldmenschen, Wilde, im verächtlichen Sinn. Sie sind etwas heller gefärbt als die Dinka. In ihrer Tracht haben sie meist den Schillukbrauch beibehalten. Obgleich die Männer tagtäglich mit den Nubiern und den Bongo zu tun haben, lassen sie sich von ihnen nicht beeinflussen und lehnen hartnäckig eine Bedeckung der Geschlechtsteile ab. Umso sorgfältiger bedecken sie die Gesäßpartie mit einer kleinen Schürze von Fell. Kunstvoller Haarputz scheint nicht üblich zu sein; Männer und Frauen tragen am liebsten das Haupthaar kurz geschoren.

      Die Lieblingszierraten bei den Männern sind dieselben wie bei den Dinka. Ein eigentümlicher Schmuck der Männer, der sich nur hier findet, besteht in schweren Ringen aus gegossenem Messing, deren Zierraten aufs sorgfältigste eingemeißelt werden. Die Frauen sind durch nichts von den Dinkaweibern zu unterscheiden. Sehr häufig tragen sie einen großen Eisenring, der durch die Nase gezogen ist. Unglaubliches in Verunstaltung leisten die den Djur benachbarten Belanda, die in der Nase zu Dutzenden Ringelchen tragen, die wie heraushängende Würmer aussehen: ein abscheulicher Anblick!

      In neuerer Zeit hat sich vieles von den ursprünglichen Sitten der Djur verloren. So ist der Gebrauch des gegenseitigen Anspuckens, der früher als Begrüßung allgemein üblich war, längst in Vergessenheit geraten. Ich war nur dreimal Zeuge davon. In diesen Fällen drückte das Ausspucken den höchsten Grad inniger Zuneigung aus, eine Art Schwur der Treue und Ergebenheit.

      Der Landstrich, den die Djur bewohnen, bildet die unterste Terrasse des eisenhaltigen Felsbodens, daher waren sie auf die Eisenindustrie angewiesen. Jeder Djur ist ein gelernter Schmied. Die gewöhnliche Form, in der das Rohmaterial hergerichtet wird, ist eine Lanzenspitze, in der Regel 60 bis 70 Zentimeter lang. Lanzen und „Meloten“, d. h. Spaten, dienen im gesamten Gebiet des oberen Nil als gangbare Münze. Im März, kurz vor der Aussaat, verlassen die Djur ihre Hütten, um teils zum Fischfang an die Ufer des Flusses gleichen Namens zu ziehen, teils um sich mit Erzschmelzen im Walde zu beschäftigen. Weiber und Kinder


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